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Neue Medikamente könnten das Leiden von Millionen Tuberkulose-Patienten lindern – doch wie, wenn sie keiner bekommt?

Fast 1,6 Millionen Menschen starben im vergangenen Jahr an Tuberkulose (TB). Die tödlichste Infektionskrankheit der Welt tritt vor allem in ärmeren Ländern auf, wo der Zugang zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten erschwert ist. Obwohl immer mehr Menschen an besonders resistenten Formen von TB erkranken, wurden jahrzehntelang keine neuen Medikamente entwickelt. Die Behandlung blieb daher qualvoll und oftmals ohne Erfolg. Die letzte Hoffnung für betroffene Patienten sind zwei neue Medikamente, die leider nur sehr wenige von ihnen erhalten. Wir begannen vor wenigen Jahren in unserem Programm in Tschetschenien, damit zu behandeln. Unter ihnen auch Khavani, eine Mutter von drei Kindern, die wir rund zwei Jahre nach Behandlungsbeginn zu ihrer Geschichte gefragt haben und dazu, wie es ihr heute geht.

In unserem Projekt in Tschetschenien erzielen wir mit den neuen Medikamenten Bedaquiline und Delamanid vielversprechende Resultate. Seit 2004 haben wir dort ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium. Es beinhaltet die Diagnose und Behandlung von Patienten sowie die Unterstützung des Labors, Gesundheitsaufklärung und psychologische Hilfe, um die Therapietreue der Patienten zu fördern.

In diesem Projekt konnten wir seit 2014 mehr als 150 Patientinnen und Patienten mit neuen Therapieformen behandeln, die eines der beiden neuen Arzneimittel oder eine Kombination aus Bedaquiline und Delamanid beinhalten. Sie wirken gegen extrem resistente Formen, die schweren Nebenwirkungen werden reduziert. Ohne die neue Behandlung hätten viele der Erkrankten wohl nicht überlebt.

Mehr als 95 Prozent der Patienten weltweit haben keinen Zugang

Weltweit wird jedoch nur ein Bruchteil der Betroffenen damit behandelt. Mehr als 95 Prozent der Menschen, die sie so dringend bräuchten, erhalten die neuen Medikamente nicht. Denn trotz der Wirksamkeit wurden sie in vielen Ländern noch nicht registriert oder aufgrund des hohen Preises nicht eingesetzt. Für die Patienten ist die Behandlung von resistenter TB extrem schwierig. Sie müssen bis zu zwei Jahre im Krankenhaus verbringen und haben mit schweren Nebenwirkungen wie Psychosen oder Gehörverlust zu kämpfen. Die neuen Medikamente können dabei helfen, die Nebenwirkungen zu reduzieren und die Behandlungsdauer zu verkürzen.

Im Zuge der internationale TB-Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im November 2017 haben sich Gesundheitsminister weltweit dazu verpflichtet, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für TB-Patienten zu verbessern. Ein erster wichtiger Schritt. Wir setzen uns dafür ein, dass die Minister ihr Versprechen einlösen.

„Man braucht ein Ziel und Geduld: Ich habe es für meine Kinder getan” – Khavani’s Geschichte, aufgezeichnet von unserer Kollegin Maria Borshova:

Khavani hat Tuberkulose überlebt. Sie beschreibt den Weg der Behandlung wie folgt: „Das Wichtigste ist, dass man ein Ziel im Leben hat. Ich habe es für meine Kinder getan. Es ist so hart, ohne eine Mutter zu leben – ich weiß das, weil meine Mutter an Tuberkulose gestorben ist. Man braucht ein Ziel und Geduld. Das ist natürlich schwierig, aber man darf nicht aufgeben.” Khavani hat drei Kinder. Die Tuberkulose-Diagnose war für sie eine Familientragödie. Nachdem bereits ihre Mutter an der Krankheit gestorben war, infizierten sich auch ihre Schwester und ihr Bruder. Beide konnten jedoch erfolgreich behandelt werden.

2003 stellten die Ärzte zum ersten Mal fest, dass Khavani Tuberkulose hatte. Zehn Jahre später, nach der Geburt ihres dritten Kindes, trat die Krankheit erneut auf. Bei Khavani wurde Tuberkulose in einem Vorstadium der extremen Multiresistenz diagnostiziert, eine Form der Krankheit, die resistent gegen die meisten wirkungsvollen Medikamente ist. Khavani ist in Tschetschenien die erste Patientin, die von Ärzte ohne Grenzen mit einem Behandlungs-Regime therapiert wird, das Delamanid enthält.

Ich wollte sie am Anfang ihrer Behandlung besuchen. Sie war aber zu schwach, um mich zu empfangen. So wartete ich einige Tage, bis mir der Arzt sagte, ich könne sie treffen. Die 24-Jährige, die wie ein zerbrechlicher Teenager aussah, sagte mir, dass sie sich seit dem Beginn der neuen Behandlung viel besser fühlte. Sie war sicher, dass es ihr bald bessergehen werde.

Zwei Jahre danach hat Khavani 18 Kilogramm zugenommen und sieht blendend aus. Sie nähert sich dem Ende ihrer Behandlung und bereitet sich auf ein wichtiges Ereignis vor: Ihre älteste Tochter ist sechs Jahre alt und wird in diesem Jahr eingeschult.

„Ich hatte mir nicht träumen lassen, dass ich diesen Tag erleben würde”, sagt sie aufgeregt.