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Nigeria kämpft gegen die heftigste Meningitis-C-Epidemie seit neun Jahren

Tausende Menschen im Norden Nigerias sind an Meningitis C erkrankt. Es ist die schwerste Epidemie seit neun Jahren. Mittlerweile wütet sie in sieben Bundesstaaten Nigerias. Seit der offiziellen Erklärung des Ausbruchs im Februar unterstützen wir die Gesundheitsbehörden in den am stärksten betroffenen Landesteilen bei der medizinischen Versorgung der Erkrankten.

Der erste Fall von Meningitis C wurde bereits vor knapp sechs Monaten im Bundesstaat Zamfara bekannt. Ende April meldete das nigerianische Gesundheitsministerium 9.646 Meningitis-C-Verdachtsfälle. Seit Ende des Jahres 2016 sind 839 Menschen an der Krankheit gestorben. Doch die Behörden haben weiterhin Mühe, die Epidemie in den Griff zu bekommen. Das schwerfällige Gesundheitssystem und die weltweite Impfstoffknappheit behindern eine schnelle und effiziente Bekämpfung der Krankheit.

Schwierige Behandlung schwerkranker Patienten

Unsere Teams sind kontinuierlich im Einsatz, um eine kostenlose medizinische Versorgung zu gewährleisten und die Sterblichkeitsrate so weit wie möglich zu senken. „Vor einigen Tagen wurde ein neunjähriger Junge zu uns gebracht“, erzählt Caroline Riefthuis, Krankenschwester von Ärzte ohne Grenzen in Sokoto. „Er war bewusstlos. Ein besonders schwerer Fall von Meningitis. Er wurde fünf Tage lang bei uns behandelt und sein Zustand verbesserte sich, doch inzwischen hatte er infolge des schweren Krankheitsverlaufs sein Gehör verloren und ist erblindet.“

Der Junge ist einer von mehr als 600 Patienten, die seit April im Mutalah-Mohamad-Krankenhaus von Sokoto versorgt werden. Ärzte ohne Grenzen hat die Leitung des Krankenhauses von den Gesundheitsbehörden übernommen, weil es an Material und qualifiziertem Personal fehlte. Im Krankenhaus von Anka wurden seit Ausbruch der Epidemie 137 Patienten stationär aufgenommen. Die meisten sind zwischen fünf und zwanzig Jahren alt.

Zusätzlich zur Arbeit in den Behandlungszentren haben wir weitere elf Teams in mehrere Bundesstaaten geschickt, um die Ursache der Neuerkrankungen zu bestimmen. Außerdem klären wir die Menschen über Symptome und Anzeichen der Erkrankung auf und versuchen zu vermitteln, wie wichtig es ist, neue Fälle unverzüglich zu melden. Seit Anfang Mai unterstützt die Organisation auch eine Impfkampagne der Gesundheitsbehörden in Sokoto und konnte insgesamt 148.000 Menschen impfen. Eine Woche lang hatten 25 Teams täglich rund 850 Menschen geimpft. Im Rahmen der Kampagne sollen 800.000 Kinder und junge Menschen zwischen einem und zwanzig Jahren geimpft werden. Mit einer weiteren Kampagne sollen weitere 130.000 Menschen erreicht werden.

Zur verspäteten Reaktion der Regierung kommen fehlende Impfstoffen

Obwohl Impfkampagnen zur Eindämmung der Meningitis-Epidemie von zentraler Bedeutung sind, sind wir weiterhin besorgt. Denn die Reaktion auf die Krise kam sehr spät, obwohl Meningitis-Epidemien in  Nigeria keine Seltenheit sind. „Das nationale Frühwarnsystem und die Reaktionsfähigkeit des Landes auf Krisen müssen verbessert werden, damit Ausbreitung und Schwere der Epidemie reduziert werden können“, sagt Philip Aruna, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Nigeria.

Ein weiterer Grund zur Sorge sind die weltweit knappen Vorräte des Meningitis-C-Impfstoffs. Hierdurch wurde die ohnehin schon späte Reaktion noch weiter verzögert und die Sterblichkeitsrate erhöht. „Die Epidemie breitet sich schnell aus“, sagt Aruna. „Das ist angesichts der unzureichenden Menge an verfügbarem Impfstoff äußerst alarmierend.“ In Sokoto sind beispielsweise drei Millionen Einheiten des Impfstoffs erforderlich, um eine Massenimpfkampagne zu starten, aber nur 800.000 dieser Einheiten waren verfügbar. Daher müssen die Teams in der Lage sein, schnell zu handeln und so zu verhindern, dass sich die Krankheit weiter ausbreitet.

Um diesen logistischen Herausforderungen zu begegnen und die Sterblichkeitsraten zu senken, besteht Ärzte ohne Grenzen darauf, die Behandlungszentren zu dezentralisieren. So kann eine freie und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Menschen, die von der Krankheit betroffen sind, sichergestellt werden. Dafür müssen Tests zur Schnellerkennung der Krankheit zur Verfügung stehen, um Falschdiagnosen zu verhindern. Angemessene Präventionsmassnahmen sind entscheidend, um beim nächsten unvermeidlichen Meningitis-Ausbruch folgenschwere Verzögerungen zu verhindern.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit dem Jahr 1996 in Nigeria und betreibt umfangreiche Projekte zur Versorgung von Kindern, sowie zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und rekonstruktiver Chirurgie an Orten wie Sokoto, Zamfara, Niger, Port Harcourt und Jahun. Das Notfallteam NERU von Ärzte ohne Grenzen reagiert auch auf medizinische Notfälle wie Meningitis und Masernausbrüche. NERU ist seit 2006 im Land aktiv.

Ärzte ohne Grenzen leistet seit Mitte des Jahres 2014 im Nordosten Nigerias medizinische Nothilfe. Im Bundesstaat Borno betreibt die Hilfsorganisation zurzeit elf medizinische Einrichtungen in sieben Orten und bietet in vier weiteren regelmäßig medizinische Hilfe an.