Sichere Schwangerschaftsabbrüche sind elementare Gesundheitsversorgung
Unsichere Schwangerschaftsabbrüche sind weltweit eine der Hauptursachen für Müttersterblichkeit und die einzige, die fast vollständig vermeidbar ist. Schätzungen zufolge werden dabei jedes Jahr mehr als 25 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, 97 Prozent davon in Ländern des Globalen Südens. Jährlich sterben mehr als 22.800 Frauen und Mädchen an den Folgen, viele mehr ziehen sich lebenslange Verletzungen zu. Unsere Mitarbeiter*innen sind täglich mit den katastrophalen Folgen unsachgemäß vorgenommener Abbrüche konfrontiert. Dieses Leid wollen wir verhindern und bieten deshalb sichere Schwangerschaftsabbrüche als elementaren Teil unserer Gesundheitsversorgung an.
In unseren Projekten arbeiten wir nach einem Drei-Säulen-Prinzip
- Wir ermöglichen sichere medikamentöse und operative Schwangerschaftsabbrüche.
- Wir helfen mit medizinischer Nachsorge nach unsachgemäßen Abbrüchen.
- Wir leisten Beratung und Unterstützung in Fragen der Familienplanung und Verhütung.
Sichere Schwangerschaftsabbrüche ermöglichen
Wir setzen uns insbesondere dafür ein, dass marginalisierte Personengruppen wie Menschen in ländlichen Gebieten oder Menschen in Krisen- oder Konfliktregionen Zugang zu sicheren Abbrüchen erhalten. 2023 haben wir 54.582 Patient*innen einen sicheren Schwangerschaftsabbruch ermöglicht. Frauen, die sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließen, brauchen eine ausgebildete medizinische Ansprechperson, die ihnen zuhört und ihre Fragen beantwortet. Diese medizinische Betreuung bieten wir in vielen unserer Projekte an. Je nach Wunsch der Patientin und den Möglichkeiten im Projekt bieten wir sowohl medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche als auch operative Abbrüche durch sogenannte Absaugungen (Vakuumaspiration/Saugkürettage) an.
"Was ist ein Schwangerschaftsabbruch?"
"Wie funktioniert ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch?"
Versorgung von Komplikationen nach unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen
In unseren Projekten behandeln wir jährlich zehntausende Frauen und Mädchen wegen Problemen im Zusammenhang mit unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Wie wir vorgehen, hängt jeweils von der Art und Schwere der Komplikationen ab. Beispielsweise müssen wir bei starkem Blutverlust Bluttransfusionen geben oder bei Infektionen und Sepsis Antibiotika verabreichen. In besonders gravierenden Fällen sind größere chirurgische Eingriffe an inneren Organen oder sogar eine Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) notwendig.
"Wie unterscheiden sich sichere und unsichere Schwangerschaftsabbrüche?"
Selbstbestimmt entscheiden, sicher abbrechen
Sichere Schwangerschaftsabbrüche zählen zu unserer elementaren Gesundheitsversorgung. Hier berichten Patient*innen und Mitarbeiter*innen, warum das so wichtig ist.
Prävention und Familienplanung
Verhütung und Familienplanung sind wichtige Teile unserer Gesundheitsversorgung. Auch Vorsorgeuntersuchungen auf Brust- und Gebärmutterhalskrebs gehören dazu.
Fragen & Antworten zu Schwangerschaftsabbrüchen
Was ist ein Schwangerschaftsabbruch?
Ein Schwangerschaftsabbruch liegt vor, wenn eine Schwangerschaft vorzeitig endet oder beendet wird. Dies kann spontan ohne menschliches Einwirken passieren und wird dann meist als Fehlgeburt bezeichnet. Wenn es sich um die Folge eines Eingriffs handelt, spricht man von einem induzierten Abbruch.
Wie unterscheiden sich sichere und unsichere Schwangerschaftsabbrüche?
Ein Schwangerschaftsabbruch gilt als sicher:
- Wenn er mit einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Methode vorgenommen wird.
- Wenn diese Methode gleichzeitig für die Dauer der Schwangerschaft angemessen ist.
- Wenn die Person, die den Abbruch vornimmt oder unterstützt, zudem entsprechend geschult ist.
Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, gilt der Abbruch als unsicher.
Die WHO definiert einen Schwangerschaftsabbruch auch dann als unsachgemäß, wenn er in einem Umfeld stattfindet, das nicht den medizinischen Mindeststandards entspricht.
