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Zugang zu Medikamenten

Jedes Jahr sterben weltweit mehr als 100.000 Menschen an den Folgen von Schlangenbissen. In der Demokratischen Republik Kongo können nicht alle Patient*innen auf die Schlafkrankheit untersucht werden, weil die Kühlkette für das vorhandene diagnostische Verfahren nicht gewährleistet werden kann. In Tadschikistan stellen unsere Kolleg*innen selbst Tuberkulose-Medikamente für Kinder her, weil keine geeigneten Dosierungen für die kleinen Patient*innen entwickelt werden. - Und dies sind nur einige Beispiele. Tatsache ist: Insbesondere in von Armut betroffenen Ländern leiden und sterben Menschen an Krankheiten, die eigentlich gut behandelbar oder sogar komplett vermeidbar wären.

Gesundheit darf kein Luxus sein 

Die Gründe für diesen ungleichen Zugang zu Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten sind simpel und komplex zugleich: Viele Menschen können sich die Medikamente und Medizinprodukte wie Diagnostika und Impfstoffe schlicht nicht leisten, weshalb nicht jede Patient*in die notwendige Behandlung erhält, auch wenn diese verfügbar ist.  

Für viele Krankheiten aber gibt es bislang gar keine wirksamen Arzneimittel, denn nicht jede Krankheit wird in der Forschung mit der gleichen Aufmerksamkeit bedacht, auch wenn sie Millionen Menschen betrifft. 

Der Fehler liegt im System  

Im Zentrum des Globalen Gesundheitssystems stehen aktuell nicht die Gesundheitsbedürfnisse von Menschen weltweit. Vielmehr funktioniert das System nach wirtschaftlichen Dynamiken und verfolgt das Ziel Profite zu erzielen. Besonders deutlich wird das im globalen Forschungs- und Patentsystem.  

Durch Marktmonopole der Pharmaunternehmen, die u.a. aus dem globalen Patentsystem resultieren, werden Medikamente extrem verteuert. Die gravierende Konsequenz des profitorientierten Systems ist, dass in die Erforschung vieler Krankheiten erst gar nicht investiert wird. Warum sollten Pharmaunternehmen in die Forschung für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten investieren, wenn die Menschen, die vor allem von diesen Krankheiten betroffen sind, nur wenig finanzielle Mittel haben? Für viele Krankheiten, wie Kala Azar, Buruli Ulcer oder die Vergiftung durch Schlangenbisse, gibt es deshalb kaum gute Behandlungsmöglichkeiten. 

Ein Ansatz, der diesem Mechanismus etwas entgegensetzt, ist die Finanzierung von Forschung aus öffentlichen Mitteln. Allerdings ist zu beobachten, dass die Ergebnisse dieser Forschung allzu oft doch wieder Pharmaunternehmen zugutekommen und nicht der Menschheit als Ganzes. Warum? Weil die finalen Ergebnisse und das erforschte Wissen durch geistige Eigentumsrechte privatisiert werden, und Unternehmen alleine entscheiden können, an wen und zu welchen Preisen sie die Produkte verkaufen wollen.   

Die Politik ist gefragt! 

Damit sich das System an den Gesundheitsbedürfnissen von Menschen weltweit orientiert, müssen Forschungsanreize jenseits von Profit geschaffen werden. Ein erster Schritt wäre es, Bedingungen an die Vergabe von öffentlichen Forschungsgeldern zu knüpften.  

Eine weitere Möglichkeit wäre, Produktentwicklungspartnerschaften wie etwa das DNDi, die vor allem non-profit Forschung betreiben, zu fördern und Forschungsprämien in diesem Bereich zu vergeben und damit Forschungs- und Produktionskosten voneinander zu entkoppeln. 

Schützt Menschen, nicht Profite!

Die Pandemie kann nur global wirksam eingedämmt und letztlich beendet werden. Dafür ist ein weltweites solidarisches Handeln und Kooperation notwendig. Welche Schritte möglich und notwendig sind, erfahren Sie auf dieser Seite.

Wie dramatisch sich dieser Fehler im System auswirken kann, sehen wir in unserer täglichen Arbeit – besonders deutlich wurde es aber in verschiedenen Krisen: während der HIV/Aids-Epidemie in den 2000er Jahren, während der Ebola-Epidemie in Westafrika zwischen 2014 und 2016 und aktuell in der Covid-19-Pandemie.  

Tausende starben, obwohl zum großen Teil mit öffentlichen Geldern entwickelte Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten existierten, die viele Leben hätten retten können.  

Fragen und Antworten

Wie verhindern Patente den Zugang zu Medikamenten?

Patente erlauben die Bildung von Monopolen: Durch geistige Eigentums- sowie Patentrechte und kontrollieren einige wenige Hersteller die weltweiten Produktionsmengen sowie den daran geknüpften Verkaufspreis von Covid-19-Arzneimitteln.  

Patente verhindern zusätzlich auch, dass sogenannte Generika produziert werden können: Arzneimittel, die bei gleicher Zusammensetzung und Wirkung nicht den Markennamen tragen, deshalb um Einiges günstiger im Preis sind.  

Niedrigere Preise sind der Hauptgrund damit Medikamente auch für Menschen mit geringerem Einkommen bezahlbar sind. 

Wie verhindern Monopole den Zugang zu Medikamenten?

Das lässt sich an den Ereignissen um die HIV-Epidemie vor 20 Jahren beispielhaft erklären: Der Preis für die Medikamente zur HIV-Behandlung betrug damals über 10.000 US Dollar für eine Person pro Jahr. Für viele Menschen war das schlicht zu teuer und das kostete Menschenleben, obwohl es die Medikamente gab.

