Erhebung unter Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen in Gaza: Fast die Hälfte der Getöteten sind Kinder
Jerusalem/Berlin, 09. Juli 2025. Eine aktuelle Erhebung unter den Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen sowie deren Familien zeigt die erschütternde Sterblichkeitsrate infolge des Kriegs in Gaza – insbesondere unter Kindern. Die Ergebnisse stimmen mit den konfliktbezogenen Zahlen des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen überein. Im Vergleich zu den Schätzungen des Gesundheitsministeriums vor dem 7. Oktober 2023 war die Sterblichkeitsrate in der untersuchten Gruppe fünfmal höher. Bei Kindern unter fünf Jahren stieg die Sterblichkeit um das Zehnfache, bei Neugeborenen unter einem Monat war sie sechsmal so hoch.
Epicentre, die epidemiologische Forschungseinrichtung von Ärzte ohne Grenzen, hat diese retrospektive Mortalitätserhebung für den Zeitraum von Oktober 2023 bis März 2025 durchgeführt. Die Erhebung umfasst 2.523 Personen (Mitarbeitende und deren Familienangehörige). Mehr als zwei Prozent der Personen verstarben seit dem 7. Oktober 2023, sieben Prozent wurden verletzt. Drei Viertel der Todesfälle waren auf Kriegsverletzungen zurückzuführen, die überwiegende Mehrheit davon auf Explosionen.
Unter den durch Explosionsverletzungen getöteten Personen in den Haushalten von Kolleg*innen waren 48 Prozent Kinder, 40 Prozent davon unter zehn Jahren.
Die Ergebnisse dieser Erhebung beziehen sich ausschließlich auf Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen und deren Familien. Sie können nicht hochgerechnet und als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung angesehen werden. Tatsächlich lässt sich davon ausgehen, dass medizinisches Personal und deren Familien – auch jene von Ärzte ohne Grenzen – tendenziell besseren Zugang zu medizinischer Versorgung haben als der Großteil der Bevölkerung.
Die Missachtung von Kinderleben zeigt deutlich, dass der Krieg Israels in Gaza gegen alle Palästinenser*innen gerichtet ist. Die Verbündeten Israels müssen alles tun, um den Genozid zu stoppen, der sich direkt vor unseren Augen abspielt.
Amande Bazerolle, stellvertretende Leiterin der Notfallabteilung von Ärzte ohne Grenzen
Die Erhebung von Ärzte ohne Grenzen ergab eine Sterblichkeitsrate von 0,41 Todesfällen pro 10.000 Personen pro Tag in Gaza. Bei Kindern unter fünf Jahren liegt dieser Wert mit 0,70 deutlich höher. In 20 Prozent der Haushalte von Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen wurde mindestens ein Mitglied durch eine Explosion oder einen Schuss verletzt.
Die Studie zeigt auch eine Zunahme der Zahl jener Todesfälle, die nicht direkt auf Kriegsverletzungen zurückzuführen sind. Zwei Drittel der Personen mit chronischen Erkrankungen erlebten mindestens eine Unterbrechung ihrer Behandlung.
Dies ist das Ergebnis der gezielten Zerstörung des Gesundheitssystems und der Lebensgrundlagen der gesamten Bevölkerung durch die israelische Armee.
Zusätzlich hat Israel medizinische Evakuierungen auf ein Minimum reduziert. Laut Weltgesundheitsorganisation benötigen über 10.000 Menschen dringend medizinische und chirurgische Versorgung, die innerhalb Gazas nicht möglich ist.
Zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 25. Juni 2025 meldete das Gesundheitsministerium im Gazastreifen mindestens 56.156 getötete Palästinenser*innen und 132.239 Verletzte.
Die quantitativen Daten der Studie von Ärzte ohne Grenzen tragen dazu bei, das Ausmaß der Realität in Gaza sichtbar zu machen, und bestätigen andere vorhandene Informationen – ein Punkt, den auch Studienkoordinator Wendelin Moser von Epicentre unterstreicht: „Als wir die Namen der aufgrund von Gewalt getöteten Personen aus unserer Erhebung mit der Liste kriegsbedingter Todesfälle des Gesundheitsministeriums in Gaza verglichen haben, ergab sich eine Übereinstimmung von fast 90 Prozent. Das zeigt die Verlässlichkeit der offiziellen Zahlen zu den Todesfällen seit dem 7. Oktober“, so Moser.
Die Studie liefert zudem eindeutige Daten über das Ausmaß der Zerstörung in den Haushalten der Familien von Ärzte ohne Grenzen: Nur zwei Prozent der Haushalte blieben unbeschädigt. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren 59 Prozent der Häuser vollständig zerstört, 39 Prozent teilweise beschädigt, und 41 Prozent der Befragten lebten in Zelten.
Ärzte ohne Grenzen fordert die israelischen Behörden auf, die genozidale Kampagne gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza zu beenden und die Blockade für Lebensmittel, Treibstoff und medizinische und humanitäre Hilfsgüter umgehend aufzuheben. Die Organisation ruft die Verbündeten Israels dazu auf, die dringend notwendige medizinische Evakuierungen – insbesondere von Kindern – zu ermöglichen.
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