Die aktuelle Situation in Haiti
Unser Krankenhaus in Port-au-Prince konnten wir im August 2023 wieder in Betrieb nehmen. Die Klinik war nach einem bewaffneten Überfall im Januar geschlossen worden, da die Sicherheit von Patient*innen und Mitarbeiter*innen nicht mehr gewährleistet werden konnte.
Am Nachmittag des 26. Januar 2023 hatten sich drei bewaffnete Männer Zugang zur Unfallstation des Raoul Pierre Louis Krankenhauses in Port-au-Prince verschafft. Die Männer stürmten in die Notaufnahme und schleppten einen Patienten, der dort mit einer Schusswunde behandelt wurde, aus dem Krankenhaus. Draußen auf der Straße erschossen sie ihn.
Wir sind erneut schockiert angesichts dieses brutalen Vergeltungsaktes, der jegliche humanitären Prinzipien und den Schutz des Patienten verletzt, den dieser in einer medizinischen Einrichtung haben sollte.
- Benoit Vasseur, unser Projektleiter in Haiti.
Eine Reihe von Sicherheitsvorfällen, von denen unsere medizinischen Teams betroffen sind, stellt unsere Tätigkeit weiterhin in Frage. Es kommt regelmäßig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen auf den Straßen von Port-au-Prince. Wir rufen alle bewaffneten Akteure dazu auf, medizinische Arbeit und Akteur*innen zu respektieren und Krankenwagen und Krankenhäuser sowie medizinisches Personal und Patient*innen nicht anzugreifen.
Wie wir in Haiti helfen
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Wir behandeln Menschen in vier Cholera-Behandlungszentren in der Hauptstadt Port-au-Prince.
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Insgesamt arbeiten wir in Haiti gegenwärtig in sieben Projekten in Port-au-Prince, im Süden des Landes und in Artibonite. Wir versorgen Gewalt- und Unfallopfer, behandeln Patient*innen mit Verbrennungen, unterstützen Überlebende sexualisierter Gewalt und sind im Bereich sexueller Gesundheit aktiv.
Warum wir in Haiti helfen
Seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 und dem Erdbeben, das im August den Süden Haitis erschütterte, verschärft sich die schwere politische, soziale und wirtschaftliche Krise im Land. Für die Menschen in Haiti ist es sehr schwierig, medizinische Hilfe zu bekommen. Die politische und wirtschaftliche Krise des Landes geht einher mit Gewalt. Vor allem in der Hauptstadt Port-au-Prince kämpfen Gangs um Stadtgebiete, was für die Bewohner*innen schlimme Auswirkungen hat. Das Gesundheitspersonal leidet unter ausfallenden Gehältern und ist Ziel von Angriffen. Angesichts der schwierigen Situation für die Menschen, haben wir in Haiti umfangreiche Projekte.
Ärzte ohne Grenzen bot erstmals im Jahr 1991 Hilfe in Haiti an.
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64.8Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 83.7 Jahre -
63.3Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 78.9 Jahre -
1487Mitarbeiter*innen waren für uns im Einsatz.
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34.7Millionen Euro haben wir für unsere Hilfe vor Ort aufgewendet.
Quellen: WHO (2019), MSF International Activity Report 2021 (2022)
Schnelle Nothilfe angesichts des Erdbebens im August 2021 im Süden Haitis
Kolleg*innen aus Port-à-Piment und ein medizinisches Notfall-Team aus Port-au-Prince waren schnell vor Ort in Les Cayes und konnten mit der Versorgung von Verletzten beginnen. In Port-à-Piment mussten wir Patient*innen in ein Zelt evakuieren, da das Gebäude des Krankenhauses selbst beschädigt wurde. In den folgenden Monaten begannen wir damit, eine neue Entbindungsklinik zu bauen. Zudem versorgten wir Patient*innen in mobilen Kliniken, verteilten lebensnotwendige Hilfsgüter und installierten Trink- und Abwasserversorgungssysteme in drei Gemeinden.
“Die wenigen haitianischen Mitarbeiter*innen im Saint Antoine-Krankenhaus in Jérémie hatten bereits Außerordentliches geleistet, als unsere Teams ankamen: Wunden versorgt, Knochenbrüche fixiert und einige Patient*innen nach Port-au-Prince ausgeflogen.”
