Die Situation in Gaza
Seit der Wiederaufnahme der Angriffe und der Blockade der Hilfslieferungen durch Israel ist Gaza für die Palästinenser*innen zur Hölle auf Erden geworden. Das Überleben der Menschen hängt vom Willen der israelischen Behörden ab, die der Bevölkerung den Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischer Versorgung und Unterkünften verweigern. Die israelische Regierung zerstört bewusst die Lebensgrundlagen in Gaza, was ethnischen Säuberungen gleichkommt.
Die Menschen in Gaza leben seit Oktober 2023 unter den katastrophalen Bedingungen des Krieges. Mehr als 52.000 Menschen wurden getötet, fast ein Drittel davon Kinder, und mehr als 118.000 Menschen sind verletzt (OCHA). Fast alle medizinischen Einrichtungen sind zerstört oder beschädigt. Mehr als 90 % der Bevölkerung im Gazastreifen mussten fliehen, zum Teil mehrfach.
Wir fordern
- Einen sofortigen Waffenstillstand, denn nur so kann Hilfe sicher geleistet werden.
- Bedingungslosen Zugang für humanitäre Organisationen – über alle Grenzübergänge.
- Den Schutz von medizinischem Personal, Gesundheitseinrichtungen und Patient*innen.
- Ein Ende der Angriffe auf Zivilist*innen.
- Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Genfer Konventionen – durch alle Konfliktparteien.
Gemeinsam mit 8 anderen Hilfsorganisationen, die in Gaza Nothilfe leisten, haben wir am 28. Mai 2025 vor dem Auswärtigen Amt in Berlin eine “rote Linie” gezogen – als unmissverständliches Symbol für den Schutz des humanitären Völkerrechts. Unsere Botschaft: Es gibt ausreichend erfahrene Akteure vor Ort, die sofort noch mehr Hilfe leisten könnten. Dafür braucht es jetzt politischen Willen und eine klare Positionierung. Die deutsche Bundesregierung muss auch die Verteilung von Hilfsgütern durch die private “Gaza Humanitarian Foundation” unmissverständlich ablehnen und ausschließen, dass deutsche Mittel in solche Strukturen fließen.
Eine humanitäre und medizinische Katastrophe
Aktuell ist kein einziges Krankenhaus im Gazastreifen mehr voll funktionsfähig. Von 36 Einrichtungen sind nur noch 21 (teilweise) in Betrieb und vollkommen überlastet (WHO). Das medizinische Personal ist erschöpft. Die Bedingungen, unter denen Patient*innen versorgt werden müssen, sind katastrophal. Die meisten Krankenhäuser haben keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr. Die meisten Gebäude sind beschädigt oder zerstört. Die Beschränkungen und Hindernisse für die Einfuhr von Hilfsgütern durch die israelischen Behörden führen zu einer kritischen Knappheit an Medikamenten, Nahrungsmitteln und Wasser. „Der Mangel hat ein solches Ausmaß erreicht, dass wir gezwungen sind, Patient*innen in einigen Einrichtungen abzuweisen”, berichtet unsere Nothilfekoordinatorin Caroline Seguin.
So helfen wir
- Wir leisten im Gazastreifen Notfallchirurgie, versorgen Verletze, bieten Physiotherapie, medizinische Grundversorgung und Geburtshilfe sowie psychosoziale Unterstützung an.
- Wir konnten seit Beginn des Krieges 76 Lastwagen mit Medikamenten, Hilfsgütern und medizinischem Material in den Gazastreifen bringen.
- Im Gazastreifen stellen wir Trinkwasser, Sanitäranlagen und Hygiene-Kits bereit.
- Im Westjordanland versorgen wir Notfälle, spenden medizinische Güter und unterstützen psychologisch.
Ärzte ohne Grenzen ist seit 1989 in den Palästinensischen Gebieten aktiv – im Gazastreifen sowie im Westjordanland.
Unsere Hilfe in Zahlen
Die Zahlen beziehen sich auf unsere Aktivitäten in den palästinensischen Gebieten im Zeitraum von Oktober 2023 bis Mitte Dezember 2024
Notfallchirurgie
Wir haben 9.979 Operationen realisiert.
Ambulante Versorgung
Wir haben 479.651 ambulante Konsultationen ermöglicht.
Schwangerschaftsvorsorge
Wir haben 34.557 vorgeburtliche Beratungen geleistet.
Stationäre Behandlungen
Wir haben 22.358 Patient*innen stationär versorgt.
Trinkwasserversorgung
An mehr als 64 Orten verteilen wir täglich mehr als 732.000 Liter Trinkwasser (Stand: Nov. 2024).
