Unsere Hilfe im Jemen
Die aktuelle Situation im Jemen
Nach acht Jahren Krieg hat sich die Situation im Jemen zu einer der größten humanitären Krisen weltweit entwickelt. Die Wirtschaftskrise in dem Land führt zu verheerenden Engpässen bei der medizinischen Versorgung und der Verteilung von Lebensmitteln. Laut des Welternährungsprogramms sind circa 2,2 Millionen Kinder von akuter Mangelernährung betroffen. Wir fordern die internationale Gebergemeinschaft auf, die Nothilfemaßnahmen im Jemen finanziell stärker zu unterstützen.
Ungeklärte Machtverhältnisse zwischen unterschiedlichen Konfliktparteien erschweren unsere Arbeit. Im nördlichen Huthi-Gebiet, beispielsweise, dürfen Frauen nur in Begleitung eines männlichen Verwandten verreisen. Außerdem ist häufig das Passieren mehrerer Checkpoints nötig, um südliche Teile des Landes zu erreichen.
Wie wir im Jemen helfen
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Wir betreiben zehn eigene Krankenhäuser im Land und unterstützen 20 weitere in 14 Gouvernements.
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In mehr als acht mobilen Kliniken und einem primären Gesundheitszentrum in Marib und Umgebung stellen wir die medizinische Grundversorgung für Vertriebene und marginalisierte Bevölkerungsgruppen sicher.
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In der Stadt Abs unterstützen wir das örtliche Krankenhaus insbesondere in der Notaufnahme, Geburtshilfe und bei der Behandlung von Mangelernährung. Es handelt sich dabei um einen unserer größten Einsätze weltweit.
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In al-Huban, einem Vorort von Tais, unterstützen wir das große Mutter-Kind-Krankenhaus Al Jamhouri und leisten Geburtshilfe.
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Zudem kümmern wir uns im Jemen um die Eindämmung von Krankheiten wie Cholera und Masern.
Warum wir im Jemen helfen
Die Republik Jemen liegt im Süden der Arabischen Halbinsel und ist Heimat von knapp 30 Millionen Menschen. Seit 2015 herrscht dort Krieg und mehr als 20 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Infrastruktur zerstört, viele Menschen haben ihre Arbeit verloren. Die Lebensmittelpreise sind so stark gestiegen, teilweise um das 500-fache, so dass die Bevölkerung Hunger leidet. Mehr als die Hälfte der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sind ganz oder teilweise funktionsunfähig. Einige der Einrichtungen, die noch geöffnet sind, stehen kurz vor der Schließung, da es an Medikamenten, Personal und Geld fehlt.
Aus Angst vor Angriffen, oder weil sie die Kosten des Transports nicht tragen können, treten viele Patient*innen den Weg zu einem Krankenhaus gar nicht erst an. So bringen Schwangere ihre Kinder zu oft ohne medizinische Begleitung auf die Welt, was ein hohes Risiko für das Leben von Mutter und Kind bedeutet.
Hinzu kommt das erhöhte Infektionsrisiko aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen in Geflüchtetencamps im Jemen. Immer wieder gibt es Ausbrüche von Cholera, Masern und anderen Krankheiten.
Ärzte ohne Grenzen leistete im Jahr 1986 zum ersten Mal medizinische Hilfe im Jemen.
Geburtshilfe für Frauen
Unser medizinisches Personal und unsere Hebammen begleiteten im Gouvernement al-Hudaida, Hadscha, Ibb und Tais Schwangere bei der Geburt ihrer Kinder. Angesichts des großen Bedarfs an Hilfe, betreiben wir in al-Kanawes seit Dezember 2020 eine Geburtsklinik. Dort können Schwangere sicher entbinden, Kaiserschnitte vorgenommen und Mütter und ihre Neugeborenen stationär behandelt und psychologisch betreut werden.
