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Seenotrettung: Bundesregierung muss Änderungen des Aufenthaltsgesetzes zurückziehen

Gemeinsam mit 55 Organisationen fordert Ärzte ohne Grenzen die Bundesregierung auf, die geplanten Änderungen im Aufenthaltsgesetz zurückzuziehen. Sie würden die Grundlage schaffen, Seenotrettung weiter zu kriminalisieren und damit lebensrettende humanitäre Hilfe zu verhindern. Wie notwendig diese Hilfe ist, zeigt der am Mittwoch von Ärzte ohne Grenzen veröffentlichte Bericht „No one came to our rescue“. Dieser dokumentiert, wie die Behinderung von Seenotrettung und die bewusste Untätigkeit der europäischen Staaten zu mehr Todesfällen auf See geführt haben.  

Die Bundesregierung plant das Aufenthaltsgesetz dahingehend zu ändern, dass der Straftatbestand „Einschleusen von Ausländern“ im Paragraph 96 auch das uneigennützige „Schleusen“ in einen anderen EU- oder Schengen-Staat umfasst. „Uneigennützig“ bedeutet hier, dass eine Geldzahlung oder sonstige Gegenleistung für die Hilfeleistung nicht erforderlich ist – es genügt, dass wiederholt oder zugunsten mehrerer Ausländer*innen gehandelt wird. Davon betroffen sind potenziell Seenotretter*innen, aber auch andere humanitäre Organisationen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Geflüchtete selbst. 

Der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft darf nicht eingeschränkt werden. Die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe ist ein gefährlicher Trend, der gestoppt werden muss. Deshalb muss die Ausweitung des Paragraph 96 zurückgenommen und stattdessen eine Klausel zum Schutz der humanitären Hilfe in das Gesetz aufgenommen werden“ - Felix Braunsdorf, Experte für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland

Im Jahr 2023 hat sich die Zahl der Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute an Italiens Küsten ankommen, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. Dieser erhebliche Anstieg der Abfahrten in Verbindung mit dem Mangel an staatlichen Rettungskapazitäten hat zu mehr Booten in Seenot und zu mehr Schiffbrüchen geführt. Seit Anfang des Jahres kamen im zentralen Mittelmeer täglich durchschnittlich acht Menschen ums Leben oder werden vermisst. 

Der heute veröffentlichte Bericht „No one came to our rescue” illustriert anhand von Daten, die das Team der internationalen Hilfsorganisation auf dem Rettungsschiff Geo Barents gesammelt hat, zahlreiche Fälle, in denen europäische Küstenstaaten wissentlich das Leben von Menschen gefährdet haben. Auch beschreibt der Bericht das extreme Ausmaß an Gewalt, dem die Geflüchteten ausgesetzt sind.  

Zwischen Januar und September 2023 hat das Team von Ärzte ohne Grenzen 3.660 medizinische Untersuchungen auf der Geo Barents durchgeführt. Viele der Geretteten litten unter gesundheitlichen Problemen, die auf die unmenschlichen Lebensbedingungen während ihrer Gefangenschaft in Libyen zurückzuführen sind, wie etwa Hautinfektionen und unbehandelte Wunden. Darüber hinaus hatten 273 Patientinnen und Patienten schwerwiegende gewaltbedingte Verletzungen, darunter Narben von Schusswunden oder brutalen Schlägen, ungewollte Schwangerschaften aufgrund sexualisierter Gewalt sowie ein besorgniserregendes Ausmaß an psychischen Problemen wie Angstzustände, Albträume und Flashbacks.

Bericht: No one came to our rescue

Der Bericht "Niemand kam, um uns zu retten" ("No one came to our rescue") beleuchtet die Konsequenzen der europäischen Migrationspolitik im zentralen Mittelmeer.

Stellungnahme: Kriminalisierung von Seenotretter*innen verhindern!

Seenotrettung und humanitäre Hilfe dürfen in und von Deutschland nicht kriminalisiert und behindert werden. Hier finden Sie die gemeinsame Stellungnahme der 56 Organisationen.

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Daniela Zinser