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Hilfsorganisationen verurteilen Verlängerung des IRINI-Mandats durch Bundesregierung

  • Mandat würde Grundlage für Unterstützung der libyschen Küstenwache schaffen
  • Regierung ignoriert Wissen über systematische Gewalt und illegale Rückführungen
  • Abstimmung im Parlament: Abgeordnete müssen Mandat ablehnen! 

Berlin, 14. Oktober 2025. Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch und SOS Humanity kritisieren die vom Bundeskabinett initiierte Verlängerung des deutschen IRINI-Mandats auf das Schärfste. Der Mandatsentwurf steht voraussichtlich am Mittwoch im Bundestag zur Abstimmung.  Anders als in der Vergangenheit wird in dem Text für das deutsche Mandat die Unterstützung der libyschen Küstenwache nicht mehr ausgeschlossen, sondern explizit als Option genannt – obwohl diese auf dem Mittelmeer systematisch Menschrechtsverletzungen begeht. Bei einer Zustimmung im Parlament gilt das Mandat als verabschiedet.

„Obwohl libysche Milizen Rettungsschiffe mit Überlebenden an Bord beschossen haben und das Auswärtige Amt diese Übergriffe ‘sehr ernst’ nehme, ändert die Bundesregierung das bisherige IRINI-Mandat und fügt eine Unterstützung der libyschen Küstenwache ein. Damit gefährdet sie im vollen Bewusstsein Menschenleben auf See”, sagt Marie Michel, Politische Referentin bei SOS Humanity.

„Tagtäglich werden Menschen gewaltsam und mit Unterstützung der EU nach Libyen zurückgezwungen – ein von den Vereinten Nationen als unsicher eingestuftes Land, in dem Migranten und Flüchtende systematisch Misshandlungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgesetzt sind”, warnt Marie Naass, Leiterin politische Öffentlichkeitsarbeit bei Sea-Watch.

Der zur Abstimmung stehende Entwurf für das deutsche Mandat der EU-Mission EUNAVFOR MED IRINI nennt als Nebenaufgabe der EU-Mission unter anderem die Hilfe „einschlägiger libyscher Einrichtungen […] beim Aufbau ihrer Kapazitäten und Schulungen im Bereich der Strafverfolgung auf See“, einschließlich Zuständigkeiten in der Suche und Rettung (Drs. 21/2068, 8.10.2025). Im bisherigen Mandat wird die Unterstützung der libyschen Küstenwoche noch explizit ausgeschlossen.

Mit dem Schritt kehrt die Bundesregierung von der vor drei Jahren eingeschlagenen Linie ab, die Ausbildung und Ausstattung der libyschen Küstenwache wegen der systematischen Anwendung von Gewalt und unzähligen illegalen Rückführungen von Schutzsuchenden auszusetzen.

Wer die libysche Küstenwache stärkt, trägt Mitverantwortung für völkerrechtswidrige Rückführungen nach Libyen und setzt Migrant*innen und Flüchtende Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus. EU-Staaten, die Boote, Training und Luftaufklärung bereitstellen, unterstützen illegale Abfangoperationen und schüren Gewalt. Daran darf sich Deutschland nicht beteiligen.

Felix Braunsdorf, Flucht- und Migrationsexperte von Ärzte ohne Grenzen

Die drei Organisationen, die über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Seenotrettung verfügen, fordern von den Mitgliedern des Bundestags eine klare Ablehnung des Mandats.

Das deutsche IRINI-Mandat müsse die Ausbildung und finanzielle sowie materielle Unterstützung der libyschen Küstenwache ausdrücklich ausschließen – ohne Hintertür.

Auf EU-Ebene müsse Deutschland zudem konsequent für die Einstellung dieser Unterstützung eintreten. Deutschland müsse sich außerdem dafür stark machen, dass die Verantwortung der europäischen Küstenstaaten, einschließlich Italiens, für unrechtmäßige gewaltsame Abfangaktionen untersucht wird.

Es sei darüber hinaus erforderlich, dass Deutschland sich innerhalb der Europäischen Union für einen proaktiven, staatlich geleiteten Rettungsmechanismus einsetzt. Es brauche dringend ein europäisches Seenotrettungsprogramm im zentralen Mittelmeer, mit dem klaren Ziel, Menschenleben auf See zu retten und die Ausschiffung an einem sicheren Ort zu gewährleisten, so die Organisationen.