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Griechenland

Moria: Ärzte ohne Grenzen fordert sofortige Evakuierung der 12.000 obdachlosen Flüchtlinge aus Lesbos

Berlin/Athen, 09.09.2020. Nach dem Großbrand im EU-Hotspot Moria fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, alle 12.000 obdachlosen Asylsuchenden von der Insel Lesbos zu evakuieren.

„Es reicht. Als Ärzte ohne Grenzen fordern wir die griechischen Behörden auf, unverzüglich einen Notfallplan zu entwickeln und alle diese Menschen an einen sicheren Ort auf dem Festland oder in andere europäische Länder zu bringen. Die Bundesregierung, die aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat, muss dafür sorgen, dass diese lebensgefährdenden Zustände in EU-Hotspots ein für alle Mal beendet werden“, sagt Marie von Manteuffel, Expertin für Flüchtlingspolitik bei Ärzte ohne Grenzen. „Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hatte, dass die derzeitige europäische Abschottungspolitik nur zu Verzweiflung und Spannungen führt, dann ist er hiermit erbracht. Seit Monaten wurde ein Lockdown ausschließlich für die Flüchtlingscamps immer wieder verlängert und nun noch einmal verschärft, während es nach wie vor an einer echten, wirksamen Präventionsstrategie für die vielen dort festgehaltenen Menschen fehlt. Die Asche von Moria ist Zeugnis einer verfehlten Politik, die Verzweiflung und Elend bewusst schürt und zur Abschreckung missbraucht. Wir können nur hoffen, dass auf dieser Asche nicht von Neuem ein System der Abschreckung aufgebaut wird.”

„Wir haben gesehen, wie sich das Feuer in Moria ausgebreitet und die ganze Nacht gewütet hat“, sagt Marco Sandrone, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos. „Alles stand in Flammen und wir konnten eine Massenflucht von Menschen beobachten, die ziel- und hilflos diese brennende Hölle zu verlassen versuchten. Kinder waren zutiefst verängstigt und Eltern im Schockzustand. Wir sind erleichtert, dass es offenbar keine Todesopfer gegeben hat und arbeiten nun daran, die bestmögliche Versorgung und Unterstützung bereitzustellen.”

Die Menschen flohen vor dem Feuer in Richtung der Inselhauptstadt Mytilini, wurden aber unterwegs angehalten. Aktuell sind also ungefähr 12,000 Menschen ohne Anlaufstelle auf der Straße und viele von ihnen suchen nun Schutz in den umliegenden Bergen. Teams von Ärzte ohne Grenzen haben heute einige leichte Verletzungen wie Verbrennungen an den Händen behandelt. Sie verschaffen sich aktuell einen Überblick über die dringendsten Bedürfnisse der Geflüchteten. Gleichzeitig sind sie mit den Behörden in Kontakt, um die künftige Hilfe abzustimmen. Die Priorität muss ein sicherer Aufenthaltsort für die Menschen sein.

Die Kinderklinik von Ärzte ohne Grenzen am Rande des Lagers Moria wurde glücklicherweise von dem Feuer verschont. Mitarbeiter hielten sich die Nacht über in der Einrichtung auf und versuchten, die Klinik zu schützen. Dennoch mussten die Teams die medizinische Hilfe dort vorübergehend unterbrechen, arbeiten aber daran, die Einrichtung so schnell wie möglich wieder zu öffnen.

Ärzte ohne Grenzen protestiert seit 2016 gegen den EU-Türkei-Deal, der für das Festhalten von Asylsuchenden in den überfüllten Lagern verantwortlich ist, die nicht einmal humanitäre Mindeststandards erfüllen. Seit Monaten drängt die Organisation die griechischen Behörden, angemessene Maßnahmen gegen Covid-19 in Moria zu ergreifen, die auf Kooperation mit den Bewohnern aufbauen und die Würde von Kranken und Infizierten wahrt. Die griechischen Behörden haben versagt, einen solchen Maßnahmenplan zu entwickeln. Doch auch die EU und die anderen EU-Mitgliedsstaaten - darunter besonders Deutschland, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat – haben jegliche Verantwortung zurückgewiesen und fast nichts getan, um die Situation zu lösen.

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Christina Böhrer