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Madagaskar: Wenn das Klima streikt

Leben mit Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Dürren

Im Februar 2021 treffen die Wirbelstürme Batsirai und Emnati die Ostküste Madagaskars. Häuser, Schulen und Gesundheitseinrichtungen in Nosy Varika werden zerstört. Menschen verlieren ihr Leben oder werden ihrer Lebensgrundlage beraubt: Viele Menschen leben von der Landwirtschaft und die Stürme vernichten ihre Ernten. Sie haben keine Lebensmittelvorräte und nun auch keine Einkommensquelle mehr.

Immer wieder erleben die Menschen auf Madagaskar schwere Wirbelstürme, Überschwemmungen und Dürren. Noch immer leiden Tausende im Süden des Landes unter den Auswirkungen der schweren Dürre vom letzten Jahr - einer der schwersten Dürren seit 30 Jahren. Trockenheit und Sandstürme sorgten für Ernteausfälle. Zehntausende Kinder waren von akuter Mangelernährung betroffen und brauchten dringend Hilfe.

Für die Menschen wird es in den nächsten sechs Monaten sehr schwierig sein, wieder auf die Beine zu kommen, wenn es so weitergeht. Aufgrund der Klimakrise – erst zu trocken, dann zu nass – ist es schwierig geworden, Reis anzubauen.

- Rondolpe, Bootsmechaniker aus Mahanoro und unser Bootsführer in Nosy Varika

Wirbelstürme verwüsten die Ostküste des Landes

Seit Anfang des Jahres trafen bereits fünf Tropenstürme und Zyklone die Menschen Madagaskars: Hunderte Menschen starben. Entwurzelte Bäume und zerstörte Ernten geben Anlass zur Sorge. Denn die Trockenzeit beginnt erst.

Die meisten Menschen in der Region sind Fischer*innen oder Bäuer*innen. Ihre Existenz ist jedoch gefährdet. Denn auch die Ernten wurden vernichtet, Brotfrucht, Maniok und andere Grundnahrungsmittel fehlen.

Ein Portrait von Meline, Landwirtin aus Madagaskar
Meline, eine 50-jährige Patientin

Ich arbeite als Landwirtin. Als ich im Radio hörte, dass wir mit einem schweren Wirbelsturm rechnen müssen, kaufte ich Vorräte und verstärkte das Dach unseres Hauses. Aber all das war nicht genug. Es war der stärkste Wirbelsturm, den ich je erlebt habe. Früher baute ich Reis und Maniok an und hielt ein paar Hühner, doch ich habe alles verloren. Meine Familie und ich leben jetzt von den wenigen Vorräten, die uns geblieben sind. Ich habe sechs Kinder und mein Mann ist sehr alt, sodass er nicht mehr arbeiten kann.

 

Portrait: Justin Tiamaro im Gesundheitszentrum in Ambodirian'i Sahafary
Justin, ein 53-jähriger Patient

Ich habe in meinem Leben schon viele Wirbelstürme erlebt, aber dieser war noch verheerender. Keine unserer Ernten konnten wir retten, dabei leben wir ausschließlich von der Landwirtschaft. Wenn ich an die Zukunft meiner Familie denke, habe ich derzeit wenig Hoffnung: Wir haben ein krankes Kind, aber kein Geld für die Behandlung oder für Lebensmittel und unsere anderen Kindern können nicht in die Schule gehen.

Mit einem Boot zu den Patient*innen

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen steigen in ein Boot in Ambodrian i'Sahafar
Unsere mobile Klinik in Ambodrian i'Sahafary erreichen wir nur per Boot.
© iAko M. Randrianarivelo/Mira Photo

Unsere Notfallteams übernahmen die medizinische Versorgung der Menschen in der abgelegenen Region Nosy Varika, wo das örtliche Krankenhaus und mehrere Gesundheitszentren schwer beschädigt worden waren. Aufgrund der Überschwemmungen und zerstörten Wege mussten unsere Teams viele logistische Hindernisse überwinden.

Es war eine echte Herausforderung, die Hilfe zu den Menschen zu bringen. Die Straßen waren unbefahrbar, drei Flüsse galt es zu überqueren, um nach Nosy Varika zu gelangen.

- Mathilde Guého, unsere Notfallkoordinatorin in Madagaskar

Medizinische Versorgung aufrechterhalten

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Patientinnen und Patienten werden in ein provisorisches Zelt gebracht
Nachdem das Krankenhaus in Nosy Varika teilweise zerstört wurde, haben wir ein provisorisches Zelt errichtet.
© iAko M. Randrianarivelo/Mira Photo

Ende Februar trafen wir im Katastrophengebiet ein. Unsere höchste Priorität als medizinische Nothilfeorganisation lag auf dem Behandeln der Menschen und dem Unterstützen des lokalen Gesundheitssystems beim Wiederaufbau. Wir setzten beschädigte Gesundheitseinrichtungen instand.

