Unsere Hilfe in Syrien
Die aktuelle Situation in Syrien
Mehr als 14 Millionen der 21,3 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Steigende Preise für Grundgüter, Nahrungs- und Wasserknappheit, Gewalt und Vertreibung machen den Menschen zu schaffen. Schon vor dem Sturz der ehemaligen syrischen Regierung, haben unsere Teams im Nordosten und Nordwesten des Landes eine prekäre humanitäre Lage erlebt. Die schweren Erdbeben im Februar 2023 hatten die Situation zusätzlich verschlechtert. Das einst funktionierende Gesundheitssystem ist durch den jahrelangen Konflikt zerstört. Viele Gesundheitseinrichtungen wurden bombardiert und sind nicht mehr funktionsfähig. Es besteht ein Versorgungsengpass, da viele medizinische Mitarbeiter*innen getötet wurden oder geflohen sind. Fast ein Drittel der Gesundheitseinrichtungen in den Regionen Idlib und Nord-Aleppo sind entweder geschlossen oder haben ihren Betrieb aufgrund von Unterfinanzierung teilweise eingestellt.
Unsere Teams leisten medizinische und humanitäre Hilfe in der Region Idlib. Wir können jedoch nur einen begrenzten Teil des Bedarfs decken. Im Nordosten des Landes unterstützen wir mit dringend benötigter Hilfe für Zehntausende Geflüchtete. Nach Angaben der lokalen Behörden wurden allein in der den Gegenden um Tabka, Rakka und Hassakeh mehr als 80.000 Menschen vertrieben.
Die Situation der vertriebenen Menschen ist unbeschreiblichkaum vorstellbar. Die Menschen brauchen dringend Zugang zu lebenswichtigen Diensten und Gütern, einschließlich der medizinischen Versorgung, sauberem Wasser und Unterkünften, da die Temperaturen erheblich sinken. In der derzeitigen Situation besteht außerdem die Gefahr weiterer Vertreibungen.” -Allen Murphy, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Nordostsyrien
Ansonsten sind wir aktuell nicht in Gebieten im Einsatz, die unter der Kontrolle der ehemaligen syrischen Regierung standen. Wir evaluieren derzeit neue Bedarfe und prüfen, wie medizinische und humanitäre Hilfe unter den aktuellen Bedingungen an weiteren Orten stattfinden kann.
Seit 2009 sind wir in Syrien im Einsatz.
So helfen wir
- Wir unterstützen Krankenhäuser und Gesundheitszentren.
- Wir bieten psychosoziale Beratungen an.
- Wir betreuen Schwangere rund um die Geburt.
- Unsere mobilen Teams versorgen Vertriebene medizinisch.
- Wir kümmern uns um die Wasser- und Sanitärversorgung in Camps für Vertriebene.
- Wir reagieren auf Ausbrüche von Cholera, Masern und weiteren Infektionskrankheiten.
- Wir unterstützen Einrichtungen für die medizinische Grundversorgung, darunter auch Mangelernährungsprogramme und Angebote zur psychischen Gesundheit.
- Wir verteilen Zelte und Hilfsgüter wie Matratzen, Windeln und Säuglingsnahrung.
Unsere Hilfe in Zahlen
Die Zahlen beziehen sich auf unsere Aktivitäten in Syrien im Jahr 2023.
Ambulant versorgen
Wir haben 1.191.600 ambulante Konsultationen gemacht.
Stationäre Behandlungen
Wir konnten 29.600 Patient*innen in Krankenhäusern behandeln.
Psychosoziale Unterstützung
Mehr als 32.600 Menschen haben wir mit Einzelgesprächen begleitet.
Impfungen
Wir konnten über 40.200 Menschen impfen.
Geburten begleiten
Wir haben 13.600 Frauen bei der der Entbindung ihrer Kinder begleitet, davon fast 3000 mit einem Kaiserschnitt.
Operationen
Bei 8.370 Menschen haben wir einen chirurgischen Eingriff vorgenommen.
Hilfsgüter
65.500 Familien haben von uns Hilfsgüter wie Zelte, Decken und Hygienekits erhalten.
Wir fordern
Wir rufen zum Schutz der Zivilbevölkerung auf und fordern von allen Konfliktparteien, alles zu tun, um weiteres Leid der syrischen Bevölkerung und Vertreibungen zu verhindern. Darüber hinaus fordern wir den sicheren Zugang humanitärer Akteur*innen zur betroffenen Bevölkerung, um lebensrettende Hilfe wirksam bereitstellen zu können.
