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Palästinensische Gebiete

Gazastreifen: Schwangere von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten

Gaza/Berlin, 30.01.2024. Schwangere und Mütter von Neugeborenen im Gazastreifen haben kaum noch Zugang zu medizinischer Versorgung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind schätzungsweise 50.000 Frauen im Gazastreifen schwanger, etwa 20.000 Babys wurden laut UNICEF seit Beginn des Krieges geboren. In der Region Rafah ist das von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Al-Emirati-Entbindungskrankenhaus die einzige Einrichtung, die sich noch um die medizinische Versorgung der Schwangeren kümmert – dort können angesichts des überwältigenden Bedarfs und der mangelnden Kapazitäten aber nur noch die risikoreichsten Entbindungen begleitet werden. 

„Angesichts der vielen Vertriebenen ist die Situation in Rafah erschreckend“, sagt die Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen im Gazastreifen, Pascale Coissard. „Alle Orte sind überfüllt, die Menschen leben in Zelten, Schulen und Krankenhäusern. Im Al-Emirati-Krankenhaus kommen jetzt dreimal so viele Kinder zur Welt wie vor dem Krieg." 

Viele werdende Mütter können seit Monaten nicht mehr medizinisch versorgt werden. Frauen, die in den Wehen liegen, kommen wegen des Treibstoffmangels und der überfüllten verbliebenen Kliniken nicht in die Krankenhäuser. Vertriebene Frauen leben oft unter erbärmlichen Bedingungen und entbinden in Plastikzelten oder öffentlichen Gebäuden. Diejenigen, die es schaffen, in einem Krankenhaus zu entbinden, kehren auch nach einem Kaiserschnitt oft schon wenige Stunden nach der Geburt in ihre Behelfsunterkünfte zurück.

Ärzte ohne Grenzen unterstützt das Al-Emirati-Krankenhaus bei der postpartalen Versorgung und hat die Station um zwölf auf jetzt insgesamt 20 Betten erweitert. „Unsere Teams sind gezwungen, die Mütter nur wenige Stunden nach der Geburt zu entlassen“, erklärt Rita Botelho da Costa, leitende Hebamme von Ärzte ohne Grenzen. 

Die ersten 24 Stunden nach der Geburt sind die risikoreichsten für Komplikationen. Angesichts der katastrophalen Lebensbedingungen wäre es wichtig, die Patientinnen so lange wie möglich im Krankenhaus zu behalten.“ - Rita Botelho da Costa, leitende Hebamme von Ärzte ohne Grenzen.

Viele schwangere Frauen haben seit Beginn des Krieges keine Vorsorgeuntersuchung erhalten.  Die 33-jährige Rana Abu Hameida etwa wurde im sechsten Monat in die Entbindungsstation des Al-Emirati-Krankenhauses eingeliefert, weil Komplikationen aufgetreten waren. Sie ist aus Beit Lahya im Norden des Gazastreifens geflohen und schläft jetzt in einem Zelt. „Das Leben ist hart, vor allem, wenn es darum geht, Nahrung oder Wasser zu finden und ohne ein richtiges Bett zu schlafen.“ 

Wenn Schwangere keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, ausreichend Nahrung oder eine angemessene Unterkunft haben, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie und ihre Kinder gesundheitliche Probleme, einschließlich Infektionen, bekommen. Für die Kinder mangelernährter schwangerer oder stillender Frauen besteht ein unmittelbares Risiko von Gesundheitsproblemen und potenziellen langfristigen Entwicklungsproblemen. Mehr als ein Drittel der Patientinnen, die die Schwangerenvorsorge in Anspruch nahmen, wiesen Anämie auf. Diese geht häufig mit Eisenmangel einher, was für Schwangere riskant sein kann. Darüber hinaus haben zahlreiche Frauen Infektionen des Urogenitaltrakts wie etwa Harnwegsinfektionen.

Auch in der Al-Schabura-Klinik sind Teams von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz. Hier werden Schwangere vorgeburtlich betreut sowie auf Mangelernährung untersucht – und erhalten bei Bedarf therapeutische Zusatznahrung. In der ersten Januarwoche betreuten Gynäkolog*innen und Hebammen von Ärzte ohne Grenzen in der Klinik mehr als 200 Patientinnen vor der Geburt.  

Ärzte ohne Grenzen fordert erneut einen sofortigen Waffenstillstand und den Schutz der Gesundheitseinrichtungen, um Leben zu retten. Zudem muss humanitäre Hilfe den Gazastreifen erreichen können, um das Gesundheitssystem wieder aufzubauen. Von diesem hängt das Überleben von Müttern und Kindern im Gazastreifen entscheidend ab. 

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
- Pressestelle