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Libyen

Ärzte ohne Grenzen fordert sofortige Evakuierung von Flüchtlingen und Migranten

Tripolis/Berlin, 7. September 2018. Tausende Flüchtlinge und Migranten in den Internierungslagern in Libyen müssen sofort freigelassen und aus dem Land in Sicherheit gebracht werden. Das fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen angesichts neuer Kämpfe und eines anschließenden brüchigen Waffenstillstands in Tripolis.

„Mehrere Internierungslager in Tripolis liegen direkt an der Frontlinie. Dort sind noch immer Tausende gefangen“, sagt Ibrahim Younis, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen für Libyen. „Es besteht eine reelle Gefahr vieler Toter als Folge von willkürlichem Beschuss und Artilleriefeuer. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser ist zusammengebrochen. Nur vereinzelt erreichen Vorräte noch die Lager. Die medizinische Versorgung ist vollkommen ungenügend, da sie zum größten Teil von internationalen Organisationen geleistet wurde, die nun ihre Hilfe wegen der Unsicherheit aussetzen mussten.“

Tripolis ist seit vergangener Woche zum Schauplatz der heftigsten Kämpfe seit Jahren geworden. Mehr als 60 Menschen wurden nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums getötet und Hunderte verletzt, meistens Zivilisten. Auch Häuser von libyschen Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen wurden getroffen. Schon vom ersten Tag der Kämpfe an war es den Teams unmöglich, zu einigen Internierungslagern zu gelangen. Die Kampfhandlungen fanden in unmittelbarer Nähe eines der größten Lager mit 700 Menschen statt. Als die Kämpfe sich ausweiteten, waren die Teams von vier weiteren Internierungslagern abgeschnitten, wo sie bis dahin Menschen in mobilen Kliniken behandelt hatten. Als Folge der Gewalt musste Ärzte ohne Grenzen die reguläre medizinische Hilfe aussetzen und das Team reduzieren. Derzeit kann die Organisation lediglich Notfall-Überweisungen an Krankenhäuser sowie einzelne Verteilungsaktionen von Lebensmitteln, Wasser und Hygieneartikeln durchführen. Nur außerhalb von Tripolis, um Misrata, Khoms und Sliten, kann die medizinische Hilfe fortgeführt werden.

„Es geht darum, Menschenleben zu retten.“

Internationale Organisationen haben in der vergangenen Woche etwa 300 Flüchtlinge aus dem akut von den Kämpfen gefährdeten Lager Ain Zara in Tripolis herausgebracht. Sie wurden aber nur in das ein paar Kilometer entfernte Lager Abu Salim verlegt, das ebenfalls ins Schussfeld geriet. „Die Menschen innerhalb der Kampfzone von einem Internierungslager in ein anderes zu bringen, hat mit einer Evakuierung nichts zu tun. Es ist sicherlich keine Lösung“, sagt Younis. „Es gibt alle Ressourcen und Mechanismen, um diese Menschen in Drittstaaten zu bringen, wo ihre Asylgesuche oder ihre Bitten um Rückkehr in ihr Heimatland ordnungsgemäß bearbeitet werden können. Das muss jetzt sofort geschehen. Es geht darum, Menschenleben zu retten.“

In den Internierungslagern in Libyen werden Flüchtlinge und Migranten willkürlich festgehalten. Darunter befinden sich auch viele, die von der EU-finanzierten libyschen Küstenwache auf dem Mittelmeer aufgegriffen und in diese Lager zurückgezwungen wurden. „Unter aktiver Mithilfe der deutschen Regierung und ihrer europäischen Partner werden Tausende Menschen, die der Gewalt, Folter und willkürlichen Haft in Libyen zu entkommen versuchen, genau in dieses Konfliktgebiet zurückgebracht“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Anstatt sich endlich um den Schutz und die Versorgung dieser verwundbaren Menschen zu kümmern, ist die Bundesregierung mitverantwortlich, dass sie in dieser katastrophalen Situation feststecken. Angesichts der sich verschärfenden Lage in Libyen kann die Bundesregierung ihre Augen nicht länger verschließen. Wir fordern die Bundesregierung mit Nachdruck dazu auf, sich für eine sofortige Evakuierung der Internierungslager einzusetzen. Gleichzeitig sollte sie anbieten, zumindest einige der Menschen nach Deutschland in Sicherheit zu bringen.

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Daniela Zinser