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Sudan

Sudan: 16 Prozent der Kriegsverletzten in Khartums Bashair-Krankenhaus sind Kinder

Khartum/Berlin, 18. November 2024. Etwa jede*r sechste Kriegsverletzte, der seit Januar 2024 im Bashair-Krankenhaus im Süden Khartums behandelt wurde, war laut Ärzte ohne Grenzen jünger als 15 Jahre. Viele der Patient*innen haben Schusswunden oder Verletzungen von Explosionen und Granaten. Medizinische Mitarbeitende sind zudem besorgt über die steigende Zahl schwer mangelernährter Kinder, die im Krankenhaus ankommen. 

Das Bashair-Krankenhaus ist eines der wenigen noch funktionierenden Krankenhäuser im Süden von Khartum. Ärzte ohne Grenzen bietet mit dem lokalen Team Notfallmedizin, chirurgische Leistungen und Mutter-Kind-Versorgung an. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 4.214 Kriegsverletzte behandelt, darunter 314 Kinder. 

„Riyad, ein 18 Monate altes Baby, wurde in die Notaufnahme gebracht, nachdem eine verirrte Kugel seine rechte Seite im Schlaf getroffen hatte“, berichtet Dr. Moeen*, Leiter des medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen. „Unser Team kämpfte vier Stunden lang um Riyads Leben. Aufgrund des massiven Blutverlustes lag die Überlebenschance bei nur 50 Prozent.“  

Die Blutung konnte gestoppt werden, jedoch blieb die Kugel in der Brust des Kindes. Eine Operation ist derzeit nicht möglich, da dem Krankenhaus die notwendigen chirurgischen Kapazitäten fehlen, was auch daran liegt, dass die Lieferung chirurgischen Materials seit Oktober 2023 systematisch blockiert wird. Auch die Überweisung von Patient*innen aus dem Gebiet ist sehr schwierig, da die Straßen entweder zerstört oder viel zu gefährlich sind. 

Die Blockaden medizinischer Hilfslieferungen und Medikamente verhindern auch andere lebensrettende Behandlungen, wie etwa die Versorgung schwerer Brandwunden. Dies ist besonders alarmierend, da es in der Stadt kein voll funktionsfähiges Zentrum zur Behandlung von Verbrennungsopfern mehr gibt. Gleichzeitig werden immer mehr Menschen Ziel von Bombenangriffen. 

Ende Oktober wurden nach einer Explosion auf einem Markt mehr als 30 Verletzte ins Bashair-Krankenhaus eingeliefert, darunter zwölf Kinder unter 15 Jahren. Sie litten an schweren Verbrennungen und anderen Verletzungen. Ein 20 Monate altes Mädchen hatte einen Granatsplitter tief im Kopf. „Als wir sie vorsichtig auf den Röntgentisch legten, fiel ein Teil der zerbrechlichen Schädeldecke auf den Tisch“, schildert Dr. Moeen*. „Zum Glück überlebte sie, aber vielen anderen können wir nicht helfen.“ 

„Die Kampfhandlungen in Khartum nehmen zu, was immer häufiger dazu führt, dass in kürzester Zeit eine große Zahl Verletzter in die wenigen noch funktionierenden Krankenhäuser eingeliefert wird“, erklärt Dr. Moeen*. Das medizinische Personal arbeitet unter enormem Druck und kann die steigende Zahl der Patient*innen kaum bewältigen. 

Das Krankenhaus verzeichnet zudem eine steigende Zahl akut mangelernährter Kinder und Schwangerer. Von den 4.186 Frauen und Kindern, die zwischen dem 19. Oktober und 8. November 2024 untersucht wurden, wurde bei mehr als 1.500 schwere akute Mangelernährung und bei weiteren 400 moderate Mangelernährung festgestellt. Ohne Behandlung ist diese lebensbedrohlich. 

„Diese Zahlen zeigen das unvorstellbare Leid der Menschen in Khartum, insbesondere das der Kinder“, sagt Claire San Filippo, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Wir appellieren an die Konfliktparteien, die Zivilbevölkerung zu schützen und sicherzustellen, dass medizinische Hilfsgüter alle Krankenhäuser im Sudan erreichen.“ 

Hintergrund 

Mit mehr als 11 Millionen Vertriebenen ist die humanitäre Krise im Sudan zur größten der jüngeren Geschichte geworden. Ärzte ohne Grenzen leistet in 11 der 18 Bundesstaaten des Landes kostenlose medizinische Hilfe. Seit Beginn des Konflikts im April 2023 kamen mehr als 500.000 Menschen in Einrichtungen und Kliniken, die von Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden. Die Organisation ist in mehr als 12 Gesundheitseinrichtungen in den Konfliktgebieten aktiv, darunter auch in Khartum, wo die Kämpfe immer wieder eskalieren.  

 

*Der Name ist zum Schutz der betroffenen Person anonymisiert.