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Bangladesch

Covid-19-Maßnahmen verschärfen die Lage der Rohingya – Ärzte ohne Grenzen kritisiert unzureichende Versorgung auf der Flüchtlingsinsel Bhasan Char

Im größten Flüchtlingslager der Welt in Bangladesch haben sich die Lebensbedingungen der aus Myanmar geflohenen Rohingya im vergangenen Jahr durch die Abschottungsmaßnahmen gegen Covid-19 stark verschlechtert. Die Lager wurden mit Stacheldraht eingezäunt, die Rohingya haben noch weniger Möglichkeiten, die Camps zu verlassen, und auch die Präsenz von Hilfsorganisationen wurde eingeschränkt. Derzeit leben rund 860.000 geflüchtete Rohingya in Bangladesch, die meisten von ihnen in einem der 26 Flüchtlingslager im Distrikt Cox’s Bazar, die zusammen das sogenannte „Mega-Camp“ bilden. 14.000 Rohingya wurden auf eine Sandbank umgesiedelt.

„Im vergangenen Jahr sind die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern deutlich schwieriger geworden“, sagt Bernard Wiseman, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Cox’s Bazar. „Polizei und Militär haben ihre Präsenz verstärkt, zugleich haben bewaffnete Gruppen in den Lagern immer mehr Einfluss. Wir hören immer öfter von Entführungen, Gewalt und Erpressung.“

Der Zugang zum Camp für humanitäre Organisationen ist schwieriger geworden. Die Hilfsleistungen wurden im Jahr 2020 auf das absolute Minimum reduziert, manche Organisationen mussten ihre Hilfe sogar komplett einstellen. Auch die Teams von Ärzte ohne Grenzen hatten in den ersten Monaten der Pandemie kaum Zugang zu den Menschen in den Lagern. Die medizinische Versorgung, die Ärzte ohne Grenzen für die Rohingya bis dahin geleistet hatte, musste stark reduziert werden.

„Viele Rohingya verzweifeln an den Lebensbedingungen im Camp und an der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage“, so Wiseman. „Um dem zu entfliehen, machen sich manche auf die gefährliche Reise mit Schlepperbooten nach Malaysia. Andere melden sich für eine Umsiedlung auf die Insel Bhasan Char, trotz all der Fragezeichen, die damit verbunden sind.“

Ärzte ohne Grenzen kritisiert die mangelhafte medizinische Versorgung auf Bhasan Char, wohin bangladeschische Behörden seit Dezember 2020 etwa 14.000 Rohingya umgesiedelt haben. Bhasan Char ist eine unbewohnte Sandbank, die erst vor 15 Jahren etwa 60 Kilometer vor der Küste aus dem Golf von Bengalen aufgetaucht ist. Hier drohen Überflutungen, und die Lebensumstände auf dem sumpfigen Sand sind harsch. Die Pläne der Behörden sehen vor, etwa 100.000 Geflüchtete freiwillig umzusiedeln. Ärzte ohne Grenzen hat angesichts der sich verschlechternden Lebensbedingungen in den Lagern auf dem Festland und der fehlenden Zukunftsperspektiven Zweifel daran, wie freiwillig die Umsiedlung tatsächlich ist.

„In Bezug auf die medizinische Versorgung sind wir sehr besorgt“, sagt Wiseman. „Nach unseren Informationen gibt es auf Bhasan Char lediglich eine sehr elementare Basisgesundheitsversorgung durch lokale NGOs. Weitergehende oder gar spezialisierte Gesundheitsdienste sind unseres Wissens nach gar nicht vorhanden. Wir wissen auch nicht, wie Notfallpatienten von der Insel rechtzeitig in ein Krankenhaus auf dem Festland gebracht werden sollen, denn die Überfahrt per Boot dauert drei Stunden. Es gibt wenig Bemühen darum, zusammen mit den Rohingya und den Gesundheitsorganisationen in den Camps auf dem Festland sicherzustellen, dass umgesiedelte Patienten auf der Insel ihre Behandlung fortführen können. Wir versuchen, Netzwerke aufzubauen, damit unsere ehemaligen Patienten mit chronischen Krankheiten weiter ihre Medikamente bekommen.“

Ärzte ohne Grenzen ruft die internationale Gemeinschaft dringend auf, nachhaltige und langfristige Lösungen für die Rohingya in Bangladesch zu finden, anstatt auf kurzfristige Initiativen wie die Umsiedlung auf die Sandbank zu setzen. „Die Umsiedlung nach Bhasan Char ist eine Folge des Versagens der internationalen Gemeinschaft, eine langfristige Lösung für diese Krise zu finden“, so Wiseman. „Solange es keine Lösung gibt, werden die Geflüchteten durch die Politik weiterhin einschränkt und die untragbare, angeblich vorübergehende Situationen wird dauerhaft festgeschrieben. Die Rohingya gehen seit Jahrzehnten einen Leidensweg durch staatlich unterstützte Gewalt und Verfolgung, Diskriminierung und die Verweigerung ihrer Grundrechte.“

 

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Stefan Dold
- Pressestelle