
Ärzte ohne Grenzen betreibt in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Eisenbahn und dem Gesundheitsministerium zwei medizinische Züge, um Patient*innen aus frontnahen Krankenhäusern im Osten des Landes zu verlegen.
Unsere Hilfe in der Ukraine
Die aktuelle Situation in der Ukraine
Mehr als 220.000 Menschen sind vor den Kämpfen in der Ostukraine in die Region Dnipropetrowsk geflohen und suchen dort Zuflucht. Es sind vor allem Ältere, Menschen mit Behinderung und solche, denen die Mittel für die Reise in die Westukraine oder ins Ausland fehlen. Wir unterstützen die beeindruckende Arbeit der lokalen Behörden, von Freiwilligen, des Gesundheitspersonals und der Sozialarbeiter*innen. Deshalb haben wir unsere medizinische und psychologische Hilfe in den Städten Dnipro und Saporischschja erweitert. Der Krieg in der Ukraine hat mittlerweile mehr als 5,2 Millionen Menschen zur Flucht ins Ausland gezwungen, weitere 7,1 Millionen leben laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks als Vertriebene innerhalb des Landes.
610 Mitarbeiter*innen sind derzeit in der Ukraine im Einsatz und leisten Hilfe. Da sich die Lage in den Kampfgebieten schnell ändert, beobachten wir kontinuierlich die Dynamiken, um unsere Mitarbeiter*innen zu schützen und unsere Aktivitäten anzupassen.
So helfen wir
- Wir liefern medizinische und humanitäre Hilfsgüter - mehr als 800 Tonnen seit Kriegsbeginn.
- Wir schulen und beraten ukrainische Krankenhäuser, zum Beispiel in Odesa, im Umgang mit Kriegsverletzten und Notfällen, in denen gleichzeitig eine große Zahl an Verletzten eingeliefert wird.
- Wir evakuieren Patient*innen mit medizinischen Zügen aus überlasteten Kliniken nahe der Front.
- Wir unterstützen ukrainische Psycholog*innen und bilden psychologische Ersthelfer*innen aus, schulen Mitarbeiter*innen in Frauenhäusern rund um Kyjiw, beraten zu psychischer Gesundheit und bieten eine Telefon-Hotline für Menschen an, die von sexualisierter und häuslicher Gewalt betroffen sind, unter anderem in Kyjiw und Charkiw.
- Wir versorgen Menschen in mobilen Kliniken in Charkiw und Umgebung.
- Wir versorgen Geflüchtete in den Grenzregionen in der Slowakei und in Russland. Auch in Belarus sind wir bereit, Unterstützung zu leisten, sollte der Bedarf entstehen.
Medizinische Züge für den Krankentransport
Am 1. April konnten wir erste Patient*innen, die in Mariupol verwundet wurden, aus Krankenhäusern in Schaporischschja nach Lwiw bringen. Wir haben zwei Waggons eines Zuges als Krankenstation ausgestattet und ein medizinisches Team begleitete den Transport. So konnten wir Patient*innen aus überlasteten Krankenhäusern in den aktiven Kampfgebieten in Kliniken abseits der Front, wie zum Beispiel nahe Donezk und Luhansk verlegen. Mittlerweile haben wir einen zweiten Zug gemeinsam mit der ukrainischen Bahn in Betrieb genommen und können auch Intensivpatient*innen transportieren. Insgesamt konnten wir bisher 594 Patient*innen und 78 Waisenkinder evakuieren.
Hilfsgüter liefern und medizinisches Personal schulen
Der Mangel an Medikamenten und medizinischem Material ist in den ukrainischen Krankenhäusern zu spüren. Deshalb liefern wir seit Kriegsbeginn medizinische Hilfsgüter für Chirurgie, Notaufnahmen und Intensivstationen. Wir konnten beispielsweise medizinische Güter nach Tschernihiw, Odesa und Schytomyr liefern. Neben akuten Notfällen gibt es auch Bedarf an Medikamenten für chronisch erkrankte Menschen, zum Beispiel Insulin für Diabetespatient*innen.
