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Mangelernährung

Eine medizinische Notlage: Klimakrise, bewaffnete Konflikte und Kriege, führen zu Mangelernährungskrisen in vielen Ländern.
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Zwischen 713 und 757 Millionen Menschen waren im Jahr 2023 von Mangelernährung betroffen, was ungefähr einem von elf Menschen weltweit entspricht. Darüber hinaus sind derzeit etwa 2,33 Milliarden Menschen mit mittlerer bis schwerer Nahrungsknappheit konfrontiert – eine Situation, die sich seit dem starken Anstieg im Jahr 2020 während der COVID-19-Pandemie, kaum verbessert hat. Mangelernährung tritt oft in Wechselwirkung mit anderen Infektionskrankheiten auf und ist auf diese Weise für jeden zweiten Todesfall von Kindern unter fünf Jahren mitverantwortlich. 

Mangelernährung ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der dringend behandelt werden muss. Kinder, die von akuter oder chronischer Mangelernährung betroffen sind, haben oft ein Leben lang mit deren Folgen zu tun, denn die entstehenden Lücken in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung sind irreversibel.

Image
Mangelernährung Grafik
© MSF

Aktuelle Ernährungskrise

Im Laufe des vergangenen Jahres standen wir vor der Herausforderung, auf die alarmierende Zunahme von Mangelernährung zu reagieren. Ärzte ohne Grenzen setzte Teams in Krisengebieten wie Nigeria, Äthiopien, Angola, Jemen, der Demokratischen Republik Kongo, Afghanistan und Burkina Faso ein. Die Ursachen der Mangelernährung sind vielfältig und reichen von Konflikten, die die Nahrungsversorgung stören, über Missernten und steigende Lebensmittelpreise bis hin zu unzureichender Unterstützung für Vertriebene. In den betroffenen Regionen sind es dann meist die besonders Gefährdeten – Kinder, Schwangere, stillende Mütter, Kranke oder ältere Menschen –, die chronisch oder akut mangelernährt sind.

3,1 Milliarden

Menschen konnten sich im Jahr 2021 keine ausgewogene und gesunde Ernährung leisten, was das Ausmaß der globalen Ernährungsunsicherheit verdeutlicht.

2,4 Milliarden

Menschen waren im Jahr 2022 von mittlerer bis schwerer Nahrungsmittelknappheit betroffen, ein klares Zeichen dafür, dass die globale Nahrungsmittelversorgung weiterhin labil ist.

23,2 Prozent

der Menschen südlich der Sahara sind im Jahr 2023 von Nahrungsmittelknappheit betroffen, was diese Region zur am stärksten betroffenen weltweit macht.

Unsere weltweite Hilfe gegen Mangelernährung  

  • An Projektstandorten überwachen wir die Ernährungslage und erheben regelmäßig den Ernährungsstatus von Patient*innen 
  • Wir behandeln Kinder und Erwachsene bei Mangelernährung stationär und in ambulanten Ernährungsprogrammen. 
  • Wir versuchen, Mangelernährungskrisen zu verhindern, indem wir vorbeugend  therapeutische Fertignahrung an Familien ausgeben. 
  • Unsere Erfahrungen im Umgang mit Mangelernährung und die von uns gesammelten medizinischen Daten bringen wir in die Forschung zum Thema ein: Wir haben Artikel in mehr als 100 Fachzeitschriften veröffentlicht, die oftmals die klinische Praxis verändert haben und für die humanitäre Lobbyarbeit genutzt wurden. 
Niger, 2022: Unser medizinisches Team in Madarounfa erklärt, wie wir Mangelernährung behandeln.
Niger, 2022: Projektkoordinator Cheick Aboubakar Traore erläutert die Ursachen von Mangelernährung im Niger.

Wissenswertes über Mangelernährung

Wie entsteht Mangelernährung?

Eine Mangelernährung entsteht, wenn Kohlenhydrate, Proteine, Fette und wichtige Mikronährstoffe gar nicht, unzureichend, im Übermaß oder nicht im richtigen Verhältnis zueinander mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden. Verschiedene Ursachen können dazu führen, dass Menschen eine Mangelernährung entwickeln: 

  • Armut (vor allem in ärmeren Ländern) und bewaffnete Konflikte 
  • Kau- und Schluckbeschwerden 
  • Krebs 
  • einseitige oder falsche Ernährung 
  • Depression 
  • soziale Isolation z.B. im Alter 

Zu den Mikronährstoffen zählen Vitamine und Mineralien. Sie ermöglichen es dem Körper, Enzyme, Hormone und andere Substanzen zu produzieren, die für ein gesundes Leben und eine gesunde Entwicklung des kindlichen Organismus notwendig sind. Da Kinder und Jugendliche bis zum Alter von etwa 20 Jahren wachsen, ist ihr Organismus auf eine regelmäßige und ausreichende Versorgung mit Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen angewiesen. Fehlen Kindern und Jugendlichen über einen längeren Zeitraum hinweg ausreichend Energie und Nährstoffe, hat das gravierende Folgen für deren körperlich und kognitive Entwicklung. 

