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Schritt für Schritt die Hilfe übergeben

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Susanne Hauke

Susanne Hauke

Ich komme ursprünglich aus dem Hotelmanagement, später habe ich in der Buchhaltung sowie zwölf Jahre lang als Ehrenamtskoordinatorin bei einer NGO gearbeitet. Jetzt war ich mit Ärzte ohne Grenzen in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz.

Seit längerer Zeit bin ich wieder einmal im Camp Lushagala – einem von mehreren Vertriebenencamps rund um die Stadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo, in der Zehntausende Menschen Schutz vor Gewalt und Kämpfen hier in der Provinz Nord-Kivu suchen. Wahnsinn, was sich dort in der Zwischenzeit getan hat!

Einige zentrale Einrichtungen sind fertiggestellt und die Prozesse sind etabliert. Da die Cholera-Infektionen abgenommen haben, jedoch Masern ausgebrochen sind, nutzen wir die Behandlungszelte nun u. a. als Isolierstationen für Masern-Patient*innen. Erkrankte, bei denen wir Cholera diagnostizieren, überweisen wir zur Behandlung in das nächstgelegene Krankenhaus. 

An den Bedürfnissen der Patient*innen orientiert

In unserer Tumaini-Klinik bieten wir medizinische Hilfe und psychosoziale Beratungen für Menschen mit mentalen Gesundheitsproblemen und für Überlebende sexualisierter Gewalt an. Tumaini bedeutet Hoffnung – das Zelt bietet den Frauen einen geschützten Raum. Die Gefahren, denen vor allem Frauen im Camp ausgesetzt sind, sind leider groß. Es kommt häufig zu Übergriffen, z.B. wenn sie in der Umgebung der Camps Brennholz suchen.

In der Tumaini-Klinik haben die Patient*innen einen eigenen Eingangsbereich, einen eigenen Warteraum und eigene Sanitäranlagen. Es ist ein geborgener Ort, an dem sich die Überlebenden sicher fühlen und über ihre Erlebnisse sprechen können. Und die Krankenpfleger*innen, die hier arbeiten, erhalten eine besondere Schulung. Auch das Wachpersonal am Eingang sensibilisieren wir für die besonderen Bedürfnisse der Tumaini-Patient*innen.  

2.000.000 Liter Trinkwasser täglich 

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Mann läuft zwischen Wassertanks in Aufbereitungsanlage.
Im Camp Bulengo bereiten wir täglich zwei Millionen Liter Wasser auf. 
© MSF/Alexandre Marcou

Ein Notfallprojekt ist dynamischer als ein reguläres Projekt, da es zeitgleich auf viele dringende Bedürfnisse reagiert. Als die Vertriebenen ankamen, war Ärzte ohne Grenzen mit dem regulären Projekt bereits vor Ort. Das Notfallteam konnte sofort auf die vorhandene Infrastruktur wie Büroräume und etablierte Lieferstrukturen zurückgreifen. Dadurch konnte es schneller mit der Inbetriebnahme von Gesundheitseinrichtungen reagieren, dem Bau Hunderter Toilettenhäuschen, einer Wasseraufbereitungsanlage, die fast 2.000.000 Liter Trinkwasser pro Tag aufbereitet, sowie einer Fäkalschlammentsorgungsanlage. Das Wasser- und Sanitärteam hat wirklich ganze Arbeit geleistet. 

Zu Beginn der Krise drohte ein großer Cholera-Ausbruch, der mit Hilfe von schnellen Maßnahmen eingedämmt worden ist. Dann brachen in den Camps die Masern aus, die wir erfolgreich bekämpfen konnten. Im Laufe der Zeit haben auch andere Hilfsorganisationen in Goma und Umgebung ihre Aktivitäten gestartet oder verstärkt. 

