Fast 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht
Weltweit sind 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht - ein trauriger Rekord. Fast 60 Prozent suchen Schutz in anderen Regionen innerhalb des eigenen Landes. Diejenigen, die ihr Land verlassen, kommen meistens aus Syrien, Ukraine und Afghanistan. Aufgenommen werden sie vor allem in ihren Nachbarländern der Türkei, Kolumbien und Uganda. Wir unterstützen durch medizinische Angebote immer dort, wo es nötig ist: in ihrem Heimatland, unterwegs auf ihrem Weg oder in Camps für Menschen auf der Flucht.
- 41 % sind Kinder
- 51 % sind weiblich
- 76 % leben im globalen Süden
Der Entschluss zu einer Flucht erfordert viel Mut
Mustafa Khalilo* zum Beispiel musste seine Heimat in Syrien verlassen. Mit seinen drei Söhnen wagte er die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer. Unser Rettungsschiff, die Geo Barents, hat Mustafas Familie sowie 93 weitere Überlebende gerettet. Zehn Menschen haben es nicht geschafft.
Ich hatte Angst, dass ich es nicht schaffe. Also habe ich meinem siebenjährigen Sohn Ali die Kontaktdaten seiner Mutter in Syrien auf den Arm geschrieben. Ich hatte gehofft, dass sich jemand kümmern würde, wenn mir etwas zugestoßen wäre.
- Mustafa Khalilo*
Unsere Teams unterstützen weltweit in mehr als 40 Ländern Frauen, Kinder und Männer wie Mustafa und seine Söhne, die ihr Zuhause verlassen müssen.
Wenn es keine andere Lösung mehr gibt
Oft geht der Entscheidung zur Flucht eine lange Phase großer Unsicherheit oder prekärer Lebensumstände voraus. Ob zu Fuß durch den Dschungel, durch die Sahara oder im Boot über das Mittelmeer: Menschen sehen sich aus den unterschiedlichsten Gründen dazu gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Die häufigsten Ursachen sind:
- Bewaffnete Konflikte oder Kriege
- Naturkatastrophen
- Sexualisierte Gewalt
- Erpressung und Bandenkriminalität
- Lebensbedrohliche wirtschaftliche Konsequenzen der Covid-19-Pandemie und des Klimawandels
Unsere Teams arbeiten daher weltweit in mehr als 70 Ländern mit den Gesundheitsämtern zusammen und behandeln Patient*innen in verschiedenen Notlagen. Die Hälfte der Menschen, die auf der Flucht sind oder als Vertriebene leben, sind Frauen und Mädchen. Sie haben zusätzlich noch andere gesundheitliche Risiken und Bedürfnisse als Männer.
Wer flieht, flieht meist innerhalb des Heimatlandes oder in Nachbarländer
Mehr als 62,5 Millionen Menschen auf der Flucht suchen Schutz im eigenen Land und sind somit Binnenflüchtlinge. Die große Mehrheit derjenigen, die ihr Land verlassen, suchen außerdem Schutz in einem direkten Nachbarland. Die kulturelle Nähe spielt hierbei eine große Rolle, außerdem die Möglichkeit zur Rückkehr und auch der hohe Preis der Flucht: Je größer die Entfernung, desto teurer und gefährlicher wird der Weg. Oft fehlen diesen Menschen überlebenswichtige Dinge wie Nahrung und Wasser, ein sicherer Schlafplatz, Schutz vor Gewalt sowie medizinische Versorgung.
Gestrandet
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen auf der Flucht an einem Ort festsitzen oder gegen ihren Willen dort festgehalten werden. Mal müssen sie in großen Lagern ausharren, mal in kleineren provisorischen Unterkünften, etwa an geschlossenen Landesgrenzen. Häufig leben sie in prekären Verhältnissen und müssen jederzeit gewaltsame Übergriffe befürchten. Die Liste der Länder, in denen Geflüchtete und Migrant*innen gestrandet sind, ist lang.
Nur in den seltensten Fällen können die Menschen in ihr Heimatland zurückkehren. Ein großer Teil von ihnen wird dort politisch verfolgt, oder sie haben bereits alles verloren, was sie einmal besessen haben. Unsere Teams unterstützen Menschen, die weder vor noch zurück können, medizinisch und psychologisch sowie mit sozialer Hilfestellung. Einen besonderen Fokus legen wir auf die Arbeit mit und den Schutz von Überlebenden sexualisierter Gewalt.
Flucht aus Libyen und über das Mittelmeer
Fast alle, die die Flucht über das Mittelmeer wagen, waren zuvor in Libyen. Einige von ihnen haben die hochgefährliche Fahrt mehrfach riskiert, weil die libysche Küstenwache sie gegen ihren Willen zurück in das nordafrikanische Land brachte. Die meisten der mehr als 600.000 Migrant*innen und Geflüchteten leben in Libyen unter prekären Bedingungen – und in ständiger Angst. Jederzeit müssen sie mit willkürlichen Verhaftungen, Ausbeutung bis hin zu schwerer Gewalt rechnen.
Wir behandeln Menschen in zwei Internierungslagern in der libyschen Hauptstadt Tripoli. Auf dem Mittelmeer sind wir seit Mai 2021 wieder mit einem eigenen gecharterten Schiff unterwegs, der Geo Barents. Denn mit dem Ende des Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum der italienischen Regierung ist ein Vakuum entstanden, das wir und andere Hilfsorganisationen versuchen zu füllen.

Seenotrettung auf dem Mittelmeer
Seit Mai 2015 ist Ärzte ohne Grenzen an Bord von Rettungsschiffen im zentralen Mittelmeer im Einsatz. Jedes Menschenleben zählt. Seenotrettung ist eine Pflicht.
Unsere Forderungen
Mit Blick auf die europäischen Außengrenzen fordern wir seit Jahren, dass die betroffenen Menschen selbst im Zentrum der Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union stehen müssen. Wir fordern:
- Legale und sichere Fluchtwege
- Menschenwürdige Unterbringung und Zugang zu Versorgungsleistungen inklusive der medizinischen Versorgung und psychosozialer Begleitung auch und insbesondere an den EU-Außengrenzen.
- Wirksamer Zugang zu fairen Asylverfahren, die rechtsstaatlichen Standards entsprechen
- Ein staatliches Seenotrettungsprogramm und das Ende der Finanzierung der libyschen Küstenwachen durch die EU und ihre Mitgliedstaaten

Blog: Wenn der Durchbruch nur die Mauer zementiert
Nach jahrelangem Stillstand in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik wurde ein neues Maßnahmenpaket beschlossen. Ein Beitrag von Marie von Manteuffel.

Out of Libya: Geflüchtete müssen evakuiert werden
Erfahren Sie mehr über die Situation Geflüchteter in Libyen, unsere Arbeit vor Ort und die Möglichkeiten alternativer legaler Fluchtwege.