Sudan: Neuer Bericht zeigt katastrophale Auswirkungen des Krieges in Süd-Darfur
Gewalt, Unsicherheit und Hunger bestimmen den Alltag der Menschen in Süd-Darfur im Sudan. Die Gesundheitsinfrastruktur ist in weiten Teilen zusammengebrochen, internationale Hilfen kommen nur unzureichend ins Land. Der neue Bericht „Voices from South Darfur” von Ärzte ohne Grenzen schildert die Lage der Bevölkerung in eindringlicher Weise und anhand vieler Augenzeugenberichte.
Alle Daten und Berichte stammen aus dem Zeitraum Januar 2024 bis März 2025.
„In den Stimmen und Geschichten der Menschen spiegeln sich das Leid, der Missbrauch und die Grausamkeit, die sie erfahren – aber auch die Solidarität der Menschen untereinander“, sagt Ozan Agbas, Notfallmanager von Ärzte ohne Grenzen im Sudan.
Bei den heftigen Kämpfen in den Städten Süd-Darfurs wurden 2023 Krankenhäuser und kritische Infrastruktur zerstört. Mit der Eskalation der Kämpfe brach auch die humanitäre Hilfe im Land zusammen. Auch wenn aktuell keine Bodenkämpfe mehr in Süd-Darfur stattfinden, bleibt die Unsicherheit groß. Weiterhin gibt es Luftangriffe und Angriffe durch Drohnen. Auf den Straßen und Feldern, auf den Märkten und sogar in ihren Häusern sind die Menschen schrecklicher Gewalt ausgesetzt. Täglich zeugen neue Berichte von willkürlichen Verhaftungen, Diebstählen und Plünderungen. Sexualisierte Gewalt ist ein riesiges Problem.
Hunderte Betroffene sexualisierter Gewalt behandelt
Ärzte ohne Grenzen hat zwischen Januar 2024 und März des laufenden Jahres 659 Überlebende sexualisierter Gewalt in Süd-Darfur behandelt. Die Dunkelziffer ist schätzungsweise deutlich höher, da es nur wenig Möglichkeiten gibt, sich in Behandlung zu begeben und viele Betroffene nicht über die Erlebnisse sprechen wollen.
„Frauen und Mädchen fühlen sich nirgendwo sicher. Sie werden in ihren eigenen Häusern angegriffen, wenn sie Lebensmittel besorgen, Feuerholz sammeln, auf den Feldern arbeiten oder vor der Gewalt in ihren Dörfern zu flüchten versuchen. Sie erzählen uns, dass sie sich gefangen fühlen“, sagt Claire San Filippo, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen.
Eine 25-Jährige aus Süd-Darfur, die in einem Geflüchtetencamp lebt, berichtete: „Wenn die Frauen versuchen, das Camp zu verlassen, um auf den Feldern zu arbeiten, werden sie geschlagen und gefoltert. Die Tochter meiner Tante wurde vor sechs Tagen von sechs Männern vergewaltigt. Wenn ich das Camp verlasse, werde ich vergewaltigt.“
Die Menschen beschreiben die Angst ihrer Kinder und ihr eigenes Gefühl von Hilflosigkeit, Würdelosigkeit und Ausweglosigkeit. „Unsere Höfe wurden vollkommen zerstört. Vor vier Monaten wurde mein Mann getötet. Wir haben jetzt nichts mehr“, erzählte eine 21 Jahre alte Geflüchtete in der Ortschaft Beleil. „Seit drei Tagen habe ich nicht gegessen. Ich weiß nicht, was mir auf dem Weg nach Hause zustoßen wird. Ich habe Angst, denn die Leute, die meinen Mann getötet haben, werden mir vielleicht dasselbe antun."
Die Unsicherheit geht einher mit Hunger, denn die ständige Angst vor Gewalt verhindert, dass Menschen ihr Land bewirtschaften können und ein Einkommen haben. Zwischen Januar 2024 und März 2025 hat Ärzte ohne Grenzen ernährungsmedizinische Programme in Süd-Darfur unterstützt: Mehr als 10.000 akut mangelernährte Kinder unter fünf Jahren und Tausende mangelernährte Schwangere und stillende Mütter wurden hierdurch versorgt.
Regenzeit könnte Situation verschärfen
Nun, da die Regenzeit bevorsteht, könnte sich die die Ernährungslage verschärfen. Die Lebensmittelpreise steigen und viele Familien haben nur eine Mahlzeit am Tag, wenn überhaupt. „Ich bin täglich auf das angewiesen, was ich finde“, berichtete eine 24-Jährige im Geflüchtetencamp Al-Salam. „Wenn ich etwas finde, essen wir. Wenn nicht, essen wir nichts.“
Seit Beginn des Krieges kamen die Hilfen internationaler Organisationen und der UN-Agenturen nur spärlich, unregelmäßig und langsam in Süd-Darfur an, wie eine 23-Jährige in Nyala im November 2024 beschrieb: „Wir haben gehört, dass internationale Organisationen den Menschen helfen, aber sie bringen uns nie etwas.“
Jüngst gab es Anzeichen für eine Verbesserung der Lage, weil die UN-Organisationen zunehmend Wege finden, humanitäre Hilfsgüter nach Süd-Darfur zu bringen. Auch Nichtregierungsorganisationen verstärken allmählich ihre Aktivitäten. Aufgrund der starken Zugangsbeschränkungen können die UN-Organisationen jedoch auch mehr als zwei Jahre nach Konfliktbeginn noch immer nicht die Leitung und Koordinierung der Hilfsmaßnahmen in Süd-Darfur übernehmen.
Nichtregierungsorganisationen beginnen ihre Arbeit nur langsam und mit Vorsicht. Unter der Bevölkerung zeigt sich viel Solidarität: Nachbarn teilen Nahrungsmittel, junge Menschen entfernen Trümmer und besorgen Arzneimittel für die Vertriebenen in ihrer Nachbarschaft. Lehrer*innen geben unentgeltlich Unterricht in verlassenen Gebäuden. Diese lokalen Initiativen sind wichtig und Ärzte ohne Grenzen hat verschiedene Angebote unterstützt, darunter öffentliche Küchen und medizinische Versorgungsstellen.
„Lokale Organisationen in Darfur haben das Wissen und die Kompetenz, um grundlegende Dienstleistungen anzubieten. Diese an vorderster Front stehenden Helfer*innen zu unterstützen, indem man ihnen Hilfsgüter, Finanzmittel und Entscheidungsbefugnisse gibt, ist wesentlich, um Menschenleben zu retten”, sagt Ozan Agbas.

Bericht: "Voices from South Darfur"
Dieser Bericht erzählt von den Auswirkungen der allgegenwärtigen Gewalt, einem zusammengebrochenen Gesundheitssystem und einer unzureichenden internationalen Reaktion. Er ist in englischer Sprache verfügbar.
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