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Zwei Männer arbeiten an der Fäkalschlammentsorgungsanlage.
Unsere Fäkalschlammentsorgungsanlage im Camp Lushagala.
© MSF/Alexandre Marcou

 

Wir übergeben Aktivitäten, wo wir nicht mehr gebraucht werden 

Dem entsprechend beginnen wir nun schrittweise, das Notfallteam zu reduzieren und unsere Aktivitäten an andere Organisationen zu übergeben. Die medizinische Leiterin für unser Team in Lushagala, die demnächst nach Hause zurückkehrt, wird nicht mehr ersetzt, ebenso mein “Zwilling” Rosa – daher bin ich ab August wieder für Personal und Finanzen in beiden Camps zuständig. Den Betrieb der Wasseraufbereitungsanlage konnten wir bereits an eine andere Organisation übergeben. 

Der Plan ist, zeitnah auch die meisten weiteren Aktivitäten an andere Akteure zu übergeben, die dann teils auch unsere nationalen Kolleg*innen weiter beschäftigen werden. Eine meiner Aufgaben ist es nun allerdings, unseren Mitarbeitenden mitzuteilen, dass ihre Verträge nicht verlängert werden können. Ich gestehe, dass ich erleichtert war, als die meisten es ruhig aufgenommen haben. Viele haben schon zuvor mit Ärzte ohne Grenzen gearbeitet, etwa nach einem Ebola-Ausbruch oder während der Covid-19-Pandemie, und wissen, dass ein Notfallprojekt endlich ist. 

Unsere Tumaini-Klinik, also die medizinische und psychosoziale Betreuung von Überlebenden sexualisierter Gewalt, das Angebot für Familienplanung und sichere Schwangerschaftsabbrüche wird Ärzte ohne Grenzen auch über das Ende des Notfallprojektes hinaus weiterführen, als Teil unseres regulären Hilfsprojektes in Goma. 

Impfen an 17 Orten 

Momentan läuft noch die zweite Phase unserer Impfkampagne, die wir zusammen mit dem Gesundheitsministerium und den örtlichen Gesundheitsbehörden durchführen. Wir impfen Tausende Kinder gegen Krankheiten wie Diphterie, Keuchhusten, Tetanus, Polio, Masern, Gelbfieber und Lungenentzündung, und zwar in drei Phasen, um die nötigen Impfabstände einzuhalten. Das Logistikteam und das medizinische Team sind unermüdlich im Einsatz, um an 17 Orten Zelte auf- und Säle umzubauen, Tische, Stühle und Handwaschgelegenheiten aufzustellen, die Kinder zu impfen, Mitarbeitende an ihren Einsatzort zu fahren und hinterher wieder alles abzubauen.  

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Kuchen mit Aufschrift "Vacci Phase Two" und einer Spritze.
Mit diesem Kuchen haben wir den Erfolg unserer Impfkampagne gefeiert.
© Susanne Hauke

Ein Riesenkuchen ohne Kühlschrank 

Schließlich konnten wir den erfolgreichen Abschluss der zweiten Phase feiern. Dafür habe ich einen Riesenkuchen für 50 Personen im nahen Supermarkt bestellt. Am Sonntag bekam ich die Textnachricht, dass ich den Kuchen schon abholen sollte, weil der Markt am Montag wegen Streiks geschlossen sei. Das hätte ich auch gerne gemacht, aber so einen Riesenkühlschrank haben wir nicht. Daher musste der Kuchen dann noch einen weiteren Tag im Supermarkt bleiben – zum Glück war er auch am Dienstag noch schmackhaft und eine Freude für uns alle.  

Nun bleibt noch die dritte Phase der Impfkampagne, mit der auch mein Einsatz hier zu Ende gehen wird. Mein letzter Monat in Goma bricht bald an. Wahnsinn, wie schnell jetzt alles geht.

Wir haben schon alle Haus- und sonstigen Verträge gekündigt und alle Mitarbeitenden kennen ihren letzten Arbeitstag. Ich freue mich auf Zuhause, auf meine Familie und meine Freund*innen. Aber klar ist auch: Ich möchte wieder mit Ärzte ohne Grenzen in den Einsatz. Am liebsten in ein Notfallprojekt.