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Innovative Heilung aus dem 3D-Drucker

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Unfälle mit Gas und damit verbundene Explosionen sind nicht ungewöhnlich in Gaza. Als Antwort auf eine große Explosion, bei der viele Menschen Verbrennungen davongetragen haben, wenden wir seit April 2020 eine innovative Behandlungsmethode an: Kunststoff-Gesichtsmasken, hergestellt mit Hilfe eines 3D-Druckers.   

Unter den Verletzten der Explosion im April 2020 war auch Leyla Ahmad*. Sie ist heute 33 Jahre alt und erlitt damals schwere Verbrennungen. “Mein Gesicht war vollständig verbrannt, sogar meine Augenlider und meine Nase”, erinnert sich Leyla. Nachdem ihre offenen Wunden verheilt waren, fingen wir an die frischen Narben mit einer Kompressionsmaske zu behandeln.  

 

Eine zweite Haut im weltweiten Einsatz 

Die palästinensische Kollegin Reem AbuLebdeh ist Physiotherapeutin sowie Expertin und Ansprechpartnerin vor Ort und hat schon viele Patient*innen mit Verbrennungen durch Explosionen behandelt: “Das Ziel ist eine Maske, die sich wie eine zweite Haut an das Gesicht anschmiegt. Deshalb scanne ich zuerst mithilfe eines pulsierenden Lichts das Gesicht der Patient*in aus verschiedenen Winkeln und erstelle dann mit einer speziellen Software ein präzises 3D-Bild. Anschließend untersuche ich die Größe, Tiefe und Farbe der Narben: Das ist wichtig, damit die Maske am Ende genug Druck auf die entsprechenden Stellen im Gesicht ausübt.”  

Mit den finalen Daten wird eine exakte Negativform des Gesichts gedruckt, anhand deren dann die spezielle Kunststoffmaske geformt wird. Nach dem Aushärten bekommt die Maske noch einen finalen Feinschliff und ist bereit zum Tragen. 

 

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Reem arbeitet seit 2018 für unser Team als Physiotherapeutin in Gaza und behandelt vor allem Patient*innen mit Verbrennungen durch Explosionen.
© Tetiana Gaviuk/MSF

Was nicht passt, wird passend gemacht 

Und nun zum Einsatz des 3D-Druckers: es gibt nämlich gar keinen Zugang zu 3D-Druckern in Gaza. Um diesem Mangel entgegenzutreten, hat ein erfinderischer Unternehmer seinen 3D-Drucker kurzerhand selbst gebaut - mit Open Source Anleitung aus dem Netz. “Seine Fähigkeit, sich von strukturellen Hürden nicht abschrecken zu lassen und stattdessen kreativ, innovativ und vorausschauend zu denken und handeln, ermöglicht unserem Team heute eine zuverlässige Behandlung der Patient*innen”, erklärt Elise Tauveron. Sie ist Physiotherapeutin in Frankreich und Teil der Stiftung "MSF La fondation", die die Behandlung mit Kompressionsmasken koordiniert. 

Remote Zusammenarbeit auch schon vor der Pandemie 

Elise behandelt als Physiotherapeutin Patient*innen mit Verbrennungen in Frankreich und beteiligt sich vollständig remote – also online und aus der Ferne - an der Behandlung in Gaza. Sie erklärt: “Narben von Brandwunden verheilen nur schwer und es bedarf sehr spezialisierter Behandlungsmethoden, die in Gaza für Patient*innen nicht zugänglich sind. Die mit einer 3D-Technologie hergestellten Kompressionsmasken sind daher ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft: globale Zusammenarbeit und Innovation. Unterstützt wird der remote-technologische Ansatz durch die Anwendung lokaler 3D-Drucker.”  

Diese innovative Methode wurde zuerst von unseren Teams in der jordanischen Hauptstadt Amman als Pilotprojekt gestartet und ist mittlerweile auch auf Haiti im Einsatz. 

