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Tuberkulose - (k)ein Ende in Sicht?

Tuberkulose gibt es seit Jahrhunderten. Die existierenden Behandlungen sind weltweit ungleich verfügbar. Das muss sich ändern!

Tuberkulose (TB) ist heilbar - trotzdem sterben jedes Jahr mehr als 1,3 Millionen Menschen an der Infektionskrankheit. Nur etwa zwei von fünf Menschen mit resistenter Tuberkulose (DR-TB) werden diagnostiziert und behandelt.   

Portrait von Jasmin Behrends
Jasmin Behrends, Expertin für den gerechten Zugang zu Medikamenten

“Alle Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind, sollten Zugang zu innovativen Medizinprodukten und der Gesundheitsversorgung haben, die sie für eine schnelle Diagnose und Behandlung benötigen.” 

Kernpunkte zu Tuberkulose

  • Die Krankheit wird durch Bakterien verursacht und befällt vor allem die Lunge. 
  • Die Behandlung erfolgt mit Antibiotika und es braucht eine Kombination aus verschiedenen Medikamenten. Bei resistenten Formen von Tuberkulose wird die benötige Kombinationsbehandlung entsprechend komplexer. 
  • Fast 50 Jahre lang gab es keinerlei medizinischen Fortschritt. Die bis dato gängige Behandlung hatte schwere Nebenwirkungen: von Hautveränderungen über ständige Übelkeit und Gewichtsverlust bis hin zur Taubheit. 
  • Seit 2013 existieren neue, besser verträgliche Medikamente: Bedaquilin, Delamanid und Pretonamid.  
  • Aufgrund der hohen Preise haben viele Menschen in Ländern kaum Zugang zu den neuen Medikamenten. 
  • Der einzige verfügbare Impfstoff ist mehr als ein Jahrhundert alt. Es braucht einen neuen Impfstoff, der wirksamer und sicherer ist.  
  • Um weltweit die Versorgung von Menschen mit Tuberkulose zu sichern, braucht es mehr Finanzierung.
  • DR-TB Resistente Tuberkulose zeigt eine Resistenz gegen mindestens eines der gängigen Erstlinientherapie-Medikamente. Zu diesen gehören: Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid.
  • MDR-TB Multiresistente Formen der Tuberkulose zeigen Resistenzen gegen mindestens Isoniazid und Rifampicin, die zwei wichtigsten Antibiotika in der Behandlung von Tuberkulose.
  • XDR-TB Bei extrem resistenter Tuberkulose handelt es sich um multiresistente Tuberkulose mit zusätzlichen Resistenzen gegen Breitbandantibiotika (alle Fluorchinolone) und Zweitlinientherapie-Medikamente.
Mahina, Patientin mit MDR-TB in Tajikistan 

“Ich habe aufgrund der Krankheit viele Freunde verloren. Sie verstanden nicht, wie sich die Krankheit verbreite und haben aufgehört mich zu besuchen. Und dann wollte ich sie nicht mehr sehen.... 
Jetzt wird es besser: Ich nehme Tabletten, 10-12 am Morgen und dann nochmal drei am Abend.
Ich wünsche mir, dass man Kranke nicht anders behandelt als Gesunde. Man sollte keine Angst vor ihnen haben - kranke Menschen brauchen schöne Dinge in ihrem Leben, um gesund zu werden.” 

Dr. Jennifer Hughes, Tuberkulose-Ärztin von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika

“Wenn bei mir eine resistente Tuberkulose diagnostiziert würde, hätte ich Zugang zu Bedaquilin, Delamanid, Linezolid - zu all diesen Medikamenten - ganz einfach, weil ich es mir leisten kann, dafür zu bezahlen. Aber eine Person in Khayelitsha hat es nicht so leicht, und das ist ungerecht.” 

Yuri überlebte Tuberkulose
Yuri, 38 aus Belarus, erkrankte an extrem resistenter Tuberkulose und ist der erste Patient, der unser Projekt in Belarus geheilt verließ.  

