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Nothilfe für südsudanesische Flüchtlinge

Der Bundesstaat Weißer Nil im Sudan ist ein Zufluchtsort für tausende Menschen, die Schutz vor dem anhaltenden Konflikt im Südsudan suchen. Nach einer oftmals traumatischen Flucht leben sie unter schwierigen Bedingungen in mehreren Flüchtlingslagern – und blicken einer unsicheren Zukunft entgegen. Unsere Teams vor Ort leisten lebenswichtige Nothilfe für die Flüchtlinge und die lokale Bevölkerung.

Der Südsudan ist der jüngste Staat der Welt, unabhängig seit 2011. Doch das Land ist weiterhin von Gewalt und Instabilität geprägt. Der ölreiche Bundesstaat Obernil (Upper Nile) im Norden des Südsudan war in den vergangenen drei Jahren Schauplatz des Konflikts zwischen Regierung und Opposition. Viele Familien in dieser Region standen daher vor einer drastischen Entscheidung: Unter Todesgefahr zu bleiben – oder zu fliehen, mit dem Risiko, dass vielleicht der gesamte Besitz gestohlen wird.

Während der Regenzeit herrschte eine kurze Kampfpause, doch der Konflikt flammt nun erneut auf. Somit ist die Zivilbevölkerung wieder gezwungen zu fliehen. Einige erreichen ihr Ziel völlig erschöpft. Sie sind mangelernährt und krank. Andere haben die schwere Flucht besser überstanden, nachdem sie bis zu acht Tage lang zu Fuß unterwegs waren.

Medizinische Hilfe für mehr als 80.000 Flüchtlinge

Hinter der Landesgrenze im Norden liegt der sudanesische Bundesstaat Weißer Nil. Viele Menschen aus dem Südsudan, die sich zur Flucht entschließen mussten, suchen hier Schutz vor der Gewalt in ihrer Heimat. Derzeit leben rund 83.000 Menschen in sechs Flüchtlingslagern – und viele weitere außerhalb dieser für Flüchtlinge festgelegten Zonen.

Ärzte ohne Grenzen betreibt ein Krankenhaus mit 40 Betten außerhalb des Flüchtlingslagers Al Kaschafa. Mehr als 17.000 Menschen haben die Erlaubnis erhalten, sich hier niederzulassen. Unsere Teams bieten sowohl ambulante als auch stationäre medizinische Hilfe an. Die größten Probleme betreffen Mutter-Kind-Gesundheit, Atemwegserkrankungen und Mangelernährung.

„Sie fingen an zu töten, und wir liefen einfach davon.“

Mary musste aus ihrem Dorf Kaka im Südsudan flüchten und erzählt: „Als die bewaffneten Männer nach Kaka kamen, zeigten sie keine Gnade. Weder die Jungen, noch die Alten blieben verschont. Sobald wir hörten, dass sie mit dem Töten anfingen, dachten wir nicht mehr nach – wir liefen einfach aus dem Dorf davon. Wir nahmen mit, was wir tragen konnten, und begaben uns auf die schreckliche Reise. Um an den Militärposten vorbeizukommen, mussten wir lügen, zu welchem Stamm wir gehören – sonst hätten sie uns aufgehalten, und das Schlimmste hätte passieren können. Wir sind jetzt sehr erleichtert, denn wie durch ein Wunder wurde niemand von uns verletzt.“

Ihre vierjährige Tochter ist eine Patientin im Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen, sie leidet unter Mangelernährung: „Sie wurde während der Flucht krank und wollte nicht mehr essen. Sie hatte Durchfall und begann zu husten. Als wir hier ankamen, sagte mir ein Arzt, dass sie Hilfe braucht. Deshalb wurde sie in das Ernährungsprogramm von Ärzte ohne Grenzen aufgenommen. Ich hoffe, dass sie dadurch wieder gesund und stark wird.“

Hygiene ist das größte Problem

„Unsere größte Sorge ist derzeit die Situation der Sanitäranlagen und damit verbunden die Hygiene in den Lagern. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen, und es gibt nicht genug Toiletten und Latrinen. Sie müssen ihre Notdurft in der Nähe ihrer Unterkünfte und ihrer Nachbarn verrichten“, beschreibt unser Projektkoordinator Mohamed die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern. „Es besteht ein großes Risiko, dass sich mehrere Fälle von Masern oder akutem Durchfall verbreiten. Kleinkinder sind besonders gefährdet, weil sie mitten in diesen unhygienischen Bedingungen miteinander spielen. Unser Krankenhaus ist trotz der begrenzten Kapazitäten stets bereit, auf Krankheitsausbrüche zu reagieren. Doch die einzige dauerhafte Lösung besteht darin, die Sanitäranlagen zu verbessern.“

Ärzte ohne Grenzen beteiligt sich an der Verbesserung der sanitären Standards, zum Beispiel durch die Errichtung von Latrinen in den beiden Lagern Al Kaschafa und Dschuri. Zu den Aktivitäten zählen auch Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsaufklärung, um die Aufmerksamkeit der Menschen im Umgang mit Gesundheitsthemen zu erhöhen.

Einzige Ernährungsstation in der Region

Unser Krankenhaus ist auch eine Einrichtung, in die kompliziertere Fälle aus den anderen Flüchtlingslagern überwiesen werden – und beinhaltet das einzige Ernährungszentrum in der Region, um mangelernährte Kinder zu stabilisieren. Die schwersten Fälle werden an das Krankenhaus in der Stadt Kosti überwiesen, das rund 80 Kilometer entfernt liegt – der Weg dorthin führt über eine sandige und holprige Straße.

Fast die Hälfte aller behandelten Personen lebt außerhalb des Lagers Al Kaschafa. Sie gehören zur lokalen sudanesischen Bevölkerung oder sind Flüchtlinge aus den anderen fünf Lagern.

Was wird die Zukunft bringen?

Vor nicht allzu langer Zeit waren der Sudan und Südsudan noch ein Land. Daher gewährten die Behörden  des Sudan bis vor kurzem Menschen, die aus dem Südsudan stammen, die Rechte sudanesischer Staatsbürger. Viele Flüchtlinge aus dem Südsudan haben auch noch Angehörige im Sudan, verstehen die Kultur des Nordens und sprechen Arabisch – deshalb können sie sich leicht in einer der größeren Städte der Region niederlassen. Wer Geld und Verbindungen hat, kann sich auch in Khartum ein neues Leben aufbauen.

Doch wer nicht über diese Möglichkeiten verfügt, bleibt im Lager und hofft auf eine bessere Zukunft. Das Leben unter diesen Umständen ist hart, und während internationale Organisationen für Kinder eine grundlegende Bildung anbieten, gibt es für Erwachsene kaum etwas zu tun. Manche versuchen, ein kleines Einkommen zu erwirtschaften, indem sie Fisch verkaufen oder am lokalen Markt handeln. Andere finden Arbeit in einem ansässigen Betrieb. So können sie für ihre Familien neben den Essens-Rationen noch zusätzliche Nahrung kaufen oder ein wenig für ein besseres Leben sparen.

Die tatsächliche Entscheidung über ihre Zukunft hängt für all diese Menschen davon ab, wie sich die Kämpfe in ihrer Heimat weiterentwickeln. Falls sich die Lage verbessert, wollen viele von ihnen nach Hause zurückkehren. Derzeit ist das leider nur ein unrealistischer Wunsch.