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Gaza: “Das ist psychischer Terror”

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Portrait von Dr. Mughaisib

Dr. Mohamed Abu Mughaisib

Ich bin Mediziner mit über 24 Jahren Erfahrung in den Bereichen Allgemeinmedizin, öffentliche Gesundheit und psychische Gesundheit. Derzeit arbeite ich als stellvertretender medizinischer Koordinator im Gazastreifen.

20.08. - 25.08.2025

Der Nachthimmel über Gaza ist niemals still. Jeden Abend ertönt dasselbe Geräusch: ein tiefes, knirschendes Summen. Drohnen. Es ist nicht nur Lärm, das Geräusch bohrt sich in Ihren Schädel, scharf und endlos, vibriert wie eine Klinge gegen Ihre Gedanken.  

Es raubt Ihnen den Schlaf, es zerstört Ihre Träume, bevor sie entstehen können, es erinnert Sie jede Sekunde daran, dass Gefahr über Ihnen schwebt.  

Die Menschen hier hören den Wind nicht mehr, oder die Stille, sie hören die Drohnen.  

Der Stress ist unermesslich. Der Körper ist immerzu in Alarmbereitschaft, der Geist weigert sich zu ruhen. Kinder wachen zitternd auf, Ältere umklammern ihre Herzen, Mütter starren an die Decke und zählen die Sekunden zwischen den mechanischen Heultönen.  

Das ist psychischer Terror.  

Die Drohnen beherrschen den Himmel. Mit den Drohnen nehmen sie uns unseren Frieden, jede Ruhe, unsere Träume. 

Wohin können wir überhaupt gehen? 

Gaza-Stadt steht erneut vor einer massiven Zwangsentvölkerung. Die Menschen sind in ihrer eigenen Situation verloren, wandern mit schweren Herzen und noch schwereren Fragen durch die Straßen: Wie sollen wir fliehen? Welche Habseligkeiten sollen wir mitnehmen und was zurücklassen? Wohin können wir überhaupt gehen?   

Die Menschen flüstern verzweifelt: „Wir hatten während der Pandemie die Möglichkeit zu sterben ... aber Masken haben uns gerettet. Wir haben überlebt.“ Nach fast zwei Jahren unerbittlicher Bombardierungen, Hunger und Vertreibung fühlt sich das Überleben selbst wie ein Fluch an. Die Menschen blicken auf Covid-19 zurück und fragen sich, ob das Schicksal zu grausam ist - sie damals verschont hat und sie jetzt im Stich lässt. 

Ihnen wird wieder einmal gesagt, sie sollen ihre Häuser, ihre Straßen verlassen, ihre Erinnerungen zurücklassen. Heute packen die Familien nichts ein als Angst. 

Wer stoppt den Genozid? 

Wir haben Folter, Demütigung, Zerstörung, Vertreibung, Hunger und endlosen Verlust und Trauer ertragen. Wir haben ethnische Säuberungen, Kriegsverbrechen erlebt und nun Genozid. 

Die Frage bleibt: Wird die Welt nach all dem endlich die Maschinerie unserer Vernichtung stoppen? Oder werden unsere Körper ausgelöscht, unsere Seelen zu ruhelosen Winden, die als eindringliche Erinnerung an das Schweigen der Menschheit über die Welt hinwegfliegen?