“Meine Ärzte sagten mir, das sei meine einzige Chance: ein Behandlungsprogramm, das von Ärzte ohne Grenzen in Zusammenarbeit mit der belarussischen Regierung angeboten wird und bei dem die neuesten Tuberkulose-Medikamente eingesetzt werden. Ich steltte mich sofort vor und dann ging alles sehr schnell: mir wurde ein Port (ein implantiertes System für kontinuierliche intravenöse Infusionen) eingesetzt, und die Behandlung begann. Imipenem, Bedaquilin und verschiedene andere Medikamente, das war's. Und mir ging es sofort besser. Ich fühlte mich zwar nicht besser, aber die Tests, die Röntgenaufnahmen sahen gut aus.” 

Familie Koroma aus Bumbuna, Sierra Leone

Bei der gesamten Familie Koroma wurde multiresistente Tuberkulose diagnostiziert.
Yanka und ihr Mann Momoh erhalten im Makeni Regionalkrankenhaus die neue rein orale, kürzere Behandlung, die Ärzte ohne Grenzen mitentwickelt hat.
Ihr 3-jähriger Sohn N’yallah erhält eine 9-monatige Behandlung.

Bibi Amina, von Tuberkulose geheilt in Afghanistan mit ihrer Tochter Gull Sima

Bibi Amina kam mit ihrer Tochter für eine Nachuntersuchung zu uns ins Krankenhaus nach Lashkar Gah, Afghanistan, nachdem sie kürzlich eine neunmonatige TB-Behandlung abgeschlossen hatte. Wir untersuchen auch Familienmitglieder von TB- und DR-TB-Patient*innen, um festzustellen, ob sie Symptome der Krankheit haben. Deshalb wird hier der Blutdruck der zweijährigen Gull Sima gemessen.  

Surayo Mamatkulova, Mutter von drei Kindern in Tajikistan

Surayo Mamatkulova lebt mit ihrer Familie in einem abgelegenen Gebiet an der Grenze zu Usbekistan. Ihre Kinder haben sich bei ihrem Großvater mit Tuberkulose angesteckt. Surayo hat von uns eine Grundausbildung erhalten und kann so die Behandlung ihrer Kinder zu Hause überwachen, anstatt zur Behandlung in ein weit entferntes Krankenhaus zu fahren. Damit machen wir die Behandlung für die Kinder und ihre Familien so angenehm und einfach wie möglich, mit dem Ergebnis, dass mehr Patient*innen die richtige Behandlung erhalten und zu Ende führen.   

Es braucht 7 Ansätze, um Tuberkulose zu beenden 

Die Eindämmung der Tuberkulose-Epidemie gehört zu den Gesundheitszielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN). In der UN haben sich die Länder der Welt darauf verständigt, bis 2030 für 90 Prozent der Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind, Präventions-, Behandlungs- und -Pflegedienste zugänglich zu machen, Sozialhilfepakete für Erkrankte bereitzustellen und mindestens einen neuen Impfstoff entwickelt und zugelassen zu haben. Davon sind wir noch weit entfernt.  

4. Studien zu Behandlungsschemata

Tuberkulose ist eine sehr komplexe Krankheit. Zur Behandlung braucht es eine Kombination aus Medikamenten. Kommt ein neues Medikament auf den Markt bleibt deshalb immer die Frage: Wie verwenden wir es jetzt? In Kombination mit was? Tatsache ist: Pharmaunternehmen haben bisher dazu tendiert einzelne Medikamente zu entwickeln und sind den nächsten Schritt, die Wirkung dieser Medikamente in Behandlungsschemata (Medikamentenkombinationen) zu optimieren, nicht gegangen. Das ist aber unbedingt notwendig, um Tuberkulose und resistente Tuberkulose behandeln zu können.  

Diese Lücke füllen aktuell wir gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen und in Kooperation mit Gesundheitsministerien und Wissenschaftseinrichtungen. Mit Erfolg: 

 

Klinische Studie "TB-Practecal"

Die klinische Studie TB-PRACTECAL (2017-2022) zeigt, dass neuere und kürzere rein orale 6-monatige DR-TB-Kombinationstherapien sicherer und wirksamer sind als die bisher akzeptierten Standards. ©MSF, 2022

Klinische Studie von "endTB"

Die klinische Studie endTB (1016-2023) belegt die Wirksamkeit von vier neuen, verbesserten Therapieschemata zur Behandlung von multiresistenter Tuberkulose oder Rifampicin-resistenter Tuberkulose (MDR-/RR-TB). Und identifizierte ein viertes Behandlungsschema als Alternative für Menschen, die Bedaquilin oder Linezolid nicht vertragen. © endTB, 2023