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Libyen

Ärzte ohne Grenzen fordert Stopp der illegalen Rückführungen ins Konfliktgebiet – neue Fluchtbewegung über das Mittelmeer

Berlin, 16. Januar 2020. Vor der Libyen-Konferenz in Berlin am Sonntag fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen von Bundesregierung und EU, die Politik des illegalen Zurückbringens von Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer in das Konfliktgebiet sofort zu beenden. Allein in den ersten beiden Wochen 2020 hat die EU-unterstützte libysche Küstenwache nach Angaben der „International Organisation for Migration“ (IOM) fast 900 Bootsflüchtlinge nach Libyen zurückgezwungen, weitere 60 wurden von einem Handelsschiff zurückgebracht. Gleichzeitig kam es in Tripolis zu Kämpfen. Ärzte ohne Grenzen leistet seit 2016 medizinische Nothilfe in Internierungslagern in Libyen.

„Vor zwei Jahren hat die Weltöffentlichkeit schockiert auf die Bilder einer Versteigerung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen reagiert – seit fast einem Jahr gibt es in Tripolis sogar Kämpfe und Luftangriffe. Trotzdem unterstützen die Bundesregierung und EU sogar das illegale Zurückbringen verletzlicher Menschen ins Krisengebiet“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Libyen ist nicht sicher. Flüchtlinge und Migranten sind dort in akuter Gefahr, ausgebeutet, misshandelt, vergewaltigt und bombardiert zu werden. Wir erwarten von der Bundesregierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die skandalöse Politik des Zurückbringens nach Libyen sofort zu beenden, die Unterstützung für die libysche Küstenwache auszusetzen und jetzt ihren eigenen humanitären Beitrag zu leisten, indem die am stärksten in Not befindlichen Menschen, die in Libyen festsitzen, auch nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden.“

Die aktuellen Kämpfe in Tripolis haben zu einer neuen Fluchtwelle über das Mittelmeer geführt. Allein zwischen Donnerstag und Samstag vergangener Woche haben mehr als 1.100 Schutzsuchende die Überfahrt gewagt. Die allermeisten wurden zurückgebracht. Mehr als 200 wurden von NGO-Schiffen von Sea-Watch und Open Arms gerettet. Die von Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee betriebene „Ocean Viking“ ist derzeit das einzige Rettungsschiff in der Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer. 

Gleichzeitig sind die Evakuierungsflüge aus Libyen praktisch zum Erliegen gekommen. Seit der Ankündigung eines Aufnahmekontingents für 300 Schutzsuchenden in Deutschland durch Angela Merkel vor acht Monaten sind ganze neun Personen aus Libyen in Deutschland angekommen. Das UNHCR hat auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Migranten in den offiziellen Internierungslagern registriert, deren Verwandte auf Familienzusammenführung nach Deutschland warten. 

Die Situation von Flüchtlingen und Migranten in Libyen ist nach wie vor katastrophal. Tausende werden willkürlich in offiziellen Internierungslagern unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten, die unter offizieller Kontrolle der von der Bundesregierung und der EU unterstützten Regierung in Tripolis stehen. Sie sind in akuter Gefahr, erneut in den Kreislauf von brutaler Gewalt, und Ausbeutung in Libyen zu geraten oder bombardiert zu werden, wie im Internierungslager Tadschura im Juli, wo mindestens 53 Menschen starben. Ärzte ohne Grenzen leistet lebensrettende medizinische Hilfe in offiziellen Lagern in Khoms, Tripolis, Sintan und Suwara, hat aber nur eingeschränkten Zugang. Zudem versorgen Teams Flüchtlinge und Migranten, die aus den illegalen Menschenhändler-Gefängnissen in Bani Walid fliehen konnten und dort extremer Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt waren.

Sogar für die Überlebenden des Luftangriffs auf das Internierungslager Tadschura ist die Fahrt über das Mittelmeer weiterhin die einzige Fluchtmöglichkeit. Überlebende, die zuletzt von der „Ocean Viking“ gerettet wurden, berichteten den Teams an Bord, bei dem Angriff seien möglicherweise deutlich mehr als die offiziell bestätigten 53 Menschen ums Leben gekommen. Weitere Informationen dazu finden Sie hier (EN).

Einen aktuellen Überblick über die katastrophale Situation von Schutzsuchenden in Libyen und die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen finden Sie hier (EN).

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Stefan Dold
- Pressestelle