Rückblick: Live-Talk „My Body – My Choice. Körperliche Selbstbestimmung unter Beschuss“
Was bedeutet es eigentlich, über den eigenen Körper bestimmen zu können? Was bedeutet es, wenn Frauen und Mädchen zum Beispiel keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben? Wie können wir Tabus und Scham im Bereich sexuelle Gesundheit überwinden? Bei unserem ausgebuchten Live-Talk am 23. Oktober in Köln sprachen wir mit über 250 Teilnehmenden darüber, wie derzeit Gesundheit und Rechte von Frauen und Mädchen weltweit angegriffen werden. Neben Erfahrungen aus der Projektarbeit von Ärzte ohne Grenzen, standen feministische Perspektiven auf reproduktive Gesundheit und Rechte in Deutschland im Mittelpunkt der Veranstaltung. Wir haben uns sehr über den großen Andrang und das starke Interesse gefreut.
Schwangerschaftsabbrüche - warum sprechen wir über dieses Thema?
In unserer Arbeit sehen wir täglich, was es für katastrophale Folgen hat, wenn Menschen der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung und Aufklärung verwehrt wird. Das betrifft insbesondere Frauen und Mädchen. Viel zu oft gefährden Frauen mit unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen ihr Leben. Dabei werden 97 Prozent der Schätzungen zufolge jährlich 25 Millionen unsicheren Abbrüche in Ländern des Globalen Südens vorgenommen. Sichere Schwangerschaftsabbrüche gehören deshalb für uns zur grundlegenden Gesundheitsversorgung.
To have a choice
Damit Frauen und Mädchen selbstbestimmte und informierte Entscheidungen für ihren Körper und ihre Gesundheit treffen können, brauchen sie eine entsprechende vertrauensvolle und sachliche Beratung. In unseren Projekten leisten wir deshalb Aufklärung, Beratung und Unterstützung bei Fragen zu Familienplanung und Verhütung. Frauen, die sich für eine Schwangerschaft entscheiden begleiten wir mit interdisziplinären Teams, um sichere Schwangerschaften und Entbindungen zu gewährleisten. Frauen und Mädchen, die einen Schwangerschaftsabbruch wünschen, werden von uns entsprechend versorgt.
Unser starkes Panel mit vielfältigen Perspektiven
Unser Panel brachte unterschiedliche Perspektiven zusammen – medizinische, journalistische und aktivistische:
Anja Bezold, Dozentin für Hebammenwissenschaften in Berlin, war bereits mehrfach als Hebamme mit Ärzte ohne Grenzen im Einsatz, unter anderem im Jemen, im Irak, in Tansania und in Gaza.
Mertcan Usluer („@Gynäkollege“), Arzt und Journalist aus Köln, der medizinische Themen für ein breites Publikum zugänglich zu macht, rassismuskritisch, inklusiv und intersektional
Ninia laGrande (Moderation), Autorin, Moderatorin und Podcasterin, die sich für für feministische und inklusive Themen einsetzt
Diese Mischung aus fachlicher Erfahrung, persönlichem Engagement und gesellschaftlichem Blickwinkel führte zu einer lebendigen und ehrlichen Diskussion. Neben Gesundheit und Rechten von Frauen und Mädchen weltweit ging es auch darum wie wichtig es ist, solidarisch zu sein und zur Sichtbarkeit des Themas beizutragen.
Publikumsfragen
Wir haben uns sehr über den regen Austausch und die vielen Fragen aus dem Publikum gefreut. Das große Interesse zeigte, wie relevant das Thema körperliche Selbstbestimmung für viele Menschen ist. Einige der Fragen, die während der Veranstaltung gestellt wurden, möchten wir hier exemplarisch teilen:
Ein Schwangerschaftsabbruch gilt als sicher, wenn er mit einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Methode vorgenommen wird, die für die Dauer der Schwangerschaft angemessen ist. Die Person, die den Abbruch vornimmt oder unterstützt, muss entsprechend geschult ist.
Unsachgemäße Abbrüche erfüllen eine der WHO-Bedingungen nicht und/oder finden in einem Umfeld statt, das nicht den medizinischen Mindeststandards entspricht. Damit gelten sie als unsicher.
Es gibt zwei Arten von Medikamenten, die für sichere Schwangerschaftsabbrüche verwendet werden: Mifepriston und Misoprostol. Der Abbruch funktioniert besser, wenn beide Medikamente eingenommen werden. Wenn Mifepriston nicht zur Verfügung steht, kann auch Misoprostol allein eine Schwangerschaft beenden - das ist immer noch sicher.
Mifepriston und Misoprostol führen zum Abbruch der Schwangerschaft sowie einer Erweichung des Gebärmutterhalses und Kontraktionen der Gebärmutter. Dadurch kommt es zu Blutungen und Krämpfen, wodurch der Embryo bzw. Fötus wie bei einer Fehlgeburt ausgeschieden wird.
Der Zugang zu Familienplanung und Verhütungsmitteln ist enorm wichtig für eine gute und selbstbestimmte sexuelle und reproduktive Gesundheit. Wir bieten in einer Vielzahl von Projekten entsprechende Aufklärung und Beratungen an und stellen verschiedene Verhütungsmittel zur Verfügung. Das betrifft insbesondere auch Kontexte, in denen die Menschen lange Wege auf sich nehmen müssen, um Gesundheitseinrichtungen zu erreichen. Dort versorgen wir die Frauen mit langfristig wirksamen Verhütungsmethoden wie beispielsweise Hormonimplantaten und 3-Monats-Spritzen.
In vielen unserer Ländern, in denen wir arbeiten, sind Schwangerschaften bei Teenagern weit verbreitet. Wir bieten spezifische Programme an, in denen wir die Jugendlichen aufklären und Verhütungsmitteln anbieten. Außerdem beraten wir junge (werdende) Mütter. Denn gerade für sie besteht während der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für Komplikationen.
Versucht Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und führt ein sachliches Gespräch mit Empathie, Geduld und klarer Haltung. Unterschiedliche Menschen bringen unterschiedliche Hintergründe mit – versucht daher Fragen zu persönlichen Einstellungen und Erfahrungen zu stellen. Wandel vollzieht sich langsam und manchmal hilft es, verschiedene Geschichten zu hören oder anregende Fragen gestellt zu bekommen. Wählt eure Worte mit Bedacht und lasst euch nicht auf beschämende oder stigmatisierende Sprache ein. Verweist auf zuverlässige Quellen mit genauen Informationen.
Der Austausch verdeutlichte, dass das Recht auf körperliche Selbstbestimmung nicht selbstverständlich ist, sondern weltweit immer wieder verteidigt werden muss.
Der offene Dialog hat gezeigt, wie wichtig es ist, über reproduktive Rechte zu sprechen. Wir danken allen, die teilgenommen, Fragen gestellt und ihre Perspektiven geteilt haben. Wer das Thema weiter vertiefen möchte, findet auf unserer Website weitere Informationen zur Arbeit von Ärzte ohne Grenzen im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit. Und schauen Sie gern bei der nächsten Veranstaltung (wieder) vorbei.
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Themenschwerpunkt Frauengesundheit
Frauen haben andere Gesundheitsbedürfnisse als Männer und sind durch Diskriminierung und Ungleichheit oft besonderen Risiken ausgesetzt. In vielen Projekten bieten wir ihnen deshalb eine spezifische medizinische Versorgung an.