Direkt zum Inhalt
Zurück
Menü

Schützt Menschen, nicht Profite!

Gegenwärtig sind viele Länder im Globalen Süden fast vollständig von Importen und Spenden von Impfstoffen etwa gegen Covid-19 oder HP-Viren (Gebärmutterhalskrebs) abhängig. Grundsätzlich eine schwierige Situation, im Fall einer globalen Gesundheitskrise aber eine fatale Lage, die Leben kostet.

mRNA-Technologie: ein Gamechanger 

Der Wettlauf um die Entwicklung neuer Impfstoffe im Zuge der Covid-19-Pandemie hat zur Einführung einer revolutionären neuen Technologie geführt: mRNA-basierte Impfstoffe. Sofern verfügbar, sind mRNA-basierte Covid-19-Impfstoffe eines der Instrumente, die Millionen von Menschenleben retten und die Übertragung des Virus verlangsamen. Die mRNA-Technologie kann aber auch zur Entwicklung von Impfstoffen gegen andere Krankheiten eingesetzt werden: etwa HIV, Tuberkulose oder Malaria.  

Weitsicht zeigen: #ShareTheTech

Wenn Moderna, Pfizer und BioNTech ihre mRNA-Impfstofftechnologie und ihr Know-how mit dem Rest der Welt teilen würden, könnte die Produktion und Versorgung mit lebensrettenden Impfstoffen diversifiziert und ausgeweitet werden - für Covid-19 und darüber hinaus. Das bedeutet, dass fähige Hersteller in anderen Ländern mit Zugang zu dieser Technologie Impfstoffe zur Behandlung von Krankheiten produzieren könnten, die besonders in ihren Regionen ein Problem darstellen. Zudem könnten sie im Falle einer neuen Pandemie schnell, am lokalen Bedarf orientiert, reagieren.  

Eine Analyse von Ärzte ohne Grenzen hat mehr als 100 Hersteller in Asien, Afrika und Lateinamerika identifiziert, die über die technischen Voraussetzungen und Qualitätsstandards zur Herstellung von mRNA-Impfstoffen verfügen. 

Image
Mögliche Produzent*innen von mRNA-Impfstoff weltweit
Unsere Studie zeigt: 120 Pharmafirmen im Globalen Süden könnten mRNA-Impfstoffe produzieren, würde Biontech einem Technologietransfer zustimmen.
© MSF

Die Pandemie ist erst vorbei, wenn sie für alle vorbei ist 

Wir befinden uns in einer Pandemie und damit in einer globalen Ausnahmesituation. Einfach mit dem business as usual weiterzumachen, ist fatal und wird der Situation nicht gerecht. Die Pandemie kann nur wirksam weltweit bekämpft und beendet werden, wenn solidarisch und bedarfsorientiert gehandelt wird. Ganz konkret: Unternehmen wie BioNTech/Pfizer und Moderna müssen die mRNA-Technologie und das Know-how weitergeben, damit eine globale, unabhängige Impfstoffproduktion und bedarfsgerechte Versorgung möglich werden.  

Weltweit wurden Milliarden öffentlicher Geldern in die Forschung und Entwicklung der mRNA-Technologie investiert, die Ergebnisse kommen in Form von Milliarden Gewinnen aktuell vor allem den Pharmaunternehmen zu Gute. Wir fordern vor diesem Hintergrund, dass Regierungen weltweit zukünftig Bedingungen an die Vergabe öffentlicher Gelder knüpfen, um sicherzustellen, dass Errungenschaften der Forschung, die mit diesen Geldern entwickelt wurden, auch allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen.

Fragen und Antworten

Wie rechtfertigt sich eine Aussetzung geistiger Eigentumsrechte?

