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Was man über die Situation im südlichen Gazastreifen wissen sollte

Fünf Dinge, die man über die Situation im südlichen Gazastreifen wissen sollte

Infolge des Krieges, der Anfang Oktober zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen ausgebrochen ist, haben die israelischen Streitkräfte die Menschen dort wiederholt dazu gedrängt, den Norden zu verlassen und in den Süden zu gehen. Derzeit ist die humanitäre Lage im Süden des Gazastreifens katastrophal und unsicher. Nach Angaben der UN sind mehr als 1,8 Millionen Menschen wegen der intensiven Bombardierungen und Kämpfe vertrieben worden - rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung. Rund eine Million Menschen mussten in den Süden fliehen, wo die Lebensbedingungen bereits vor dem aktuellen Konflikt desolat waren.

Im Folgenden finden Sie fünf Punkte zur aktuellen Situation im südlichen Gazastreifen.

1. Den Menschen fehlt es am Nötigsten

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen berichten von Menschen, die für Lebensmittel, Wasser und Gas zum Kochen Schlange stehen. Obwohl mehrere Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gebracht wurden, ist der Bedarf nach wie vor sehr groß. Es fehlen unter anderem Matratzen, warme Kleidung für den Winter, Decken und vieles mehr.

Da der Gazastreifen von der Stromversorgung abgeschnitten ist und die Treibstoffreserven erschöpft sind, mussten nach und nach alle lebenswichtigen Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung, die Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie die Kommunikationsinfrastruktur heruntergefahren werden. Die Menschen im Gazastreifen haben keinen ausreichenden Zugang zu essentiellen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser, Unterkünften und zu medizinischer Versorgung.  

2. Die wenigen funktionierenden medizinischen Einrichtungen sind überlastet

Im südlichen Gazastreifen sind laut Vereinten Nationen derzeit nur acht von elf Gesundheitseinrichtungen in Betrieb (Stand 26.11.2023) – sie nehmen derzeit weit mehr Menschen auf als normalerweise. Es mangelt an Material, Ressourcen, Wasser und Strom. Auch der Platzmangel ist ein Problem, da die Krankenhäuser zu einem Zufluchtsort für Tausende Menschen geworden sind.

Das Gesundheitssystem im Gazastreifen hat nicht die Kapazitäten, um mit der aktuellen Situation fertig zu werden. Die Krankenhäuser sind mit der hohen Zahl an Patient*innen, die dringend medizinische Hilfe benötigen, überlastet." -Marie-Aure Perreaut, Notfallkoordinatorin für Ärzte ohne Grenzen in Gaza.

Im Martyrs-Gesundheitszentrum in Chan Junis, wo Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten, ist die Zahl der Konsultationen beispielsweise pro Tag von etwa 250 auf etwa 1.000 gestiegen. In anderen Krankenhäusern, die die Teams besucht haben, gibt es keine Betten mehr. Die Patient*innen liegen auf den Fluren und warten auf ihre Behandlung. 

3. Die extrem hohe Bevölkerungsdichte hat gesundheitliche Folgen

Der Gazastreifen ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Etwas mehr als zwei Millionen Menschen leben im Gazastreifen auf einer Fläche von 365 Quadratkilometern. Da viele Menschen in ein kleines Gebiet im Süden des Gazastreifens fliehen mussten, hat sich die Bevölkerungsdichte hier noch weiter erhöht. Eine Million Menschen leben auf relativ engstem Raum Sie können nicht weiter fliehen und sind komplett auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die schrecklichen Lebensbedingungen gefährden die Gesundheit der Menschen.  

„Wir beobachten eine zunehmende Zahl von Kindern und Frauen mit Verletzungen, die sie sich in ihrem direkten Umfeld zugezogen haben, meist durch Verbrennungen und andere Erkrankungen“, sagt Perreaut. „Diese Verletzungen verdeutlichen die prekären Lebensbedingungen und die Überbelegung der Unterkünfte und Lager.“ 

Eine so hohe Bevölkerungsdichte, wie sie derzeit im Süden herrscht, stellt ein Risiko für übertragbare Krankheiten dar. Die Menschen leben auf engstem Raum, es mangelt an Wasser und sanitären Einrichtungen. Es gibt kein Präventions- und Überwachungssystem, all das erhöht das Risiko für die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera und Masern.  

Heute hatten wir einen Fall von Komplikationen im Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung in Kombination mit Infektionen, die durch Viren und Bakterien ausgelöst werden. Viele Menschen sind aufgrund  der Lebensbedingungen in Unterkünften wie Schulen von gesundheitlichen Problemen solcher Art betroffen“ - Jameel Awad Allah, Krankenpfleger von Ärzte ohne Grenzen im Martyrs-Gesundheitszentrum. 

4. Der Bedarf an Behandlung von Kriegsverletzungen und psychologischer Versorgung ist überwältigend

Im Martyrs-Gesundheitszentrum führen unsere Teams ambulante Konsultationen und Wundversorgung durch, meist von durch Explosionen verursachte oder infizierten Wunden. Unsere Teams übernehmen auch die Triage und die Überweisungen von Patient*innen mit chirurgischem Bedarf an das Al-Nasser-Krankenhaus. Die Krankenhäuser, die noch in Betrieb sind, sind überfüllt mit Patient*innen.  

„Die meisten Fälle, die wir hier bekommen, sind auf den Krieg zurückzuführen, auf Schrapnelle oder Knochenbrüche“, sagt Awad Allah im Martyrs-Gesundheitszentrum. „Wir haben auch Fälle von Verbrennungen.“ 

Zusätzlich gibt es Bedarf an Gesundheitsversorgung in den Bereichen Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung, Allgemeinmedizin und insbesondere psychologischer Unterstützung. In Chan Junis bieten wir psychosoziale Versorgung für Kinder und Frauen an. 

„Wir bieten allen Menschen, die hier sind, psychologische Unterstützung an, insbesondere den Binnenvertriebenen“, sagt Marwa Abu Al Nour, Psychologin von Ärzte ohne Grenzen. „Die häufigsten Probleme, die ich bei Kindern sehe, sind Albträume, Bettnässen, Unruhe und Angst. Wir versuchen so viel wie möglich, sie durch Freizeitaktivitäten zu unterstützen.“ 

5. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen sind im gesamten südlichen Gazastreifen im Einsatz

Derzeit sind die Teams von Ärzte ohne Grenzen in zwei Krankenhäusern im Süden des Gazastreifens aktiv, dem Nasser und dem Al-Aksa Krankenhaus, sowie in Chan Junis im Martyrs-Gesundheitszentrum und dem Beni-Suhaila- Gesundheitszentrum. 

Im Nasser-Krankenhaus stellen die Teams eine Notfallversorgung bereit und bieten chirurgische Behandlungen an, auch für Patient*innen mit traumatischen Verletzungen und schweren Brandverletzungen. Zudem unterstützen die Teams die Notaufnahme und die Intensivstation. Im Al-Aksa-Krankenhaus unterstützen unsere Teams das Krankenhauspersonal. Sie wechseln Wundverbände und bieten ambulante Konsultationen für Patient*innen mit Verletzungen infolge von Explosionen und Verbrennungen. 

Im Martyrs-Gesundheitszentrum bieten die Teams ambulante und psychologische Sprechstunden an und im Beni-Suhaila-Gesundheitszentrum eine medizinische Grundversorgung, die z.B. das Versorgen von Wunden umfasst.

Palästinensische Gebiete

Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Wir können nur eingeschränkt helfen und sorgen uns um den Schutz und die Gesundheit der Bevölkerung.