Nur zum Essen absetzen  

Für eine erfolgreiche Heilung muss die Maske Tag und Nacht getragen werden: nur für kurze Tragepausen zum Waschen und zum Essen dürfen die Patient*innen sie abnehmen. Die meisten Menschen mit Verbrennungen fühlen sich sehr unwohl und aufgrund ihres Aussehens mit der Maske werden sie oft zusätzlich stigmatisiert. Unsere Physiotherapeutin Reem kennt dieses Problem: 

Patient*innen mit auffälligen Verbrennungen verlassen nicht gerne das Haus. Die Behandlung mit der Maske macht es ihnen nicht einfacher. Die meisten von ihnen leben isoliert von der Außenwelt.

Das dauerhafte Tragen der Maske birgt auch einige Schwierigkeiten: Besonders im Sommer erhöht der Schweiß unter der Maske das Risiko für Hautirritationen. “Anfangs kommen die Patient*innen noch wöchentlich in die Klinik, denn die Maske muss regelmäßig angepasst werden, um exakt auf dem Gesicht zu sitzen”, erklärt Reem. Aus diesem Grund trägt Leyla bereits ihre zweite Maske.  Während der Covid-19-Pandemie war es für unser Team besonders schwer, den Kontakt zu den Patient*innen zu halten, um die regelmäßige Kontrolle zu gewährleisten. 

Sichtbare Besserung 

Leyla beendet alle Schritte mit viel Durchhaltevermögen und Anstrengung und das hat sich gelohnt: Die Fortschritte ihres Heilungsprozesses sind beeindruckend und Reem ist sehr zufrieden mit der Rückbildung ihrer Narben:  

Ich liebe meinen Beruf – besonders wenn ich nach der Behandlung mit der Maske Fortschritte sehe. Das macht mich einfach glücklich. 

Kinder wachsen, eine Maske nicht 

“Wir behandelten ein achtjähriges Mädchen, ihr Name ist Maryam Nassir*. Sie hatte starke Verbrennungen im Gesicht und an den Händen. Sie hatte große Angst und weigerte sich beharrlich, die Maske zu tragen. Wir verbrachten viel Zeit mit der ganzen Familie und arbeiteten zusammen, um die Kleine gemeinsam zu ermutigen. Schließlich hat Maryam die Behandlung akzeptiert. Das ist jetzt ein Jahr her und die Narben des Mädchens konnten ohne Komplikationen heilen”, berichtet Reem.  

Die Behandlung von Kindern mit Verbrennungen ist eine besondere Herausforderung: Die Maske muss häufiger angepasst werden, da Kinder sich rasch weiterentwickeln. Außerdem liegt das Risiko für Komplikationen in diesem Alter deutlich höher. Es ist wichtig, dass die jungen Patient*innen die Maske so früh wie möglich tragen, um die Narbenbildung kontrollieren zu können.

Wissen teilen und Innovation vorantreiben 

Bislang erhielten mehr als 50 Patient*innen in unserer Klinik in Gaza eine Kompressionsmaske. Um diese Behandlungen durchzuführen, mussten Reem und ihre Kolleg*innen viele neue Techniken verinnerlichen und Erfahrungen sammeln. Durch die Möglichkeit der remoten Unterstützung und weltweiten Verknüpfung ist mittlerweile ein Wissensnetzwerk vorhanden, dass sich gegenseitig unterstützt und Innovationen vorantreibt. Reem freut sich auf die zukünftige Arbeit: 

Mein Team und ich sind sehr ehrgeizig und motiviert, diese neue Methode in Gaza regelmäßig anzuwenden und ständig weiterzuentwickeln. 

 

Seit 2015 konzentriert die Stiftung "MSF La fondation” ihre Maßnahmen darauf, groß angelegte Veränderungen in der Praxis zu initiieren. Um dieses Ziel zu erreichen, konzentrieren sich die Projekte auf drei Hauptbereiche:  

- Technologische Innovation: Auf der Grundlage technologischer Innovationen entwickeln wir Lösungen für Probleme vor Ort.  

- Angewandte medizinische Forschung: Um neue medizinische Protokolle zu validieren, unterstützen wir die von anderen institutionellen Akteuren durchgeführte medizinische Forschung. Diese vor Ort durchgeführten Forschungen werden aufgrund ihres transformativen Potenzials ausgewählt. 

- Humanitäres Wissen: Innerhalb der Stiftung MSF La fondation zielt “CRASH” darauf ab, Debatten und kritische Überlegungen zu Praktiken vor Ort und zur humanitären Welt im Allgemeinen anzuregen. 

 

*Namen wurden geändert