Das Leben der Menschen im nordafrikanischen Land Libyen ist seit 2011 von politischer Instabilität und dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung geprägt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Libyen mehr als 700.000 Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die meisten davon sind Menschen auf der Flucht oder Migrant*innen, die in Libyen unter prekären Bedingungen ausharren und extremer Gewalt und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.
In einem Schreiben des libyschen Außenministeriums wurden wir dazu aufgefordert, das Land bis zum 9. November 2025 zu verlassen. Ein Grund für die Ausweisung wurde uns nicht genannt. Wir sind besorgt über die Folgen dieser Entscheidung für die Gesundheit der Menschen, denen wir helfen. Schon seit Ärzte ohne Grenzen im März 2025 angewiesen wurde, seine Aktivitäten in Libyen einzustellen, haben wir mehrfach unsere Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, wieder medizinische Hilfe dort zu leisten. Wir glauben weiterhin, dass Ärzte ohne Grenzen eine wichtige Rolle in Libyen spielen kann. Wir hoffen daher, eine positive Lösung für diese Situation finden zu können.
Unsere Hilfe 2024
- Wir boten medizinische und psychosoziale Hilfe, insbesondere für Menschen auf der Flucht, Migrant*innen und Asylsuchende und andere gefährdete Gruppen, an. Außerdem unterstützten wir besonders schutzbedürftige Personen, vor allem unbegleitete Minderjährige. Wir verwiesen sie für spezifische Bedürfnissen auch an andere Organisationen.
- Seit 2024 hatten wir wieder Zugang zu einem Internierungslager bei Tripoli. Einmal die Woche boten wir dort eine medizinische Grundversorgung an und unterstützten Schutzbedürftige.
- Auch unsere Unterstützung an einer Ausschiffungsstelle konnten wir wieder aufnehmen. Dort leisteten wir medizinische Nothilfe für Menschen, die auf ihrem Weg nach Europa von der libyschen Küstenwache aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht worden waren.
- In Misrata unterstützten wir die Versorgung von Tuberkulose-Erkrankten. Eines unserer Teams arbeitete in der einzigen Abteilung des Landes, in der auch resistente Tuberkulose behandelt wird.
Libyen als Transit- und Zielland
Viele Menschen kommen nach Libyen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung oder auf der Suche nach Arbeit, um ihre Familien zuhause zu unterstützen. Das Land ist seit Jahrzehnten ein Zielland für Arbeitsmigration. Eine Minderheit versucht von dort, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Libyen ist ein regionaler Knotenpunkt für Flucht- und Migrationsbewegungen.
Internierungslager: Folter und Menschenhandel
Migrant*innen, die irregulär nach Libyen einreisen, gelten als Straftäter*innen und können jederzeit inhaftiert werden. Die Kriminalisierung von Migration erzeugt Risiken für Betroffene und führt zu Menschenrechtsverstößen und prekären Arbeitsbedingungen auf dem informellen Arbeitsmarkt. Entführungen durch bewaffnete Gruppen sind in Libyen im Kontext von Menschenhandel verbreitet. Folter, Zwangsarbeit und Erpressung sind an der Tagesordnung. Für ihre Freilassung müssen die Inhaftierten bzw. ihre Familien bezahlen, sonst werden sie als Arbeitssklaven verkauft.
Als ich in Tripolis ankam, fuhren mich einige Libyer zusammen mit elf anderen zu einem Haus. Sie zwangen mich, meiner Familie zu sagen, sie solle Geld an einen Mittelsmann zahlen. Ich dachte, dass sie mir nun einen Job geben würden – aber sie hatten keinen Job für mich. Später wurde ich von der Polizei angehalten und zusammengeschlagen – sie stahlen mein Geld und mein Telefon.
35-jähriger Mann aus Bangladesch, Bericht aus unserer Ausstellung Humans in Transit
 
  Unsere Kunstausstellung Humans in Transit
Illustrierte fiktive Portraits begleiten anonymisierte Erfahrungsberichte von 400 Menschen, die durch Libyen geflohen sind.
Pullbacks auf dem Mittelmeer: Rückkehr in die Hölle
Einige der nach Libyen eingereisten Migrant*innen versuchen von dort aus, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Unsere Teams auf dem Rettungsschiff Geo Barents, dessen Betrieb wir Ende 2024 aufgrund systematischer Behinderungen durch die italienischen Behörden einstellen mussten, wurden regelmäßig Zeugen von illegalen Pullbacks: Die libysche Küstenwache greift Geflüchtete gegen ihren Willen in internationalen Gewässern auf und bringt sie völkerrechtswidrig nach Libyen zurück. Dabei kommt es häufig zu riskanten Manövern, die die Menschen auf hoher See in Gefahr bringen. Gewaltsam zurück nach Libyen verschleppt, sind die Menschen erneut Inhaftierung, Menschenhandel und Folter ausgesetzt.
Die libysche Küstenwache wird massiv durch die EU und Italien unterstützt. Wir fordern ein Ende der europäischen Unterstützung illegaler Pullbacks nach Libyen und setzen uns für die Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege nach Europa ein.
 
  Flucht aus der Hölle
In unserer Kurzdokumentation auf YouTube, erzählen Menschen von ihren unvorstellbaren Erlebnissen auf ihrer Flucht nach Libyen.
So können Sie helfen
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  EU-Migrationsbericht
Unser umfassender Report (in Englisch) macht auf die verheerenden gesundheitlichen Folgen der EU-Migrationspolitik aufmerksam.
Zuletzt aktualisiert am 29. Oktober 2025.
 
   
   
   
   
   
   
  