Eine weitere Priorität liegt auf der Versorgung von Verletzten und Menschen mit chronischen Erkrankungen. Wir bieten Schulungen an, um Gesundheitszentren im Großraum Kyjiw bei der Versorgung von chronisch kranken Patient*innen und anderen medizinischen Notfällen zu unterstützen. In Lwiw, Mukatschebo, Winnyzja und Schytomyr haben wir ebenfalls Trainings gegeben. Wir haben Mitarbeiter*innen zahlreicher ukrainischer Krankenhäuser vor Ort oder aus der Ferne darin geschult, eine Vielzahl an Verletzten zu behandeln, die gleichzeitig eingeliefert werden – so zum Beispiel in einem Kinderkrankenhaus in Kyjiw. Dort haben wir auch praktische Übungen in Kriegschirurgie abgehalten.
Krankenhäuser werden getroffen
In der ukrainischen Stadt Mykolajiw wurden unsere Mitarbeiter*innen Anfang April bei einem Treffen mit Vertreter*innen der Gesundheitsbehörden und dem anschließenden Besuch einer onkologischen Klinik Zeug*innen eines Angriffs auf ein Krankenhaus.
Etwa zehn Minuten lang ereigneten sich mehrere Explosionen in unmittelbarer Nähe unserer Mitarbeitenden. Als unser Team die Umgebung des Krankenhauses verließ, haben sie mehrere Verletzte und mindestens eine Leiche gesehen. Wir können jedoch keine genaue Zahl an Toten und Verletzten nennen. Glücklicherweise wurden unsere Mitarbeitenden nicht verletzt.
- Michel-Olivier Lacharité, unser Einsatzleiter in Odesa
Zivilist*innen und humanitäre Helfer*innen müssen geschützt werden! Fliehende brauchen sichere Fluchtwege und den Zugang zu humanitärer Hilfe – nicht nur in für humanitäre Korridore ausgewiesenen Zeiten. Und humanitäre Helfer*innen, Gesundheitspersonal und Patient*innen dürfen kein Ziel von Angriffen sein.
Medizinische Versorgung in Dnipro und der Ostukraine
Um dem wachsenden Bedarf an medizinischer Hilfe in der Ostukraine nahe der Front gerecht zu werden, weiten wir unsere Aktivitäten in der Region aus. In der Stadt Dnipro versorgen wir Menschen, die aus Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen sind und in mehr als 40 Unterkünften wohnen. Wir behandeln Patient*innen, die an chronischen Krankheiten wie Asthma, Diabetes oder Epilepsie erkrankt sind, und vermitteln sie bei Bedarf an örtliche Krankenhäuser oder Fachkräfte.
Sasha Sholokov arbeitet seit 2017 als Arzt in unserem Team. Als der Krieg im Februar 2022 begann, floh er gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn aus seiner Heimatstadt Mariupol. Nachdem er seine Familie in Sicherheit gebracht hatte, kehrte er in die Ostukraine zurück und ist erneut mit uns im Einsatz.
Mit Beginn des Kriegs mussten wir unsere bisherige Arbeit im Luhansk und Donezk einstellen: Schon vorher war der Bedarf an medizinischer Hilfe groß. Seit acht Jahren sind die Menschen vom Konflikt in der Region betroffen.
Psychologische Unterstützung in mobilen Kliniken
In mehr als 70 Orten rund um Dnipro und Saporischschja sind unsere mobilen Kliniken unterwegs. Unsere Psycholog*innen bieten Einzel – und Gruppensitzungen. Seit Ende April haben sie mehr als 200 Beratungsgespräche geführt. Die Menschen sind schwer traumatisiert und viele haben die Hoffnung aufgegeben, in ihr altes Leben zurückkehren zu können. Angstzustände, Panikattacken und Schlafstörungen sind häufige Symptome bei den Menschen.
Mit der psychologischen Unterstützung, die unsere Teams anbieten, wollen wir den Menschen helfen, ein Gefühl von Kontrolle zurückzuerhalten.