Wenn keine Möglichkeit besteht, einen sicheren Abbruch vornehmen zu lassen, greifen viele Frauen und Mädchen zu gefährlichen Methoden, um ihre Schwangerschaft zu beenden. Die Patient*innen, die unsere Teams nach unsicheren Abbrüchen behandeln, haben beispielsweise schädliche Medikamente oder gemischte Gifte aus Batteriesäuren, Phosphor oder Chlor eingenommen. Andere haben sich gefährliche Gegenstände wie Stöcke, Stricknadeln, metallische Haken oder Glassplitter eingeführt oder ihrem Unterleib Schläge und Stöße zugefügt.
Welche Folgen können unsichere Schwangerschaftsabbrüche haben?
Zu den möglichen schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Komplikationen gehören starke Blutungen, Infektionen und Sepsis (schwere Blutinfektion im gesamten Körper), Gebärmutterverletzungen und Verletzungen des Genitaltrakts oder anderer innerer Organe. Frauen, die Medikamente aus unseriösen Quellen beziehen, können auch Komplikationen aufgrund mangelnder Qualität der Medikamente, falscher Dosierung oder unzureichender Informationen erleiden. Auch wenn ein unsachgemäßer Abbruch zur Beendigung der Schwangerschaft geführt hat, kann dies mit langfristigen gesundheitlichen Folgen wie Unfruchtbarkeit, chronischen Schmerzen sowie emotionalen und psychischen Traumata einhergehen.
Welche anderen Hindernisse erschweren sichere Schwangerschaftsabbrüche?
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen können hohe Kosten, gesellschaftliche Tabus, fehlende Informationen, Scham, Stigmatisierung und Einwände von Gesundheitsdienstleistern Hindernisse für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch darstellen.
Die Bedingungen für einen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen werfen dabei ein Schlaglicht auf soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen, People of Colour, Indigene, und Menschen, die in abgelegenen Gebieten leben, haben überproportional häufig keinen Zugang zu sicheren Abbrüchen. Frauen und Mädchen, die in Kriegs- und Krisenregionen leben, stehen oft zusätzlichen Hindernissen gegenüber, wie unsicheren Wegen zu Gesundheitseinrichtungen.
Wie funktioniert ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch?
Ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch ist eine sichere und gängige Methode des Schwangerschaftsabbruchs. Viele Menschen bevorzugen diese Form des Schwangerschaftsabbruchs, weil er im vertrauten Umfeld zu Hause durchgeführt werden kann und nicht invasiv ist.
Es gibt zwei Arten von Medikamenten, die dafür verwendet werden: Mifepriston und Misoprostol. Der Abbruch funktioniert besser, wenn beide Medikamente eingenommen werden. Wenn Mifepriston nicht zur Verfügung steht, kann auch Misoprostol allein eine Schwangerschaft beenden und ist immer noch sicher.
Mifepriston und Misoprostol führen zum Abbruch der Schwangerschaft sowie einer Erweichung des Gebärmutterhalses und Kontraktionen der Gebärmutter. Dadurch kommt es zu Blutungen und Krämpfen, wodurch der Embryo bzw. Fötus wie bei einer Fehlgeburt ausgeschieden wird.
Ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch ist zu mehr als 95 Prozent wirksam und extrem sicher. Die Wahrscheinlichkeit schwerer Komplikationen beträgt weniger als ein Prozent. Er kann daher auch in abgelegenen Gebieten oder Konflikt- und Krisengebieten, in denen das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist, sicher vorgenommen werden. Für einen sicheren medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sind vor allem drei Dinge erforderlich: genaue Informationen über die Dauer der Schwangerschaft und den Gesundheitszustand der Patientin, die richtigen Medikamente und gegenseitiger Respekt und Vertrauen.
Was sind selbstgesteuerte Schwangerschaftsabbrüche?
Unter selbstgesteuerten medikamentösen Abbrüchen versteht man die Beschaffung und Einnahme der spezifischen Medikamente zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb eines medizinischen Umfelds. Meistens handelt es sich dabei um die Einnahme der entsprechenden Medikamente zu Hause mit Hilfe von Telefonhotlines oder Online-Plattformen.
Ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch kann unter anderem wegen der größeren Autonomie, Privatsphäre und Vertraulichkeit eine bevorzugte Option sein. Auch Menschen, die weit entfernt von Gesundheitseinrichtungen oder in Gegenden leben, in denen es keine entsprechenden Gesundheitsdienstleistungen gibt, haben so leichter Zugang zu einer sicheren Behandlung.
