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Eine lange und schmerzhafte Behandlung verbessern: Hoffnung für Patient*innen mit multiresistenter Tuberkulose

Ihsan Ali (44) gehört zu den ersten Patient*innen, die im Irak eine neue Behandlung für multiresistente Tuberkulose ausprobieren können. Für die vielen an multiresistenter Tuberkulose erkrankten Menschen wie ihn bedeutet das unglaublich viel - er berichtet, dass das neue Behandlungsschema ein Segen sei: Weniger langwierig, weniger schmerzhaft, weniger Nebenwirkungen. Ein Erfolg - und Ergebnis von guter Zusammenarbeit. 

 

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Ein Mann mit drei Kindern um sich herum, auf dem Arm ein Kleinkind
Ihsan Ali mit seinen vier Kindern - der 44-jährige Iraker lebt in Sadr City, einem Stadtteil im Nordosten Bagdads. Er genießt die Gesellschaft seiner Familie, nachdem er sich wochenlang von ihr isolieren musste. Ihsan Ali war schon einige Male an Tuberkulose (TB) erkrankt, aber jetzt wurde bei ihm eine multiresistente Form der Krankheit diagnostiziert.
© Chloe Sharrock

Tuberkulose-Patient*innen leiden in der Regel unter schwerwiegenden Symptomen, die ihr Leben stark beeinträchtigen, darunter starker Husten, Brustschmerzen, erhebliche Schwäche, plötzlicher Gewichtsverlust und Fieber. Tuberkulose (TB) ist heilbar, aber die Patient*innen müssen eine Behandlung mit Medikamenten über sich ergehen lassen, die Monate dauert. Die Tuberkulosebakterien können dabei auch gegen diese Medikamente resistent werden, dann entwickelt sich die Krankheit zu einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB).  

Bislang war ein derartiger Verlauf für die Betroffenen sehr problematisch, denn er bedeutete eine Verlängerung der Behandlungszeit auf bis zu zwei Jahre. Außerdem konnten die in solchen Fällen benötigten Arzneimittelkombinationen schlimme Nebenwirkungen wie Taubheit, Nierenschäden oder schweren psychischen Erkrankungen verursachen. 

Resistenzen entstehen, wenn TB-Medikamente unsachgemäß eingesetzt werden, z.B. bei falscher Verschreibung, bei Verwendung minderwertiger Medikamente und/oder wenn die Patient*innen sich nicht an die verordnete Behandlung halten oder halten können. Bis vor kurzem bestand die einzige Möglichkeit zur Behandlung von MDR-TB in der oralen Darreichungsform einer Vielzahl von Tabletten oder durch Spritzen, die sehr schmerzhaft sind.  

Eine bessere Behandlung für MDR-TB-Patient*innen 

In Irak unterstützen wir das nationale Tuberkulose-Institut bei der Erforschung und Diagnose von TB und MDR-TB.  
Wir haben dort außerdem ein innovatives Behandlungsschema für MDR-TB-Patient*innen eingeführt, das den Einsatz der neueren Medikamente Bedaquilin und Delamanid vorsieht. Bei diesem neuen, von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Schema werden die Medikamente ausschließlich oral verabreicht. Dadurch entfallen die schmerzhaften Injektionen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass diese Medikamente seltener falsch angewendet werden, da sie leichter richtig zu dosieren sind. Außerdem ist die Behandlungsdauer mit diesen Medikamenten deutlich kürzer und sie haben weniger und vor allem weniger schwere Nebenwirkungen.  

Auch Ihsan Ali erhält diese neue Therapie. "Ich war sofort einverstanden, als mir die Ärztin davon erzählte“, berichtet er.  

Ich nehme dieses Medikament nun seit fast 10 Monaten und es geht mir sehr gut. Die Tabletten sind ein Segen im Vergleich zu den schmerzhaften Injektionen.“  

"Wir freuen uns sehr, dass sechs unserer Patient*innen ihre Behandlung nun vollständig abgeschlossen haben und geheilt sind", sagt Hemant Pangtey, unser medizinischer Projektberater in Bagdad. Er betreut dort die MDR-TB-Patient*innen und berichtet, dass aktuell noch 93 in Behandlung seien.  

In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Tuberkuloseinstitut (NTP) hatten wir im vergangenen Jahr begonnen, dieses neue Medikamentenregime zur Behandlung von MDR-TB-Patient*innen in Irak einzuführen. Noch im selben Jahr wurde es offiziell als Behandlungsschema für alle MDR-TB-Patient*innen im Land anerkannt. Heute werden bis auf wenige medizinisch bedingte Ausnahmen, alle neu diagnostizierten MDR-TB-Patient*innen im Irak mit dem neuen oralen Therapieschema behandelt. 

Linderung des täglichen Leids  

TB-Patient*innen stehen aufgrund ihrer Krankheit vor großen Herausforderungen in ihrem persönlichen Leben. In der Frühphase der Krankheit sind sie hoch ansteckend und müssen sich isolieren, um andere nicht anzustecken, was in der Regel ihre psychische Gesundheit und ihre Lebensgrundlage beeinträchtigt.  

"Bevor ich krank wurde, habe ich als Pförtner gearbeitet, aber wegen meiner Erkrankung kann ich nicht mehr arbeiten. Wir können uns viele Dinge nicht mehr leisten", sagt Ibrahim Mohammed, ein Vater von acht Kindern aus dem Bagdader Vorort Sadr City. Er hat MDR-TB und befindet sich derzeit im ansteckenden Stadium der Krankheit. "Wir können uns Lebensmittel nur dank meines Sohnes leisten - er ist auch Pförtner."  

Wir unterstützen Patient*innen mit MDR-TB nicht nur medizinisch, um die finanziellen Ausfälle während der Behandlungszeit zu verringern und die Menschen zu ermutigen, die von ihren Ärzt*innen empfohlenen Nachsorgetermine wahrzunehmen. Dazu gehören Zuschüsse für den Transport zum und vom Nationalen Tuberkulose-Institut sowie Lebensmittelkörbe für diejenigen, die wie Ibrahim während ihrer Krankheit nicht arbeiten können.  

Menschen erreichen, wo sie sind 

Aber unsere Teams wollen bei unseren Projekten für MDR-TB-Patient*innen im Irak noch einen Schritt weitergehen. "Unser Ziel ist es, die Behandlung zu dezentralisieren, so dass die Menschen nicht mehr nach Bagdad reisen müssen, um sie in Anspruch zu nehmen", erklärt Pangtey. "Bisher mussten die Patient*innen aus dem ganzen Land hierherkommen, um ihre Medikamente und die Nachsorge zu erhalten. Wir wollen, dass sich das ändert.“ 

Seit Juni 2021 schult unser Team gemeinsam mit dem NTP und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Gesundheitsdienstleister in mehreren irakischen Verwaltungsbezirken in der Früherkennung, Behandlung und Nachsorge von MDR-TB.