- Lina Villa, unsere psychosoziale Beraterin
Hilfe für Vertriebene und Geflüchtete
Zu Fuß, in Autos und Bussen fliehen Menschen vor den Kämpfen in der Ukraine. Es sind vor allem Frauen, Kinder und Ältere, die ihr zu Hause verlassen. Viele sind erschöpft und traumatisiert. Die Stadt Saporischschja ist für viele Geflüchtete aus dem Südosten der Ukraine die erste Station. Unsere Teams helfen im zentralen Aufnahmezentrum und unterstützen die Menschen psychologisch und behandeln chronische Krankheiten. Wir bieten ihnen einen sicheren Ort für ihre Emotionen und geben ihnen Orientierung in der neuen Situation.
Wir helfen den Fliehenden – teilweise auch auf beiden Seiten der Grenzen. Unsere Unterstützung passen wir kontinuierlich an die Bedarfe in Nachbarländern wie der Slowakei, Russland und Belarus an.

Geflüchtete aus der Ukraine
Zu Fuß, in Autos und Bussen überqueren die Menschen die Grenze und fliehen vor den Kämpfen in der Ukraine. Wir leisten auch in Nachbarländern Hilfe.
Mitarbeiten bei Ärzte ohne Grenzen
Wir freuen uns über die große Bereitschaft, sich für die Menschen in der Ukraine zu engagieren! Unser Bewerbungsverfahren läuft allerdings generell so ab, dass sich Interessent*innen nicht für bestimmte Länder bewerben können. Nach einem erfolgreichen Verfahren entscheiden wir auf Grundlage der aktuellen Dringlichkeit, in welchem unserer weltweiten Projekte ggf. neue Mitarbeiter*innen eingesetzt werden.
Zuletzt aktualisiert: 27. Juni 2022
Unsere Aktivitäten in der Ukraine bis zum Ausbruch des Kriegs im Februar 2022
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung war für Menschen, die entlang der Kontaktlinie des seit 2014 andauernden Konflikts in der Ostukraine leben, eingeschränkt. In der Region Donezk arbeiteten wir mit lokalen Freiwilligen, Organisationen, Gesundheitsfachkräften und Behörden zusammen, um den Menschen zu helfen, Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen, Zugang zu verschriebenen Medikamenten zu erhalten und das Bewusstsein für bestimmte gesundheitliche Probleme zu schärfen. Unsere Teams haben auch Hausärzt*innen und Gemeindepfleger*innen geschult und unterstützt, damit sie ihren Patient*innen grundlegende psychologische Gesundheitsdienste anbieten können. In der Region Luhansk haben wir ein HIV-Projekt betrieben.
Andernorts in der Ukraine haben wir daran gearbeitet zu zeigen, dass es möglich ist, Patient*innen mit resistenter Tuberkulose durch eine Kombination aus einer Kurzzeitbehandlung mit neueren Medikamenten, psychologischer Beratung und sozialer Unterstützung erfolgreich zu behandeln.
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77.8Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 83.7 Jahre -
68Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 78.9 Jahre -
167Mitarbeiter*innen waren für uns im Einsatz.
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6.9Millionen Euro haben wir für unsere Hilfe vor Ort aufgewendet.
Quellen: UNDESA (2019a), MSF International Activity Report 2020
Medizinisches Angebot in konfliktreicher Region
Wir unterstützten die Behörden in der Ukraine dabei, die Gesundheitsversorgung in der entlegenen und konfliktreichen Region Donezk zu verbessern. Wir arbeiteten in medizinischen Einrichtungen und boten technische und praktische Hilfe für das Personal an.
HIV- und Tuberkulose-Versorgung
In der Region Luhansk verbesserten wir die Diagnose und Behandlung von HIV-Patient*innen im fortgeschrittenen Stadium. In Mykolajiw versorgten wir HIV-Patient*innen, die gleichzeitig an Hepatitis C erkrankt waren und übergaben dieses Projekt im Mai an die Behörden. In Zhytomyr betreuten wir ein Tuberkulose-Projekt, in dem Patient*innen mit resistenten Tuberkuloseformen behandelt werden. In Kyjiw, Donezk und Zhytomyr unterstützten wir zudem die Behörden bei der Covid-19-Bekämpfung.
29.07.2021