Sanitäranlagen
Wir haben 324 Latrinen in 19 Vertriebenen-Camps eingerichtet sowie Hygiene-Kits verteilt.
Hilfe wird blockiert, bombardiert, instrumentalisiert
Die Bedingungen, unter denen unsere Mitarbeiter*innen arbeiten, sind extrem herausfordernd und gefährlich. 11 unserer Kolleg*innen sowie mehrere ihrer Angehörigen wurden getötet - zum Teil während sie sich in klar mit unserem Logo gekennzeichneten Unterkünften befanden oder im Krankenhaus arbeiteten. Wir sind entsetzt und trauern um diese Menschen.
Seit Beginn des Krieges mussten wir 17 Gesundheitseinrichtungen aufgrund extremer Gewalt verlassen. Unsere Teams haben rund 41 Luft- oder Bodenangriffe auf medizinische Einrichtungen erduldet. Das ist vollkommen inakzeptabel und macht es nahezu unmöglich zu helfen.
Hinzu kommt, dass Hilfslieferungen von Israel blockiert werden – die wenigen Güter, die seit dem 23.5.2025 wieder in den Gazastreifen gelassen werden, reichen nicht aus – und kommen vor allem im Norden nicht bei den Menschen an. Vor dem Krieg erreichten 500 Lastwagen pro Tag den Gazastreifen. Heute sind es, nach fast zweimonatiger Blockade, bestenfalls 100. Das reicht nicht einmal aus, um ein Minimum an Überleben zu sichern – von medizinischer Versorgung ganz zu schweigen. Wir wollen Leben retten, doch werden gezielt daran gehindert.
Die psychische Belastung ist immens
Unsere Mitarbeiter*innen im Gazastreifen haben seit Oktober 2023 mehr als 31.000 Menschen psychosozial beraten. Eine dieser Mitarbeiter*innen ist die Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk. Sie hat vor Ort gesehen, welche gravierenden Auswirkungen die Situation auf die Menschen hat – insbesondere auf Kinder, und sagt: „Jeder und jede im Gazastreifen ist von diesem Krieg betroffen. Es gibt niemanden, der nicht erlebt hat, wie Freunde oder Verwandte verwundet oder getötet wurden. Und die Menschen im Gazastreifen können vor diesem Krieg nicht fliehen, denn Sicherheit gibt es im Gazastreifen nirgendwo.“
Hinzu kommt, dass es im Gazastreifen einfach an allem fehlt, auch an einer Vorstellung von der Zukunft. Für viele Menschen ist nicht nur die Gegenwart – die Bomben, die Kämpfe und die Trauer – eine große Qual, sondern auch die Leerstelle: Was wird danach kommen?
“Die Menschen leben in ständiger Angst und sind traumatisiert. Am stärksten leiden die Kinder. Einige ziehen sich vollständig zurück und verstummen, andere geraten durch Kleinigkeiten in Panik. Der ständige Stress und die ständige Retraumatisierung wirken sich auf ihre Entwicklung aus und haben sicher für viele Betroffene Folgen, die sie ein Leben lang nicht loswerden.“
Kathrin Glatz Brubakk, Kinderpsychologin von Ärzte ohne Grenzen
Im Podcast: Als Kinderpsychologin im Einsatz in Gaza
„Es ist die stille Katastrophe, in der ich als Kinderpsychologin arbeite “, sagt Katrin Glatz Brubakk. Sie war mit uns bereits mehrfach im Einsatz, darunter im Gazastreifen und im Geflüchtetencamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Katrin Glatz Brubakk diskutiert mit den Co-Moderator*innen, wie Kinder auf traumatische Erlebnisse reagieren und worauf man bei ihrer Behandlung achten muss.
Unsere Hilfe im Westjordanland
Unsere Mitarbeitenden arbeiten auch in Hebron, Nablus, Tulkarem und Dschenin. Sie bieten unter anderem Notfallversorgung, medizinische Grundversorgung und psychosoziale Hilfe an. Sie berichten, dass auch im Westjordanland die Gewalt seit Kriegsbeginn zugenommen hat. Auch Ambulanzen und medizinische Einrichtungen werden blockiert oder angegriffen. Darüber hinaus wurden seit Beginn der israelischen Militäroperation „Iron Wall“ im Januar 2025 Zehntausende Palästinenser*innen im Westjordanland gewaltsam vertrieben, ohne angemessenen Unterkünfte oder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und zu medizinischer Versorgung.
Lesen Sie mehr zur Situation im Westjordanland in diesem Bericht.

So können Sie helfen
Zuletzt aktualisiert am 28. Mai 2025