Selbst vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche sind sicher und wirksam, wenn die Betroffene Zugang zu genauen Informationen, hochwertigen Medikamenten und respektvoller Unterstützung während des gesamten Prozesses hat. Es ist auch wichtig, Zugang zu einem Gesundheitsdienstleister oder einer Einrichtung zu haben, falls es zu Komplikationen kommt.
Fragen & Antworten zu unserer Arbeit
Wie behandeln wir die Folgen unsicherer Schwangerschaftsabbrüche?
In unseren Projekten behandeln wir jährlich Zentausende Frauen und Mädchen wegen Problemen im Zusammenhang mit unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Wie wir vorgehen, hängt jeweils von der Art und Schwere der Komplikationen ab. Das kann Bluttransfusionen wegen starkem Blutverlust oder Antibiotika zur Behandlung von Infektionen und Sepsis beinhalten. In besonders gravierenden Fällen sind größere chirurgische Eingriffe an inneren Organen oder sogar eine Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) notwendig.
Welche Versorgung bieten wir an?
Für uns zählen sichere Schwangerschaftsabbrüche zur elementaren Gesundheitsversorgung. Frauen, die sich zu diesem Schritt entschließen, brauchen eine ausgebildete medizinische Ansprechperson, die ihnen zuhört und ihre Fragen beantwortet. Diese medizinische Betreuung bieten wir in vielen unserer Projekte an. Je nach Wunsch der Patientin und den Möglichkeiten im Projekt bieten wir sowohl medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche als auch operative Abbrüche durch sogenannte Absaugungen (Vakuumaspiration/Saugkürettage) an.
Bis zu welchem Zeitpunkt ist ein Abbruch durch uns möglich?
Die Richtlinien von Ärzte ohne Grenzen ermöglichen medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. Schwangerschaftswoche. In sehr seltenen Fällen kommt es auch danach noch zu einzelnen Behandlungen, die einer ausführlichen Abwägung nach festgelegten Kriterien folgen.
Obwohl Schwangerschaftsabbrüche nach der 13. Schwangerschaftswoche (erstes Trimester) nur 10-15 Prozent aller Abbrüche weltweit ausmachen, sind sie für die meisten schweren Komplikationen und Todesfälle bei unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen verantwortlich. Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch nach der 13. Woche vornehmen lassen, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit junge Mädchen, Überlebende sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Sie haben ihre Schwangerschaft erst später bemerkt oder sind von finanziellen oder logistischen Hindernissen bei der medizinischen Versorgung betroffen. Daher sind sichere Schwangerschaftsabbrüche im zweiten Trimester ein entscheidendes Element der reproduktiven Gesundheitsversorgung, insbesondere im Kontext medizinischer humanitärer Hilfe.
Wie verhalten wir uns in Ländern, in denen Abbrüche verboten sind?
Viele Menschen denken, dass Schwangerschaftsabbrüche eindeutig geregelt sind. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind oft komplex und differenziert, da es in jedem Land eine Vielzahl von Gesetzen und anderen Rechtsquellen geben kann. Wir beziehen diese rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Entscheidungsfindung mit ein und stellen dabei die Patient*innen und ihre medizinischen Bedürfnisse in den Vordergrund.
In den meisten Ländern, in denen wir tätig sind, ist ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt, um das Leben einer Schwangeren zu retten oder ihre Gesundheit zu erhalten. Aus medizinischer Sicht sind das Leben und die Gesundheit einer schwangeren Person immer dann in Gefahr, wenn sie ungewollt schwanger ist und keinen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch hat. Denn dadurch ist sie allen Komplikationen eines unsicheren Abbruchs, einschließlich des Todes, ausgesetzt.
Unterstützen wir selbstgesteuerte Schwangerschaftsabbrüche?
Wir unterstützen Selbsthilfemaßnahmen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu verschiedenen Themen. Dazu gehören, selbstgesteuerte Schwangerschaftsabbrüche, aber auch Selbsttests für HIV und Gebärmutterhalskrebs sowie die selbstständige Einnahme von Verhütungsmitteln, solange die Sicherheit unser Patient*innen gewährleistet ist.
Einige unserer Teams arbeiten zum Beispiel mit Gesundheitsberater*innen und Peer Support Gruppen zusammen. So wollen wir sicherstellen, dass Menschen, die in abgelegenen Gebieten leben, Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch in ihren Gemeinden haben, ohne zu einer Gesundheitseinrichtung fahren zu müssen. Außerdem erproben wir in Pilotprojekten Telemedizin-Hotlines, über die unsere Mitarbeiter*innen bei Bedarf telefonisch Informationen und Unterstützung anbieten.