Mangelernährung ist selten ein isoliertes Problem. Kinder mit einer chronischen oder wiederkehrenden Mangelernährung leben meist in einem Umfeld, das durch zusätzliche Probleme gekennzeichnet ist. Dazu zählen: 

  • schlechte sozioökonomische Bedingungen 
  • eine schlechte Gesundheit der Mutter 
  • eine ungesunde oder unzureichende Ernährung der Mutter 
  • eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten (Mangelernährung ist bei Kindern nachweislich für mehr Krankheiten verantwortlich als jede andere Ursache) 
  • eine unangemessene, ungesunde oder unzureichende Ernährung 
  • eine unangemessene Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern im frühen Alter 
  • Vorkommen von Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen, Erdbeben 
  • Unstete Lebensbedingungen durch Bevölkerungswachstum, Diskriminierung, Kriege, Flüchtlingsbewegungen 

Welche Folgen hat eine chronische Mangelernährung?

Insbesondere für Kinder kann eine chronische Mangelernährung gravierende Folgen haben. Sie wirkt sich langfristig massiv auf ihre weitere Entwicklung aus: 

  • Es kommt zu einem Mangel an lebenswichtigen Vitaminen und Mineralstoffen. 
  • Das Längenwachstum gerät ins Stocken. 
  • Das Körpergewicht wird geringer. 
  • Die Anfälligkeit für Krankheiten wie Durchfall und andere Infektionserkrankungen nimmt deutlich zu. 
  • Die physischen und kognitiven Potentiale können nicht ausgeschöpft werden. 
  • Das Risiko zu sterben steigt. 

Chronische Mangelernährung bringt – im globalen Zusammenhang gesehen – auch oft Probleme für ganze Gesellschaften mit sich. Denn eine Mangelernährung: 

  • erhöht die Kosten für die Gesundheitsversorgung 
  • verringert die Produktivität 
  • verlangsamt das Wirtschaftswachstum 

Wer ist besonders gefährdet von Mangelernährung betroffen zu sein?

In nahezu jedem Land gibt es Menschen, die an einer Mangelernährung leiden. Die Mangelernährung trifft sie in vielen verschiedenen Lebenslagen. Prinzipiell zählen zu den am meisten gefährdeten Gruppen: 

  • Kinder unter fünf Jahren 
  • Jugendliche 
  • Schwangere 
  • stillende Frauen 
  • ältere Menschen 
  • chronisch Kranke 
  • Geflüchtete 

Was sind die größten Risiken, die zur Entstehung von Mangelernährung führen?

Alter und Armut sind zwei Faktoren, die das Risiko von Mangelernährung für einen Menschen am stärksten beeinflussen: 

Im Hinblick auf das Alter ist besonders der Anfang des Lebens (Kleinkinder) und das Ende (ältere Menschen) risikoreich: Das kritische Alter für Kinder liegt zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Denn in diesem Alter stillen viel Mütter nicht mehr ausschließlich, sondern füttern zu. Muttermilch enthält die natürliche, nötige Zusammensetzung an Energie und allen Mikronährstoffen. Bei Zusatznahrung ist diese Voraussetzung oft nicht gegeben. Zudem besteht neben einer potenziell ungenügenden Zusammensetzung immer das Risiko, dass die Mütter – vor allem in Ländern des Globalen Südens – nicht genug Zusatznahrung für ihre Babys bekommen. Ab dem Zeitpunkt der Zufütterung ist die Gefahr der Mangelernährung daher deutlich erhöht. 

Das erhöhte Risiko für ältere Menschen ist zurückzuführen auf die Lebenssituation: Ältere Menschen leben oft sozial isoliert, sind häufiger chronisch krank und mitunter körperlich oder geistig eingeschränkt, so dass sie sich oft nicht mehr um eine tägliche ausgewogene Ernährung kümmern können. 

