Äthiopien: Hilfskürzungen bedrohen Leben von Geflüchteten in Region Gambela
Insbesondere seit dem Wegfall von USAID zeigen sich die Folgen internationaler Mittelkürzungen im äthiopischen Gambela deutlich. Geflüchtete in der Region erhalten nun keine oder weniger Ernährungshilfen. Auch die medizinische Versorgung sowie die Bereitstellung von sauberem Wasser und sanitären Anlagen sind betroffen.
Gambela liegt im Südwesten Äthiopiens nahe der Grenze zum Südsudan und beherbergt seit 2014 eine große Zahl von überwiegend südsudanesischen Geflüchteten. Heute leben in der Region mehr als 395.000 Geflüchtete in sieben Camps – darunter das Geflüchtetencamp Kule, in dem Ärzte ohne Grenzen seit mehr als einem Jahrzehnt medizinische Hilfe leistet.
Aufgrund der Kürzungen der humanitären Hilfe in der Region mussten die Ernährungshilfen in vier der sieben Geflüchtetencamps eingestellt werden. Rund 80.000 Kinder unter fünf Jahren sind nun von lebensgefährlicher Mangelernährung bedroht.
Seit Oktober 2024 erhalten die Geflüchteten im Camp Kule nur noch 600 Kalorien pro Tag – weniger als 30 Prozent der empfohlenen Mindestmenge am Tag von 2.100 Kalorien pro Person. Andere Geflüchtetencamps in der Region befinden sich in einer ähnlichen Situation. Teilweise musste die Verteilung von Lebensmitteln aufgrund von Finanzierungsengpässen und Unterbrechungen in internationalen Lieferketten monatelang eingestellt werden.
Erschwerter Zugang zur Gesundheitsversorgung
Im Jahr 2025 nahm Ärzte ohne Grenzen 55 Prozent mehr Kinder in seinem therapeutischen Ernährungszentrum auf als im Vorjahr, wobei die Hälfte dieser Kinder aus anderen Camps in der Region kam. In der Ambulanz von Ärzte ohne Grenzen verzeichnet die Organisation ebenfalls einen Anstieg der Patienten*innenzahlen um 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch viele dieser Patient*innen kommen aus den umliegenden Camps. Und auch die Zahl der Frauen, die Untersuchungen zu Schwangerschaftsvorsorge wahrnehmen, ist im Vergleich zu 2024 um 72 Prozent gestiegen – ein Hinweis auf den wachsenden Bedarf an Gesundheitsleistungen für werdende Mütter.
Dass wir jetzt mehr Patient*innen aus anderen Camps aufnehmen, liegt vor allem daran, dass diese Dienste dort nicht mehr verfügbar sind. Viele NGOs sind aufgrund der Mittelkürzungen aus der Region abgezogen. Ärzte ohne Grenzen gerät angesichts des erhöhten Patientenaufkommen an seine Kapazitätsgrenze. Wir befürchten, dass diese Zahlen in den kommenden Monaten noch weiter steigen.
Armand Dirks, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gambela
Weniger Mittel zur Prävention von Krankheiten
Die Kürzungen der Gelder haben auch dazu geführt, dass Maßnahmen zur Krankheitsprävention – wie Malaria-Präventionsprogramme – zurückgefahren wurden. Da Malaria in der Region endemisch ist, rechnet Ärzte ohne Grenzen während der aktuellen Regenzeit bis Oktober mit einem starken Anstieg von Malaria-Fällen.
Um Druck von dem ohnehin fragilen Gesundheitssystem in der Region zu nehmen, verstärkt Ärzte ohne Grenzen daher nun eigene Maßnahmen zur Malariaprävention und –behandlung. Die Organisation plant außerdem, eine Malaria-Gesundheitsstation im Geflüchtetencamp Tierkidi einzurichten. Dort leben mehr als 74.000 Menschen.
Ein Aufruf zum Handeln
„Ärzte ohne Grenzen arbeitet mit voller Kapazität, aber der Bedarf in Kule übersteigt bei weitem das, was wir alleine bewältigen können“, sagte Birhanu Sahile, stellvertretender medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Gambela. „Ohne Unterstützung und Interventionen anderer Akteure wird sich diese Krise weiter verschärfen und Tausende schutzbedürftige Menschen in noch größere Gefahr bringen.“
Ärzte ohne Grenzen fordert Regierungen weltweit und insbesondere die deutsche Bundesregierung auf, den Wegfall internationaler Hilfsgelder auszugleichen. Deutschland muss eine angemessene Finanzierung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria sicherstellen, der Länder wie Äthiopien bei der Stärkung ihrer Gesundheitssysteme unterstützt. Zudem fordert Ärzte ohne Grenzen die äthiopische Regierung auf, den Zugang der Geflüchteten zu lokalen Diensten zu verbessern und die Kapazitäten des äthiopischen Gesundheitssystems auszubauen, um mögliche weitere Hilfskürzungen besser auffangen zu können.
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