Ärzte ohne Grenzen startet Einsatz von neuem Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer
Licata/Berlin, 12. November 2025. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nimmt die Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer wieder auf. Fast ein Jahr nachdem Ärzte ohne Grenzen gezwungen war, den Einsatz des letzten Rettungsschiffs Geo Barents einzustellen, startet nun das neue Schiff Oyvon, um auf einer der tödlichsten Migrationsrouten der Welt Leben zu retten.
Als medizinische und humanitäre Organisation ist unser Engagement, auf See präsent zu sein und Menschen auf der Flucht zu helfen, ungebrochen. Wir sind zurückgekehrt, um unsere Pflicht zur Rettung von Menschen zu erfüllen, die sich in Seenot befinden und gezwungen sind, seeuntüchtige Boote zu nehmen. Wir sehen Menschen, die in Libyen erbärmliche und unmenschliche Bedingungen, Haft, Missbrauch und Erpressung erlitten haben.
Juan Matias Gil, Einsatzleiter für Seenotrettung von Ärzte ohne Grenzen
Oyvon, ein ehemaliges Ambulanzschiff aus Norwegen, wurde für Einsätze auf einer der tödlichsten Migrationsrouten der Welt umgerüstet und ausgestattet.
Ärzte ohne Grenzen war im Dezember 2024 gezwungen, die Rettungsaktivitäten des letzten Rettungsschiffs Geo Barents einzustellen. Die restriktiven italienischen Vorschriften, insbesondere das Piantedosi-Dekret, machten den Betrieb unmöglich und führten zur mehrmaligen Festsetzung des Schiffes. Trotz der Kapazität von bis zu 700 Menschen an Bord wurde das Schiff zudem regelmäßig zu weit entfernten Häfen im Norden Italiens statt zum nächstgelegenen Hafen im Süden geleitet, um beispielsweise nur 50 Überlebende an Bord auszuschiffen. Dadurch musste die Geo Barents zwischen Dezember 2022 und Dezember 2024, 64.966 zusätzliche Kilometer zurücklegen und 163 zusätzliche Tage auf See verbringen.
„Die Entscheidung von Ärzte ohne Grenzen, jetzt ein kleineres, schnelleres Schiff einzusetzen, ist eine strategische Reaktion auf die restriktiven Gesetze und Praktiken der italienischen Regierung, die speziell auf humanitäre Rettungsschiffe abzielen“, fügt Gil hinzu.
Mit der Rückkehr ins zentrale Mittelmeer will Ärzte ohne Grenzen auch die Erfahrungen von Menschen dokumentieren, die aus Libyen fliehen, gewaltsame Abfangmanöver der libyschen Küstenwache und erzwungene Rückführungen nach Libyen erleben. Dieses Vorgehen wurde bereits von italienischen Gerichten und Gremien der Vereinten Nationen als Verstoß gegen das internationale Seerecht, die Menschenrechte und das Flüchtlingsrecht anerkannt.
In den vergangenen Monaten hat die Zahl der gewaltsamen Angriffe der libyschen Küstenwache und anderer bewaffneter Gruppen in internationalen Gewässern gegen Menschen, die das Mittelmeer überqueren, sowie gegen humanitäre Rettungsschiffe zugenommen.
Interview-Angebot:
Gerne vermitteln wir Interviews mit der Oyvon-Crew von Ärzte ohne Grenzen. Zur Crew gehört medizinisches Personal, das in lebensbedrohlichen Situationen medizinische Versorgung leistet und Menschen mit Unterkühlung, Benzinvergiftungen, Verätzungen durch das Gemisch aus Treibstoff und Salzwasser sowie anderen Verletzungen versorgt.
Das zentrale Mittelmeer ist laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) nach wie vor eine der tödlichsten Migrationsrouten weltweit. Seit 2014 sind mindestens 25.630 Männer, Frauen und Kinder auf diesem Meeresabschnitt ums Leben gekommen oder werden vermisst, darunter 1.810 Menschen allein im Jahr 2024. Das bedeutet, dass durchschnittlich fünf Menschen pro Tag ums Leben kamen, wodurch 2024 trotz des beobachteten Rückgangs der Abfahrten das zweittödlichste Jahr seit 2017 war.
Ärzte ohne Grenzen ist seit dem Jahr 2015 auf dem zentralen Mittelmeer im Einsatz und engagiert sich bei Such- und Rettungsaktionen. Die Organisation arbeitete bisher allein oder in Zusammenarbeit mit anderen NGOs auf neun verschiedenen Rettungsschiffen und hat mehr als 94.200 Menschen gerettet.
Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an