Wer arm ist, ist den Risiken der verschiedenen Formen der Mangelernährung weltweit weitaus stärker ausgesetzt als Menschen, die genug Geld haben, um sich ausgewogen zu ernähren und die sozial und finanziell eingebunden sind. Armut verschärft also das Risiko des Einzelnen für eine Mangelernährung immens. 

Welche Symptome haben Menschen, die mangelernährt sind?

Eine Mangelernährung entwickelt sich nicht über Nacht, sondern setzt eine längere Zeit der unzureichenden Versorgung mit Energie, Protein, Fetten und Nährstoffen voraus. Da Nährstoffe unzählige Funktionen überall im Körper erfüllen, zeigt sich eine Mangelernährung dann mit vielen unterschiedlichen, teils auch unspezifischen Symptomen. Die Folgen der Mangelernährung sind je nachdem, welche Substanzen fehlen, unterschiedlich. 

Mangel an Kohlenhydraten: 

  • Kopfschmerzen 
  • Kreislaufstörungen 
  • mangelnde Konzentrationsfähigkeit 
  • Sehstörungen 
  • Gewichtsverlust 

Mangel an Eiweißen: 

  • Schwächung des Immunsystems 
  • Abbau an Muskelmasse 
  • Gewichtsverlust 
  • Eisenmangel 
  • Blutarmut 
  • Blasse, trockene Haut 
  • Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung 

Mangel an Mikronährstoffen: 

  • Schwächegefühl 
  • Müdigkeit 
  • Antriebsarmut 
  • Gewichtsverlust 
  • Appetitlosigkeit mit weiterer Mangelernährung 
  • Abbau der Skelettmuskulatur 
  • Verlust an Muskelkraft 
  • Störungen im Bewegungsablauf 
  • Erhöhtes Risiko für Stürze und Knochenbrüche 
  • Abnahme der Herzmuskelmasse und der Pumpkraft 
  • Herzrhythmusstörungen 
  • Atemstörungen 
  • Geschwächtes Immunsystem 
  • Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen 
  • Verzögerte und gestörte Wundheilung 
  • Erhöhtes Risiko für Druckgeschwüre 
  • Neurologische Störungen wie Demenz 

Mangel an Jod:  

  • Vergrößerte Schilddrüse 
  • Bei Kleinkindern: Gehirnschäden und irreversiblen Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung 
  • In schweren Fällen: körperliche und geistige Unterentwicklung und Taubstummheit. 

Mangel an Eisen: 

  • Blutarmut 

Mangel an Vitamin A 

  • Nachtblindheit 
  • Augenödeme 
  • In extremen Fällen: Erblindung 
  • Der Verlauf von Krankheiten wie Masern, Durchfall und Atemwegsinfektionen verschlimmert sich durch den Vitamin A-Mangel, die Sterblichkeitsrate ist erhöht. 

Warum ist Mangelernährung eine klimasensible Erkrankung? 

Eine direkte Folge von Wasserknappheit, Dürre und Ernährungsunsicherheit kann Mangelernährung sein. Nachdem die Zahl der an Mangelernährung leidenden Menschen ein Jahrzehnt lang stetig zurückgegangen war, nimmt sie seit einigen Jahren wieder zu. 

Während die Gründe dafür durchaus vielfältig sind - bewaffnete Konflikte, ökonomische Krisen und großflächige Krankheitsausbrüche – verstärkt die Klimakrise humanitäre Notlagen und Ernährungsunsicherheit um ein Vielfaches: Regen bleibt in vielen Regionen immer häufiger aus und ehemals verlässliche Muster, wie etwa Beginn und Dauer des Monsuns, verändern sich stark. Die Konsequenzen sind Trockenheit und ausbleibende Ernten oder auch Extremwetterereignisse wie Stürme und Überschwemmungen, die Ernten zerstören und Vieh vernichten.   

Weitere Informationen auf unserer Themenseite: Klimasensible Krankheiten.  

Wie wird Mangelernährung diagnostiziert?