Auch in der Entbindungsstation des al-Jamhouri-Krankenhauses in Tais sind wir tätig. Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium gewährleisten wir die Versorgung von Müttern und Neugeborenen. Unsere Teams bringen monatlich etwa 350 Kinder auf die Welt. Mehr als 1.500 Frauen nutzten pro Monat die vor- oder nachgeburtlichen Dienste im Krankenhaus. Unsere Teams kümmern sich vor allem um Risikoschwangerschaften und bieten pädiatrische und neonatale Versorgung an. Das umfasst auch die Behandlung mangelernährter Kinder mit therapeutischer Fertignahrung.
Natürlich kann man zu einer schwangeren Frau nicht sagen: „Oh, die Station ist voll. Wir können Sie nicht aufnehmen. Sie müssen leider woanders hingehen."
Tamara Molina Montalvo, 2021 im Einsatz als Hebamme in Abs
In Konflikten sind Kinder und Frauen besonders verwundbar. Familienplanung oder sichere Entbindungen sind fast nirgendwo mehr möglich, weil der Weg zu den wenigen Gesundheitseinrichtungen zu weit, teuer und gefährlich ist. Junge Mädchen und Frauen erleben außerdem häufiger sexualisierte Gewalt.
Psychologische Hilfe: Krieg und Armut machen krank
Wir beobachten die wachsende Zahl an Menschen, die dringend nicht nur medizinische, sondern auch psychologische Unterstützung benötigen. Durch den andauernden Krieg und die prekäre wirtschaftliche Lage, die Hunger und Armut verursacht, haben viele Menschen Traumata und psychische Krankheiten entwickelt. Um dem Bedarf gerecht zu werden, eröffneten wir im Mai 2021 eine Spezialklinik für psychische Gesundheit in einem Krankenhaus in Hadscha. Dort klären wir die Menschen über psychische Krankheiten auf und bieten Beratung, Psychotherapie sowie psychiatrische Betreuung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen an.
In der Wüste rund um Marib harren Tausende Familien in informellen Camps aus. Sie sind vor Gewalt geflohen und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Unsere Teams bieten in ihren mobilen Kliniken psychologische Unterstützung an – denn posttraumatische Belastungsstörungen sind unter den Menschen weit verbreitet. Die psychischen Probleme, wie Angstzustände, Depressionen oder Selbstmordgedanken, wurden häufig durch die Vertreibung ausgelöst. Viele der Patient*innen haben den Krieg direkt erlebt, geliebte Menschen verloren oder sind von sexualisierter und körperlicher Gewalt betroffen gewesen.
In Marib bieten wir an acht Standorten psychologische Betreuung und Beratung an. Gleichzeitig versuchen wir das Bewusstsein für die Auslöser von psychischen Krankheiten und ihre Behandlungsmöglichkeiten zu schärfen.
Hilfe für mangelernährte Kinder
Die Zahl der an Mangelernährung leidenden Kinder ist im zweiten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent gestiegen. Die meisten von ihnen sind unter fünf Jahre alt. In der Stadt Abs, im Gouvernement Hadscha, behandelten unsere Teams eine alarmierende Anzahl mangelernährter Kinder
Ein Großteil der Mangelernährung, die wir im Jemen beobachten, wird durch den fehlenden Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung für Kinder verursacht: Wenn Kinder krank werden und nicht die nötige Behandlung erhalten, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass sie sich nicht entsprechend ernähren. Durch die Inflation wird es für die Jemenit*innen immer schwieriger, ihre Kinder zu ernähren und die Kosten für den Transport ins Krankenhaus aufzubringen. Das trägt sowohl zur Mangelernährung als auch zur verspäteten Behandlung von Krankheiten bei.
Krankheiten wie Durchfall- oder Atemwegserkrankungen, die in Deutschland gut behandelbar wären, können für mangelernährte Kinder lebensgefährlich werden.
Zuletzt inhaltlich überarbeitet am: 17.04.2023