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Libanon

Libanon: Erschwerter Zugang zu medizinischer Versorgung für syrische Geflüchtete

Für syrische Geflüchtete im Libanon wird es immer schwieriger, Zugang zu lebenswichtigen medizinischen Leistungen zu erhalten. Grund sind Berichte über Zwangsabschiebungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Patient*innen von Ärzte ohne Grenzen und ihren Partnerorganisationen berichten, dass sich die Situation durch diskriminierende Rhetorik gegenüber Geflüchteten verschärft hat.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen berichten, dass dieses Klima der Angst dringende medizinische Überweisungen an Krankenhäuser schwieriger macht. „Wir hatten einen Patienten, der trotz dringender medizinischer Notwendigkeit eine Überweisung in ein Krankenhaus ablehnte, weil er Angst vor der Abschiebung hatte und wusste, dass er nicht registriert ist“, sagt Marcelo Fernandez, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen im Libanon.   

Viele Geflüchtete trauen sich nicht mehr, ihre Häuser zu verlassen – auch nicht, um notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Besonders schlimm ist die Situation in der vernachlässigten Gegend von Arsal, einer abgelegenen Stadt im Nordlibanon nahe der syrischen Grenze, wo Teams von Ärzte ohne Grenzen seit mehr als zehn Jahren arbeiten. 

„Alle sind gestresst und bleiben zu Hause, gelähmt vor Angst“, sagt Farhat, 75, ein syrischer Geflüchteter, der seit neun Jahren in der Klinik von Ärzte ohne Grenzen in Arsal wegen Diabetes behandelt wird. „Niemand traut sich rauszugehen, nicht einmal, um das Nötigste zu besorgen.“ Auch er selbst hat Angst, von den Behörden verhaftet und aus dem Libanon abgeschoben zu werden. „Ich habe Angst, dass sie mich festnehmen, demütigen und dann gewaltsam aus dem Land vertreiben“, sagt er.  

In den vergangenen zwei Wochen haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen festgestellt, dass immer mehr Termine in ihren Kliniken nicht eingehalten werden. Viele Patient*innen haben Angst, abgeschoben zu werden, wenn sie die Kontrollpunkte passieren, um die Gesundheitseinrichtungen zu erreichen.  

Die jüngste Politik und die Einschränkungen für Geflüchtete im Libanon haben zudem mit sich gebracht, dass Autos und Motorräder von vielen Syrer*innen konfisziert wurden. Oft waren diese Fahrzeuge ihr einziges erschwingliches Transportmittel, nachdem die Wirtschaftskrise die Kosten für Taxis und öffentliche Verkehrsmittel in die Höhe schnellen ließ.   

Mahmoud, 56, wird in der Klinik in Arsal, die sich fünf Kilometer von seinem Zuhause entfernt befindet, wegen Diabetes behandelt. Er ist einer von vielen Patient*innen, die nur noch mit Mühe zu den Kontrolluntersuchungen und zur Abholung ihrer Medikamente in die Klinik kommen können. „Früher bin ich mit dem Motorrad in die Klinik gefahren“, sagt er, „aber die neuen Vorschriften verbieten uns die Benutzung von Motorrädern, so dass ich den Weg jetzt zu Fuß zurücklegen muss.“   

„Die Beschlagnahmung von Fahrzeugen hat dazu geführt, dass viele bedürftige Menschen kein zuverlässiges Transportmittel mehr haben“, sagt Einsatzleiter Marcelo Fernandez. „Diese Maßnahme hat die Probleme von Menschen, die ohnehin nur über begrenzte Ressourcen und Bewegungsfreiheit verfügen, noch verschärft und ihren Zugang zu lebenswichtiger medizinischer Versorgung weiter erschwert. Diese Situation ist unhaltbar. Keine Maßnahme sollte auf Kosten der Gesundheit der Menschen gehen. Alle marginalisierten Personengruppen sollten unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Status gleichermaßen Zugang zu einer rechtzeitigen medizinischen Versorgung haben.“  

 * Die Namen der Patient*innen wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.   

Ärzte ohne Grenzen war erstmals 1976 im Libanon aktiv auf und ist seit 2008 ohne Unterbrechung im Land tätig. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten derzeit an sieben Standorten im Libanon und bieten kostenlose medizinische Versorgung für bedürftige Bevölkerungsgruppen, darunter libanesische Bürger, Geflüchtete und Wanderarbeiter*innen. Zu den Leistungen von Ärzte ohne Grenzen gehören psychologische Betreuung, sexuelle und reproduktive Gesundheitsfürsorge, pädiatrische Betreuung, Impfungen und die Behandlung von nicht übertragbaren Krankheiten wie Diabetes. Mit mehr als 700 Mitarbeiter*innen im Libanon führen die Teams von Ärzte ohne Grenzen jedes Jahr rund 150.000 medizinische Konsultationen durch. 

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
- Pressestelle