Eine Mangelernährung lässt sich anhand vieler verschiedener Faktoren feststellen. Aus Mangel an zuverlässigen messbaren Indikatoren kann der Ernährungszustand  einer ganzen Bevölkerungsgruppe aber immer nur geschätzt werden. Dazu werden Faktoren herangezogen wie 

  • Nahrungsmittelverzehrmenge 
  • Nährstoffversorgung 
  • Ernährungsstatus 
  • Kindersterblichkeit 

Um den Ernährungszustand bei Kindern festzustellen, befragen die Ärzt*innen die Eltern zunächst ausführlich zu den Ernährungsgewohnheiten. Danach führen sie eine fundierte körperliche Untersuchung der Kinder durch. Verschiedene Parameter geben einen Überblick über die Ernährungssituation eines Menschen: 

  • Körpergröße 
  • Körpergewicht 
  • Body-Mass-Index (BMI): Dieser Wert ergibt sich, wenn das Körpergewicht (kg) durch das Quadrat der Körpergröße (qm) geteilt  wird. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge liegt bei einem BMI von weniger als 18,5 kg/qm eine Mangelernährung vor.  
  • Messung der Oberarmweite mithilfe des sogenannten MUAC-Bands: MUAC (Mid-Upper Arm Circumference) bezeichnet den mittleren Oberarmumfang. Mithilfe des speziellen MUAC-Maßbands wird der Ernährungszustand von Kindern zwischen sechs Monaten und fünf Jahren gemessen. Ärzt*innen legen dabei das Band um den Oberarm der Patient*innen, ziehen das Ende durch den dafür vorgesehenen Schlitz und lesen den Umfang ab. Je nach Oberarmumfang zeigt die Farbskala des Bandes eine andere Farbe an: Rot (< 11,5 cm): akute Mangelernährung. Orange (11,5-12,5 cm): Mangelernährung. Gelb (12,5-13,5 cm): Gefahr für Mangelernährung. Grün (>13,5 cm): normaler Ernährungszustand 

Wie wird Mangelernährung behandelt?

Die Therapie einer Mangelernährung kann mehrere Monate andauern und bei schweren Formen einen stationären Aufenthalt der Patient*innen auf einer Intensivstation erfordern. Die meisten Betroffenen werden heute ambulant und zu Hause behandelt – und dann zu Folgeterminen in eine Klinik bestellt. Diese Strategie führt bei mehr als 90 Prozent der Patient*innen zu einem normalen Ernährungsstatus und der Entlassung aus einer stationären Behandlungssituation. 

Basis der Therapie der Mangelernährung ist meist eine therapeutische Fertignahrung (Ready To Use Therapeutic Foods, RUTF). Diese besteht aus Pasten auf Erdnussbasis, die einen hohen Nährstoff- und Proteingehalt haben und somit viel Energie liefern. Mit RUTF können heute Millionen Kinder mit Mangelernährung, die älter als sechs Monate sind, aber noch keine medizinischen Komplikationen haben, ambulant behandelt werden. 

Die therapeutische Fertignahrung ist unkompliziert und 

  • wird verbrauchsfertig produziert, 
  • muss nicht gekühlt oder gekocht werden, 
  • kann umgehend verzehrt werden, 
  • enthält kein Wasser: Das Risiko, dass mit der Nahrung neue, zum Beispiel bakterielle Erreger übertragen werden, ist somit deutlich reduziert. 

Bei Mangelernährung sind mehrere kleine Mahlzeiten im Tagesverlauf sinnvoller als drei große. Die Patient*innen sollten zudem ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Mitunter lässt sich eine schwere Mangelernährung auch nur durch eine bilanzierte Trinknahrung beheben. Diese enthält alle lebensnotwendigen Nährstoffe in ausreichenden Mengen und kann sowohl zur alleinigen Ernährung als auch ergänzend zur normalen Kost eingesetzt werden. 

Wie lässt sich Mangelernährung vorbeugen?

Die Ernährungssituation einer bestimmten Bevölkerungsgruppe hängt maßgeblich mit dem Zugang zu ausreichend Nahrungsmitteln zusammen. Dieser Zugang ist in vielen Regionen auch von saisonalen Bedingungen wie zum Beispiel der Regenzeit abhängig.  

Abhängig vom Klima können saisonale Nahrungsmittelengpässe - sogenannte hunger gaps –  entstehen: Das ist die heikle Zeit, in der die Nahrungsmittelvorräte aufgebraucht sind und man darauf wartet, dass die neue Ernte eingebracht wird. In manchen Regionen, wie etwa im Sahel, geschieht dies jährlich. 

Wir führen daher auch Projekte zur Prävention von Mangelernährung durch: Unsere Teams richten vor der Regenzeit Ambulanzen ein. In Gegenden beispielsweise in Afrika und Asien, wo mit schweren Verläufen von Mangelernährung zu rechnen ist, verteilen unsere Teams außerdem Nahrungsergänzungsmittel an gefährdete Kinder. 

In welchen Einsatzländern behandelt Ärzte ohne Grenzen Mangelernährung?

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