Xavier Kernizan, haitianischer Chirurg im Einsatz für Ärzte ohne Grenzen
Bereits einige Tage nach dem Erdbeben machte sich ein weiteres Team nach Baradères in Nippes auf, um die Lage zu beurteilen. Die Stadt war fast vollständig von allen Verkehrswegen abgeschnitten. Wir behandelten Patient*innen außerhalb des Krankenhauses, aus Angst, das Gebäude könnte einstürzen. Schon vor dem Erdbeben gab es für die Bewohner*innen in der Region wenig Möglichkeiten medizinisch versorgt zu werden. Aus diesem Grund erreichten uns bei Beginn unserer Aktivitäten auch Menschen, die unabhängig von der Katastrophe medizinische Hilfe benötigten.
Viele Familien schliefen unter freiem Himmel in der Nähe ihrer zerstörten Häuser. Einige errichteten aus Holz behelfsmäßige Behausungen. Die Überschwemmungen in Folge des Tropensturms Grace, der über das Erdbebengebiet zog, verschlimmerte die Situation, viele Betroffene waren von Hilfe abgeschnitten, da Wege unpassierbar waren. Wer nach dem Beben im Freien oder in Zelten Zuflucht fand, den trafen die starken Regenfälle besonders hart.
Mehr als eine halbe Millionen Menschen in der Region sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Cholera behandeln in Haiti
Aufgrund der schwierigen Versorgungslage und dem hohen Ausmaß an Gewalt ist der Zugang zu medizinischer Versorgung stark eingeschränkt. Eine Auswirkung dessen ist ein Cholera-Ausbruch seit Herbst 2022. Die Folgen des Mangels an sauberem Wasser sind verheerend, ebenso wie die Tatsache, dass viel zu wenige medizinische Einrichtungen noch arbeitsfähig sind. Unsere Organisation warnt vor einer Gesundheitskatastrophe in Haiti. Wir habendie chirurgischen Kapazitäten einiger Projekte sowie die Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Cholera ausgebaut. Dabei sorgen wir u.a. an Ausgabestellen für die die Chlorierung von Wasser und informieren die Menschen an Orten, die stark vom Choleraausbruch betroffen sind. Seit Beginn des Ausbruchs der am 2. Oktober 2022 offiziell bestätigt wurde, haben unsere Teams täglich mehr als hundert Patient*innen behandelt, die Cholera-typische Symptome hatten.
Fachmedizinische Angebote in Port-au-Prince
Glücklicherweise wurden die medizinischen Einrichtungen in Port-au-Prince durch das Erdbeben am 14. August 2021 nicht zerstört, so dass wir unsere Arbeit fortsetzen konnten. Hier behandelten wir auch Verletzte aus dem Erdbebengebiet. Unsere Teams unterstützen außerdem die Notaufnahme im Universitätskrankenhaus und operierten und versorgten Patient*innen im Unfallkrankenhaus in Tabarre.
In unserem Krankenhaus in Drouillard, Cité Soleil kam es im Februar 2021 zu einer Reihe von Angriffen. Aus Sicherheitsgründen sahen wir uns gezwungen, die Einrichtung bis auf die Notaufnahme zeitweise zu schließen. Die Patient*innen brachten wir im Krankenhaus in Tabarre unter. Inzwischen haben wir unsere Aktivitäten jedoch wieder aufgenommen. Zudem unterstützten wir ein Geburtshilfezentrum.
Nach Wochen intensiver Straßenkämpfe wurde im Juni unser Notfallzentrum im Stadtviertel Martissant von Schüssen getroffen. Da wir die Sicherheit unserer Patient*innen und Kolleg*innen nicht mehr gewährleisten konnten, mussten wir die Einrichtung schweren Herzens schließen.
Hilfe nach sexualisierter Gewalt
Im Stadtviertel Delmas 33 betreuten wir eine Klinik, die Überlebende sexualisierter Gewalt versorgte. Im Februar eröffneten unsere Teams eine zweite Klinik im Norden des Landes. Zudem unterstützten wir Mütter und Säuglinge in Port-à-Piment und Port Salut, im Süden des Landes. Um das Bewusstsein für sexualisierte Gewalt und Gesundheit insbesondere bei Jugendlichen zu schärfen, schulen wir außerdem Mitarbeitende öffentlicher Krankenhäuser.
Zuletzt aktualisiert: 29.08.2023