Bis sich Patientenaktivist*innen, die Zivilgesellschaft und Gesundheitsrechtsgruppen in Südafrika und anderen Ländern dafür einsetzten, HIV-Medikamente für alle Menschen zugänglich zu machen, die sie zum Überleben brauchten. Und es funktionierte: Die Überwindung von Patentmonopolen auf HIV-Medikamente machte die Produktion von Generika möglich. In der Folge fielen die Preise für HIV-Medikamente im Laufe des nächsten Jahrzehnts um 99%. Somit wurden die HIV-Medikamente für Patient*innen weltweit erschwinglich.  

Die heutige Situation mit Covid-19 ist ähnlich: Auch jetzt verhindern Patente und eine dadurch entstehende künstliche Verknappung des Angebots, dass Covid-1- Arzneimittel und -Schutzausrüstung sowie medizinische Hilfsmittel nach Bedarf produziert, verteilt und angewendet werden können. Weiterhin wird der Preis mit Hilfe der Patente von einzelnen Herstellern kontrolliert und profitmaximierend hochgehalten. 

Sind Patente nicht die Grundlage für Innovationen?

Patente waren und werden auch in Zukunft nicht der einzige Anreiz für Innovationen sein, in vielen Punkten ist der Fokus auf Wirtschaftlichkeit sogar hinderlich.  

Ein Beispiel: Vor dem Auftreten von Covid-19 war Tuberkulose die tödlichste Infektionskrankheit der Welt. In die Erforschung und Weiterentwicklung von Behandlungsmöglichkeiten der Krankheit wurde und wird aber zu wenig investiert, weil „der Markt nicht lukrativ genug ist“. Lediglich zwei neue Medikamente zur Behandlung von resistenten Formen von Tuberkulose wurden in den letzten Jahrzehnten auf den Markt gebracht. Sie sind für viele Patient*innen viel zu teuer und in einigen Ländern, in denen sie dringend gebraucht werden, nicht von den Herstellern zugelassen worden.

Was sind Generika und warum sind sie so wichtig?

Generika sind Arzneimittel, die bei gleicher Zusammensetzung und Wirkung nicht den Markennamen tragen und deshalb um Einiges günstiger im Preis sind. Damit sind sie auch für Menschen mit geringerem Einkommen zugänglich und bezahlbar. 

Wir setzen uns ein, damit sich das ändert 

Im Jahr 1999, nach Erhalt des Friedensnobelpreises, haben wir einen weiteren Arbeitsschwerpunkt eröffnet und es uns zum Ziel gesetzt, die Verfügbarkeit und den Zugang zu Medikamenten und Gesundheitsprodukten für Menschen weltweit zu verbessern.  

Seit dem üben wir Druck auf die Verantwortlichen in Politik, Industrie und Forschung aus. Wir setzen uns dafür ein, dass lebensrettende Arzneimittel für alle Menschen bezahlbar und zugänglich gemacht werden. Das betrifft die akute Covid-19-Pandemie ebenso, wie Krankheiten, gegen die bereits wirksame Therapien vorliegen, beispielsweise Tuberkulose und HIV und Aids und deren Behandlungen nicht nach Bedarf zur Verfügung stehen. Außerdem engagieren wir uns dafür, dass die Erforschung neuer Medikamente und Therapieangebote für vernachlässigte Krankheiten wie Kala-Azar und Chagas gefördert wird.  

Lebensbedrohlich vernachlässigt

Jährlich sterben Zehntausende Menschen an sogenannten vernachlässigten Krankheiten. Es fehlt an Diagnosemöglichkeiten, Präventionsmitteln und Medikamenten.

Lösungen für komplexe Probleme brauchen Zeit 

Für die Arbeit in diesem Bereich braucht es Ausdauer und Eloquenz. Wir sprechen mit politischen Entscheidungsträger*innen, erklären, berichten aus unseren Projekten und beraten, wenn gewünscht. Und wir informieren und machen Lärm: Wir kommunizieren zu diesem Thema, zeigen immer wieder auf wie gravierend die Auswirkungen sind und gehen, wenn nötig auf die Straße, um zu demonstrieren. 

Der Einsatz lohnt sich! 

Und so dick die Bretter sind, die wir da bohren, ein paar Löcher sind schon entstanden: Im Juli 2020 hat der Pharmakonzern Johnson & Johnson den Preis für Bedaquillin, ein wichtiges Tuberkulose-Medikament, von 2 US-Dollar auf 1,50 US-Dollar pro Tag und Patient*in gesenkt. Unsere weltweit organisierten Proteste vor den Büros des Konzerns zusammen mit Menschen, die die Krankheit überlebt haben, waren erfolgreich! Ähnliche Resultate konnten wir zum Beispiel mit unserer Arbeit für die Pneumokokken-Impfstoffe von GlaxoSmithKline und Pfizer erzielen.  

Gemeinsam mehr erreichen 

Außerdem haben wir gemeinsam mit anderen humanitären Organisationen begonnen alternative Forschungsmodelle zu entwickeln und zum Beispiel die Drugs for Neglected Diseases initative (DNDi) ins Leben gerufen. Die non-profit Forschungsorganisation forscht spendenbasiert zu vernachlässigten Krankheiten und entwickelt Behandlungen. So gibt es mittlerweile das erste Medikament zur Behandlung der Schlafkrankheit, das oral eingenommen werden kann, oder den Impfstoff MenAfriVac gegen Meningitis, der zehn statt drei Jahre schützt und nicht gekühlt werden muss.