Die Situation in der Ukraine
Der seit 2014 anhaltende Krieg in der Ukraine hinterlässt tiefe Spuren: zerstörte Infrastruktur, Traumata, Verletzte und Vertriebene. Ein Jahr nach der Eskalation des Krieges, am 24. Februar 2022, ist die Situation nach wie vor angespannt. Die Menschen in der Ukraine wünschen sich Frieden und Normalität zurück.
Rund 800 unserer Mitarbeiter*innen sind derzeit in der Ukraine im Einsatz. Da sich die Lage in den Kampfgebieten schnell ändert, beobachten wir kontinuierlich die Dynamiken, um unsere Mitarbeiter*innen zu schützen und unsere Aktivitäten an die Bedürfnisse der Menschen in Not anzupassen.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, hat der Krieg in der Ukraine bisher mehr als 15,5 Millionen Menschen zur Flucht ins Ausland gezwungen. Auch innerhalb der Ukraine stecken Millionen Vertriebene fest – dazu gehören vor allem Ältere, Menschen mit Behinderung und jene, denen die Mittel für die Reise in die Westukraine oder ins Ausland fehlen.
Humanitäre Hilfe unter Beschuss
Mehrmals wurden unsere Teams Zeuge von Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen. Wiederholt werden zivile Infrastruktur, Wohngebiete und medizinische Einrichtungen beschossen. Die Kriegsparteien müssen eine ungehinderte Versorgung mit lebensrettenden Medikamenten und medizinischem Material ermöglichen sowie den Menschen einen sicheren und ungehinderten Zugang zu unabhängiger humanitärer Hilfe gewährleisten.
So helfen wir
- Wir liefern medizinische und humanitäre Hilfsgüter.
- Wir schulen und beraten Personal in Krankenhäusern im Umgang mit Kriegsverletzten und Notfällen, in denen eine große Zahl an Verletzten in kurzer Zeit eingeliefert wird.
- Wir evakuieren Patient*innen aus überlasteten Kliniken nahe der Front.
- Wir unterstützen bei der Versorgung von Überlebenden sexualisierter Gewalt.
- Wir behandeln Menschen in mobilen Kliniken.
- Wir sorgen dafür, dass Menschen mit chronischen Krankheiten ihre Behandlung fortsetzen können.
- Wir bieten Physiotherapie zur Rehabilitation von Kriegsverletzten an.
- Wir bieten psychologische Unterstützung an, unter anderem für Überlebende von Folter und sexualisierter Gewalt sowie für Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, die zunehmend an Burn-out erkranken.
- Wir unterstützen beim Aufbau von Camps für Vertriebene, um insbesondere eine sanitäre Infrastruktur und den Zugang zu sauberem Trinkwasser sicherzustellen und so dem Ausbruch von Infektionskrankheiten vorzubeugen.
- Wir unterstützen beim Wiederaufbau zerstörter Gesundheitseinrichtungen.
Hier sind wir aktiv
Wir arbeiten in der Ukraine und sind auch in den Nachbarländern Belarus und Russland präsent.
Eine Intensivstation im Zug
Für die Evakuierung von Patient*innen aus den stark umkämpften Gebieten haben wir in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Bahn und dem Gesundheitsministerium eine Intensivstation in einem Zug eingerichtet. Während der 20- bis 30-stündigen Fahrt überwachen Pflegepersonal und Ärzt*innen kontinuierlich die Patient*innen. Allein im Jahr 2023 konnten wir auf diese Weise bereits mehr als 200 Patient*innen transportieren - im Jahr 2022 waren es 2.558 Patient*innen.
Mobile Kliniken: Medizinische Grundversorgung
Unsere mobilen Kliniken sind flexibel einsetzbar und schnell dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Unsere Mitarbeiter*innen bieten in ihnen medizinische Grundversorgung und psychologische Beratung an. Und wir können so auch Menschen mit chronischen Beschwerden, wie Diabetes und Bluthochdruck, mit den notwendigen Medikamenten versorgen; teilweise blieben diese Erkrankungen monatelang unbehandelt.
