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Palästinensische Gebiete

Gaza: Ärzte ohne Grenzen warnt vor Ausbreitung von Krankheiten durch schlechte Lebensbedingungen

Jerusalem/Berlin, 24. Oktober 2025. Trotz des Waffenstillstands müssen über eine Million Menschen im Süden des Gazastreifens weiterhin auf engstem Raum unter extrem schwierigen Bedingungen leben. Die Vertreibung der Menschen sowie die massive Zerstörung der zivilen Infrastruktur und des Gesundheitssystems durch die israelischen Streitkräfte haben eine gefährliche Situation geschaffen, die die Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen begünstigt, warnt Ärzte ohne Grenzen. Die israelischen Behörden müssen unverzüglich eine massive Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen zulassen.

Medizinische Daten von Ärzte ohne Grenzen aus dem Jahr 2025 zeigen, dass Krankheiten, die direkt mit schlechten Lebensbedingungen zusammenhängen, 70 Prozent aller ambulanten Konsultationen in den Gesundheitszentren der Organisation im Süden des Gazastreifens ausmachen. Darunter fallen Haut-, Augen- und Atemwegs-Erkrankungen sowie Magen-Darm-Infektionen.

Der Zusammenbruch des Wasser- und Abwassersystems – eine direkte Folge gezielter Zerstörung und der systematischen Blockade von wichtigen Materialien durch die israelischen Behörden – hat seit April 2025 zu einem Anstieg von durch Wasser übertragbaren Krankheiten geführt, insbesondere von Durchfallerkrankungen. In den vergangenen zwei Jahren haben Teams von Ärzte ohne Grenzen mehr als 78.000-mal Patient*innen mit Durchfallerkrankungen behandelt.

„Im Süden des Gazastreifens gibt es unzählige Familien, die wiederholt zur Flucht gezwungen wurden. Sie leben zusammengepfercht in einem Meer von provisorischen Zelten, in den wenigen verbliebenen Schulen oder schlafen unter freiem Himmel inmitten von Trümmern, Müllbergen, Tierkot und überlaufenden Abwasserkanälen“, sagt Aitor Zabalgogeazkoa, Notfallkoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Gazastreifen. „Das ist völlig inakzeptabel.“

Ungeachtet des Waffenstillstands leiden die Menschen im Gazastreifen weiter, da sie durch die zweijährige genozidale Gewalt Israels traumatisiert und verletzt worden sind, während nun bald der Winter naht.

Ohne sofortige Verbesserungen bei der Wasserversorgung, der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Unterkünften sowie der Sanitärversorgung werden weitere Menschen an vollständig vermeidbaren Ursachen sterben. Sinkende Temperaturen in Kombination mit den prekären Lebensbedingungen und der Erschöpfung der Menschen drohen, die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Menschen weiter zu verschärfen.

Viele Familien sind nicht in der Lage, Lebensmittel zu beschaffen oder sicher zuzubereiten, und der begrenzte Zugang zu sauberem Wasser verschlimmert die Situation. Von Oktober 2024 bis September 2025 untersuchten Teams von Ärzte ohne Grenzen im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis Schwangere auf Mangelernährung und diagnostizierten 1.366 Fälle. Im Gazastreifen haben viele Mütter Schwierigkeiten, ihre Babys sicher zu ernähren – einige sind so mangelernährt, dass sie nicht genug Muttermilch produzieren können, während gebrauchsfertige Säuglingsnahrung Mangelware ist.

Die Genesung nach Verletzungen wird durch die harten Lebensbedingungen ebenfalls stark beeinträchtigt. Der Mangel an Mobilitätshilfen wie Krücken und Rollstühlen macht es etwa für Tausende von Menschen mit Amputationen oder Behinderungen schwierig, sich in den Zelten zu bewegen, Latrinen zu erreichen oder Kliniken aufzusuchen.

„Wir sehen viele Menschen mit großen offenen Wunden, Verbrennungen oder externen Fixatoren, die in Zelten ohne angemessene Hygiene, Abfallentsorgung oder Klimatisierung leben“, sagt Adi Nadimpalli, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Infektionen, die normalerweise vermeidbar wären, sind jetzt weit verbreitet.“

Gleichzeitig beobachten Teams der Organisation seit Monaten einen deutlichen Anstieg von Atemwegsinfektionen, die normalerweise erst in den Wintermonaten häufiger auftreten. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums machen akute Atemwegsinfektionen mittlerweile 67 Prozent der gesamten Morbidität aus. Auch Hautkrankheiten wie Krätze, Läuse und andere infektiöse und nicht infektiöse Erkrankungen nehmen zu.

Die israelischen Behörden müssen dringend eine umfassende und uneingeschränkte Ausweitung der humanitären Hilfe in Gaza ermöglichen, um das Leid der Bevölkerung zu lindern und ihre Anfälligkeit gegenüber Witterungseinflüssen zu verringern.