Eine angemessene Finanzierung ist unerlässlich, um die medizinische Versorgung im Nordwesten Syriens zu verbessern. Im Jahr 2024 werden insgesamt 4,07 Milliarden US-Dollar benötigt, um den humanitären Bedarf in Syrien zu decken. Mit Stand Mai 2024 wurden jedoch nur sechs Prozent über den Humanitarian Response Plan finanziert.
Medizinische Hilfe im Nordosten
Die bestehende medizinische Versorgung in einigen Gebieten, in denen die Vertriebenen aktuell untergebracht sind, ist durch den Zustrom von Menschen überlastet. In Tabka werden Schulen und ein Stadion als Notunterkunft für Vertriebene genutzt. Die Lage an diesen Orten ist katastrophal. Die Temperaturen fallen unter den Gefrierpunkt und die Menschen haben keine Decken. Es gibt nicht genug Latrinen, Trinkwasser und Lebensmittel.
Unsere Teams haben beispielsweise mehr als 10.000 Flaschen Wasser, 200 große Zelte, Säuglingsnahrung und Windeln sowie Decken und Matratzen in Tabka verteilt. Zusätzlich haben unsere Teams sich um den Zugang der Geflüchteten zu sauberem Wasser gekümmert – etwa durch Wassertransporte zu den Sammelunterkünften. Auch wurden Notunterkünfte bereitgestellt und mobile Teams haben dringend benötigte medizinische Versorgung geleistet.
Hilfe im Al-Hol-Camp
Mehr als 50.000 Menschen leben im Al-Hol-Camp, dem größten geschlossenen Vertriebenencamp im Nordosten Syriens. Mehr als 90 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder.
Meine Tochter kämpft seit 2023 mit Nierenversagen. Trotz monatlicher Überweisungen in das Hassakeh-Krankenhaus konnte ich sie aufgrund von Sicherheitsbeschränkungen nicht begleiten. Kürzlich erhielt ich die niederschmetternde Nachricht, dass sie nicht mehr in die Klinik überwiesen werden kann und ihr in nur fünf Tagen die Medikamente ausgehen werden. Ihr Leiden mitzuerleben ist quälender als der Horror, den wir im Camp al-Hol ertragen müssen. Das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn ein geliebter Mensch Schmerzen hat, ist wirklich überwältigend.”
-Nabeela*,Bewohnerin im al-Hol-Camp
Wir betreiben dort eine Wasseraufbereitungsanlage, um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser zu gewährleisten.
Aufklärung zur Verhinderung von Brandverletzungen
Unsere Klinik zur Versorgung von Verbrennungen in Atmeh (Provinz Idlib) wurde nach den Erdbeben im Februar 2023 aufgrund fehlender Mittel geschlossen. Häusliche Unfälle sind die Hauptursache für Verbrennungen und die meisten dieser Unfälle passieren Kindern, entweder durch verschüttetes kochendes Wasser oder durch Explosionen von Heizsystemen. Deshalb klären wir in den Vertriebenencamps über Brandschutz auf. Aufklärung verhindert einige Unfälle, verbessert jedoch nicht die gefährlichen Lebensbedingungen.
Wir hatten Patient*innen mit Verbrennungen bis zu 55 Prozent, fast alle waren kleine Kinder. Verbrennungen sind für Kinder gefährlicher als für Erwachsene. Das Leben eines Kindes ist bei einer Verbrennung ab 40 Prozent gefährdet.“ - Abdel Malik Araour, Pflegeaktivitätsmanager
Patient*innen mit Verbrennungen haben ein hohes Infektionsrisiko. Sie sind anfällig für hohes Fieber, schwere Atemprobleme und Anzeichen von Sepsis. Wenn dies geschieht, benötigen sie sehr intensive Betreuung und spezielle Pflege. Die Finanzierung für den Nordwesten Syriens nahm nach einem vorübergehenden Anstieg im Zusammenhang mit dem Erdbeben ab. Solange dieser Trend anhält, besteht wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Brennstoffqualität und der Lebensbedingungen.
Letztes Update: 11. Dezember 2024