Einige Menschen, die vor der Gewalt geflohen waren, kehren mittlerweile in ihre Heimatregion zurück, wodurch der medizinische Bedarf steigt. Auch in diesem Fall kommen unsere mobilen Kliniken und Krankenwägen zum Einsatz.
Notfallmedizin
Insbesondere aus umkämpften Gegenden evakuieren wir Verletzte mit Krankenwägen oder unserem medizinischen Zug, intensivmedizinische Versorgung inklusive. In einigen Städten bieten wir außerdem chirurgische Eingriffe an. Ein wichtiger Teil der Notfallmedizin ist außerdem die Schulung von Gesundheitspersonal in Krankenhäusern: Unsere Expert*innen trainieren mit den Teilnehmer*innen den Umgang und die Versorgung von Schwerverletzen sowie Triage und Management für den Fall, dass viele Verletzte auf einmal im Krankenhaus eintreffen (mass casualty event). Ein Video zu diesem Thema finden Sie auf unserem YouTube-Kanal: Training für den Ernstfall in Lwiw.
Darüber hinaus haben wir ein mobiles Notfallteam aufgebaut. Wenn sich die Frontlinie verschiebt, fokussieren sich die Mitarbeiter*innen dieses Teams darauf, Zivilist*innen in direkter Nähe der Kampfhandlungen medizinisch zu unterstützen.
Psychosoziale Hilfe
Die psychische Belastung im Kriegskontext ist enorm: Raketenangriffe, Flucht und Vertreibung, (sexualisierte) Gewalt, Folter und Überbelastung – daher bieten wir auch psychosoziale Beratungen an. „Damit wollen wir den Menschen helfen, ein Gefühl von Kontrolle zurückzuerhalten“, sagt unsere psychosoziale Beraterin, Lina Villa.
Das ukrainische Gesundheitspersonal ist zunehmend von Burnout-Symptomen betroffen. Wir reagieren darauf, indem wir psychologische Trainings und Gruppensitzungen anbieten.
Risiko: Infektionskrankheiten
Im Kontext von Zerstörung und zusammengebrochenen Infrastrukturen steigt generell das Risiko, dass sich Infektionskrankheiten schnell verbreiten. Dies beobachten wir aktuell auch in der Ukraine – zudem wird deren Behandlung durch die Zustände erschwert. Um lokale Gesundheitseinrichtungen in der Prävention zu unterstützen, verteilen wir daher Hygienekits, unterstützen beim Aufbau von Vertriebenencamps und der Installation von sanitären Einrichtungen sowie ausreichendem Zugang zu Trinkwasser.
Zuletzt aktualisiert: 19.06.2023
Historische Entwicklung unserer Hilfe in der Ukraine
Schon seit 1999 sind wir in der Ukraine im Einsatz. Damals unterstützten wir vor allem das ukrainische Gesundheitsministerium bei der Behandlung von HIV. Von 2011 bis 2014 hatten wir laufende Projekte zur Behandlung von Tuberkulose, Hepatitis C und HIV. Ab 2014 reagierten wir verstärkt auf den Krieg in der Ostukraine. Im Februar 2022 mussten wir unsere laufenden Projekte stoppen, um auf die neu entstandenen medizinischen Bedürfnisse reagieren zu können.
Unsere Hilfe in der Ukraine im Jahr 2021
- 2.670 ambulante Sprechstunden
- 2.130 psychologische Einzelgespräche
- 660 Neubehandlungen gegen Hepatitis C
- 26 Neubehandlungen gegen resistente Tuberkulose
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77.8Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 83.7 Jahre -
68Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 78.9 Jahre -
179Mitarbeiter*innen waren für uns im Einsatz.
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6.2Millionen Euro haben wir für unsere Hilfe vor Ort aufgewendet.
Quellen: WHO (2019), MSF International Activity Report 2021 (2022)