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Griechenland

Griechenland: Pushbacks und Gewalt gegen Schutzsuchende

Athen/Berlin, 2. November 2023. Geflüchtete und Migrant*innen erleben auf den griechischen Ägäis-Inseln physische Gewalt und Erniedrigungen. Dies geht aus einem am Donnerstag von Ärzte ohne Grenzen veröffentlichten Bericht hervor. Demnach berichteten Patient*innen den Teams von Ärzte ohne Grenzen, dass sie geschlagen und in Handschellen gelegt wurden, dass sie sich demütigenden Leibesvisitationen unterziehen mussten, sie ihres Besitzes beraubt und gewaltsam aufs Meer zurückgedrängt wurden. Die internationale Hilfsorganisation fordert ein Ende der Gewalt und der Erniedrigungen gegenüber Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen. Der Zugang zu fairen Asylverfahren und medizinischer und humanitärer Hilfe muss gewährleistet werden.

Der Bericht mit dem Titel „In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“ umfasst Aussagen von Betroffenen und medizinische Daten, die die Teams von Ärzte ohne Grenzen zwischen August 2021 und Juli 2023 auf Lesbos und Samos gesammelt haben. Einige Patient*innen berichteten den Teams, dass sie schon vor Erreichen Griechenlands mit Gewalt konfrontiert wurden. „Als wir in griechische Gewässer einfuhren, kam ein kleines graues Boot in unsere Richtung“, sagte Fatima*. „Ein schwarz gekleideter Mann mit vermummtem Gesicht sprang auf unser Boot. Er schlug mit einem Stock auf die Person vor ihm ein. Dann riss er den Motor ab und ließ ihn ins Wasser fallen. Wir standen mitten auf dem Meer ohne Motor da.“

Andere Patient*innen schilderten, wie sie bei ihrer Ankunft auf Lesbos und Samos in kleinen Booten von Uniformierten oder maskierten Männern abgefangen wurden. Ihre Hand- oder Fußgelenke seien mit Plastikkabelbindern fixiert worden, sie seien mit Knüppeln und Schlagstöcken geschlagen, verbal beleidigt und gezwungen worden, sich vor Fremden einer Leibesvisitation zu unterziehen. Weitere Patient*innen berichteten, dass ihre Mobiltelefone, ihr Geld und ihre Medikamente konfisziert worden seien. Dann seien sie gezwungen worden, in Boote zu steigen, mit denen sie aufs Meer hinausgebracht wurden. Dort habe man sie auf Rettungsinseln verladen und habe ihre Habseligkeiten ins Wasser geworfen.

In den vergangenen zwei Jahren haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos und Samos 7.904 Menschen kurz nach ihrer Ankunft auf den Inseln medizinisch versorgt, darunter 1.520 Kinder. Viele der ankommenden Menschen standen unter hohem emotionalem Stress, waren erschöpft, nass, durstig, hungrig, hatten unter extremer Hitze oder Kälte gelitten und waren mit Verletzungen und blauen Flecken übersät, die ihren Berichten zufolge auf physische Gewalt zurückzuführen waren. Unter ihnen befanden sich Hochschwangere, Neugeborene, unbegleitete Minderjährige und ältere Menschen. 

„Die physische Gewalt, mit der Schutzsuchende an den europäischen Außengrenzen zurückgedrängt werden, ist unmenschlich“ sagt Felix Braunsdorf, politischer Referent bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland. „Viele dieser Menschen haben eine schreckliche Reise hinter sich, bei der sie Kriegsverletzungen, sexualisierte Gewalt und Menschenhandel erlebt haben. Die Europäische Union und insbesondere Deutschland mit seiner wichtigen Rolle innerhalb der EU dürfen die Gewalt nicht hinnehmen.“ Zivilgesellschaftliche Organisationen und Hilfsorganisationen, die versuchen, Schutzbedürftigen auf den ägäischen Inseln zu helfen, werden von den Behörden behindert und teilweise strafrechtlich verfolgt. 

Wir fordern die griechische Regierung und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Menschen, die in Griechenland Schutz suchen, mit Menschlichkeit und Würde behandelt werden
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Christos Christou, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen

„Dazu gehört, dass die Straflosigkeit für diejenigen, die Gewalt gegen Schutzsuchende ausüben, in Übereinstimmung mit europäischem und internationalem Recht beendet wird. Wir fordern außerdem ein dauerhaftes Ende der Pushbacks an den Grenzen, die Einrichtung einer unabhängigen Überwachung für die Einhaltung der Menschenrechte auf den Ägäis-Inseln und die Verstärkung der Such- und Rettungsaktionen auf See. Schließlich fordern wir, dass Menschen, die Schutz suchen, Zugang zu fairen Asylverfahren und medizinischer und humanitärer Hilfe bei ihrer Ankunft erhalten.“ sagt Christos Christou.

*Namen geändert 

Griechenland: In aller Öffentlichkeit

Der Bericht "In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders" (In aller Öffentlichkeit: Der Preis der unmenschlichen Migrationspolitik und gewalttätigen Praktiken an den griechischen Seegrenzen) steht hier als PDF zur Verfügung.

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
- Pressestelle