Die Möglichkeiten für eine Aussetzung von geistigen Eigentumsrechten im TRIPS-Abkommen wurden vor knapp dreißig Jahren für globale Krisen-Situationen geschaffen, wie die, in der wir uns gerade befinden. Alle Barrieren für einen schnellen und gerechten Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen sollten in Krisensituationen schnell überwunden werden können. Geistige Eigentumsrechte sind als eine solche Barriere definiert worden.

Die Impfstoffe, die bisher gegen SARS-COV2 entwickelt worden sind, wurden zum Großteil mit enormen Summen öffentlicher Gelder bezuschusst. Moderna hat z.B. knapp eine Milliarde US-Dollar von der US-amerikanischen Regierung erhalten und macht jetzt bereits erhebliche Gewinne durch den Impfstoff. Das ist nur ein Beispiel, bei dem die Forschungskosten von der Öffentlichkeit getragen wurden und allein der Hersteller die Profite einnehmen darf.

Patente scheinen außerdem nicht der ausschlaggebende Anreiz für Investitionen von Firmen in Forschung und Entwicklung zu sein. Ärzte ohne Grenzen sieht seit Jahren, dass vor allem im Bereich der vernachlässigten Krankheiten, die jährlich Milliarden Menschen vor allem im Globalen Süden betreffen, wenig neue Medikamente, Tests oder Impfstoffe auf den Markt gebracht werden. Zahlungskräftige Patient*innen oder Versicherungssysteme scheinen ein größerer Anreiz für Investitionen in Forschung und Entwicklung zu sein als die Gesundheitsbedürfnisse der Menschen.

Wieso ist geistiges Eigentum in Bezug auf Covid-19-Instrumente ein Thema?

Geistiges Eigentum umfasst auch Geschäftsgeheimnisse, gewerbliche Muster und Modelle sowie den Schutz des Urheberrechts. Firmen nutzen das, um Kontrolle über den Markt zu haben. Das bedeutet, dass wichtige Tests, Medikamente, Schutzausrüstung oder Beatmungsgeräte künstlich verknappt werden. Sie sind für viele Länder nicht zugänglich - dazu gehören vor allem ärmere Länder, die stark von Covid-19 betroffen sind.  

Neben Erfahrungen mit anderen Krankheiten gibt es Beispiele aus den letzten Monaten, bei denen Hürden durch geistige Eigentumsrechte im Zusammenhang mit Covid-19 deutlich geworden sind. So bspw. in Hinblick auf Versorgungsengpässe mit Beatmungsgeräten, N95/FFP2-Schutzmasken, dem Medikament Remdesivir oder bei der Entwicklung der neuartigen mRNA-Impfstoffe.   

Ein Bericht von Ärzte ohne Grenzen stellt fest, dass Patente eine ernsthafte Bedrohung für den Zugang zu erschwinglichen Versionen neuerer Impfstoffe wie Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (PCV) und Impfstoffe gegen humane Papillomaviren (HPV) sind. Das darf sich mit Covid-19 nicht wiederholen.  

Es ist wichtig, dass Monopole durch geistige Eigentumsrechte wie Patente überwunden werden und sich Firmen bereiterklären, Technologietransfer zu leisten. Nur so könnten unbegrenzt viele Hersteller die Produktion aufnehmen. Dadurch gäbe es dann auf natürliche Weise ein deutlich erhöhtes Angebot, die Preise würden sinken und mehr Menschen könnten versorgt werden. 

Lesen

Meinung

Unsere Expert*innen beziehen Position zur Rolle Deutschlands in der globalen Pandemiebekämpfung und erläutern verschiedene Aspekte von Impfstoffverteilung, Technologietransfer, Ausweitung der globalen Produktion und der deutschen (Außen-)Politik.

Hören

Gespräch

Lara Dovifat fragt: Wo bleibt die globale Solidarität? Und erklärt woran Initiativen zur gerechten Impfstoffverteilung wie COVAX und TRIPS-Waiver bisher scheitern und was die Folgen für die Menschen in unseren Projektländern sind.

Info-Material zum Download