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Äthiopien

Äthiopien: Ärzte ohne Grenzen fordert Wiederaufnahme der Lebensmittelverteilung

Addis Abeba/Berlin, 7. Juli 2023. Angesichts eines drastischen Anstiegs der Fälle von Mangelernährung fordert Ärzte ohne Grenzen die sofortige Wiederaufnahme der Nahrungsmittelverteilungen in Äthiopien. Wegen Untersuchungen zur Zweckentfremdung von Nahrungsmitteln war die Verteilung erst in der Region Tigray, dann Anfang Juni im ganzen Land ausgesetzt worden. Bereits in den Monaten zuvor gab es nur seltene und unregelmäßige Nahrungsrationen. Mehr als 20 Millionen Menschen sind in Äthiopien auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, insbesondere Geflüchtete und Vertriebene. 

„Schon bevor die Hilfe ausgesetzt wurde, haben unsere medizinischen Teams alarmierend hohe Raten akuter Mangelernährung festgestellt, die bereits weit über dem Notfallgrenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 15 Prozent lagen“, sagt Cara Brooks, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen für Äthiopien. „Die Aussetzung ist eine alarmierende Entwicklung. Die humanitäre Lage im ganzen Land ist schon jetzt katastrophal“, sagt Brooks. „Die Menschen haben mit der schlimmsten Dürre seit vier Jahrzehnten, wirtschaftlicher Not und wiederkehrender Gewalt zu kämpfen“.   

Zu den am stärksten gefährdeten Gruppen gehören schwangere Frauen, junge Mütter, Kinder unter fünf Jahren und HIV-Infizierte. Nach Daten, die Teams von Ärzte ohne Grenzen zwischen Januar und April dieses Jahres gesammelt haben, waren von 8.000 schwangeren Frauen und jungen Müttern, die in den Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen in Shire und Sheraro in Tigray untersucht wurden, 72,5 Prozent akut mangelernährt. Mangelernährte Mütter haben ein höheres Risiko, während der Geburt Komplikationen zu erleiden, und ihre Babys haben ein höheres Risiko, gesundheitliche Schäden zu erleiden. 

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben außerdem 17.803 Kinder unter fünf Jahren in den Kliniken von Shire und Sheraro untersucht und festgestellt, dass 21,5 Prozent an sogenannter mäßiger akuter Mangelernährung und 6,5 Prozent an schwerer akuter Mangelernährung litten. Letztere ist lebensbedrohlich.  

Im Gesundheitszentrum des Geflüchtetencamps Kule in der Region Gambella hat sich die Zahl der Kinder unter fünf Jahren, die von Teams von Ärzte ohne Grenzen wegen schwerer Mangelernährung behandelt werden, fast verdoppelt. Im Jahr 2022 nahmen die Teams von Ärzte ohne Grenzen im Durchschnitt 44 Kinder pro Monat auf; im Jahr 2023 sind es durchschnittlich 86 Kinder pro Monat.  

„Eine verringerte Nahrungsaufnahme setzt die Menschen dem Risiko von Mangelernährung und Mikronährstoffmangel wie Anämie aus und schwächt ihr Immunsystem“, sagt Samreen Hussain, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Angesichts der geringen Durchimpfungsrate erhöht die Mangelernährung das Risiko von Infektionskrankheiten wie Masern und Cholera. In vielen Regionen Äthiopiens kommt es derzeit zu Ausbrüchen“, sagt Samreen Hussain. 

Ärzte ohne Grenzen ruft alle Beteiligten dazu auf, auf allen verfügbaren Ebenen zu handeln, um die Bedürfnisse der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen durch gezielte Nahrungsmittelverteilungen zu erfüllen. Außerdem muss die Verteilung von Nahrungsmitteln in vollem Umfang und regelmäßig wieder aufgenommen werden.

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
- Pressestelle