Etwa 345 Patient*innen pro Woche versorgten wir: Die Menschen waren an Malaria, Atemwegsinfektionen oder Durchfall erkrankt. Auch immer mehr mangelernährte Kinder brauchten Hilfe.

 

Dürren verstärken die Wasserknappheit im Süden Madagaskars

Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen zu beschaffen, ist für die Menschen im Großen Süden Madagaskars ein täglicher Kampf. Dürreperioden - die in dieser halbtrockenen Region sehr häufig auftreten, fehlende Infrastruktur und die Klimakrise verschärfen die Situation. Um von Ambovombe zum Mandrare-Fluss zu gelangen, der noch vor wenigen Wochen ausgetrocknet war, sind die Menschen über kilometerlange Sandwege, gesäumt von Kakteen, Sisalfeldern und gelegentlich einem einsamen Affenbrotbaum unterwegs.

In unserem Dorf gibt es keinen Brunnen, also muss ich manchmal den ganzen Tag laufen, um Wasser zu holen. Ich laufe zum Fluss und grabe mit den Händen im Flussbett, um ein Rinnsal Wasser zu finden. Das Wasser reicht aber kaum zum Trinken, Kochen und Waschen. Vor dem Einbruch der Dunkelheit muss ich wieder zurück sein, sonst kann es zu gefährlich werden.

- Claudine

Bérengère Guais, unsere Notfallkoordinatorin während der Dürre 2021 in Madagaskar

Die Menschen waren am Rande ihrer Kräfte. Ich war schockiert darüber, dass sie wirklich nichts mehr hatten, nichts, was auf den Feldern wächst, kein Wasser. Wir versorgten akut mangelernährte Kinder und Erwachsene medizinisch. 104 Tonnen: So viele Nahrungsmittel haben unsere Kolleg*innen vor Ort als überbrückende Monatsration verteilt. Die andauernde Hitze versengte die Ernte und das kommende Jahr bleibt ungewiss.

Ohne sauberes Wasser keine Zukunft

Für die Zukunft der Menschen in Madagaskar ist der Zugang zu Wasser entscheidend. Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die Dürreperioden im südlichen Afrika laut dem jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats zunehmen. Die länger dauernden Dürreperioden können zu größerem Wassermangel führen und sich somit auch direkt auf die Lebensmittelproduktion auswirken. Infolge der globalen Erwärmung werden Ernährungskrisen zunehmen, und damit auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie Mangelernährung bei Kindern und Erwachsenen.

Laut Weltgesundheitsorganisation wird die Hälfte der Weltbevölkerung bis 2025 in Regionen leben, wo Wasser knapp ist. Daraus können neue Spannungen und Konflikte resultieren. Angesichts dieser ungewissen Zukunft bedarf es der Entwicklung einer nachhaltigen Wasser- und Abwasserinfrastruktur. Nur so lassen sich die Lebensbedingungen und die Gesundheit der Menschen in Madagaskar wirksam verbessern.

Medizin im Sandsturm - Ernährungskrise in Madagaskar

Amy Neumann-Volmer, Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen, berichtet darüber, wie sie letztes Jahr in ländlichen Regionen Madagaskars Nothilfe leistete.

Es braucht neue Wege

Expert*innen warnen wiederholt davor, dass tropische Wirbelstürme aufgrund der Klimakrise häufiger und Dürreperioden länger und extremer werden können. Für die Menschen auf Madagaskar bedeutet das, neue Wege zum Überleben zu finden.

Ich versuche Brot zu backen und zu verkaufen, seit meine Nelken-, Kaffee- und Reiskulturen zerstört wurden. Bauern haben auch mit dem Fischfang begonnen.

- Philipe Randiar, Bauer aus Namorana

Unsere Hilfe in Madagaskar

Erfahren Sie mehr

Medizinische Grundversorgung leisten

In mobilen Kliniken behandeln wir Menschen, die zum Beispiel an Durchfall oder Atemwegsinfekten erkranken, und setzen zerstörte Gesundheitseinrichtungen instand.

Mangelernährte Kinder behandeln

Wir behandeln akut mangelernährte Kinder und Erwachsene und verteilen im Notfall auch Grundnahrungsmittel.

Zugang zu Wasser schaffen

Unsere Teams und andere in der Region tätige Hilfsorganisationen verteilen sauberes Wasser in den Dörfern, reparieren Wasserstellen und richten neue ein.