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Auf der Intensivstation für Neugeborene – die ersten Tage sind entscheidend

Das Goyalmara Green Roof Krankenhaus in Ukhia ist eine wichtige Anlaufstelle für werdende Mütter und ihre Kinder im Süden Bangladeschs. Hier leben seit 2017 Hunderttausende geflüchtete Rohingya unter prekären Bedingungen in überfüllten Flüchtlingscamps – eine Situation, in der medizinische Notfälle schnell lebensgefährlich werden.

Gaziur beendet abrupt eine Unterhaltung und lässt seine wohlverdiente Tasse Tee stehen. Während der Krankenpfleger sein Telefon ans Ohr hält, formt er mit dem Mund die Worte „Sorry“ und verschwindet eilig in der Neugeborenen-Abteilung des Goyalmara Green Roof Krankenhauses. Hier in Ukhia im Süden Bangladeschs kümmern wir uns um Mütter und Kinder mit besonderem Schutzbedarf – sowohl Rohingya aus den nahen Flüchtlingscamps als auch Bangladeschi, die in der Region leben.

Auf der Intensivstation für Neugeborene hat ein nur wenige Tage altes Baby Probleme beim Atmen. Gaziur Rahman, Teamleiter des Pflegepersonals, und seine Kolleginnen und Kollegen sind sofort zur Stelle. Die jungen Eltern schauen besorgt. Sie hatten nicht einmal Zeit, ihrer kleinen Tochter einen Namen zu geben. Das Team hilft Gaziur, eine Beutel-Masken-Beatmung einzurichten, um das Baby mit Sauerstoff versorgen. Ein digitales Pulsoximeter misst die Herzfrequenz des Babys und den Sauerstoffgehalt in seinem Blut - der angezeigte Wert von 60 bis 70 Prozent Sauerstoffgehalt verheißt nichts Gutes. Gaziur weiß, dass es eine anstrengende Nacht für das Team wird: „Die Prognose sieht nicht gut aus.“

Der Unterschied zwischen Leben und Tod

Unsere medizinische Koordinatorin Jessica Patti kämpft währenddessen mit anderen Problemen. Sie soll dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen in der Region über die Hilfsangebote unseres Krankenhauses Bescheid wissen. „Die ersten 28 Tage eines Neugeborenen sind entscheidend“, sagt Patti. „Leider kann der Mangel an Gesundheitseinrichtungen in der Gegend sowohl für Neugeborene von Geflüchteten als auch von Bangladeschi tödliche Konsequenzen haben. Wir haben das Goyalmara-Krankenhaus eröffnet, um uns auf die neonatale und pädiatrische Versorgung zu konzentrieren. Neugeborene sollen von anderen Krankenhäusern hierher überwiesen werden, damit sie eine spezialisierte Versorgung erhalten."

Wenn beispielsweise eine Eklampsie auftritt, eine Krankheit, die bei Schwangeren mit hohem Blutdruck auftritt und Krämpfe hervorruft, kann dies unbehandelt zum Tod von Mutter und Kind führen. Die Rohingya bringen ihre Kinder häufig in privaten Bereichen ihres Hauses mit der Hilfe von vertrauten traditionellen Geburtshelferinnen zur Welt. Die Zeit, die sie brauchen, um auf den engen, verschlungenen Wegen der Camps zu einer medizinischen Einrichtung zu gelangen, die sie dann an ein Geburtskrankenhaus überweist, kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Wenn Patientinnen direkt zum Goyalmara gebracht werden, sagt Patti, werden mehr Leben gerettet.

Hoffnung, aber die Zeit drängt

Zurück auf der Neugeborenen-Intensivstation in Ukhia gibt es Hoffnung. Das Oximeter zeigt gestiegene Sauerstoffwerte im Blut des Neugeborenen an, ein Zeichen dafür, dass sich ihr Zustand stabilisieren könnte. Gaziur reibt die handgroße Brust des Babys. Ihr Körper zeigt auch wieder Zeichen von Bewegung. Der nächste Meilenstein für Team und Familie wird sein, dass das Neugeborene spontan und ohne Hilfe atmet. Die Mutter hat Tränen in den Augen, der Vater läuft nervös in der Station auf und ab.

Das Zeitfenster für das Überleben des Babys ist nicht groß. Wenn sich sein Zustand nicht bald verbessert, muss das Team die Reanimation beenden und der Familie vorsichtig und sensibel erklären, dass ihr Kind wahrscheinlich sterben wird. Für Rohingya, die in Myanmar und auf der Flucht nach Bangladesch gewalttätige und traumatische Geschehnisse überlebt haben, kann der Verlust eines weiteren Familienmitglieds eine unvorstellbar große psychische Belastung sein.

Glücklicherweise zeigt das Baby inzwischen deutliche Anzeichen der Besserung. Anders als Kinder oder Erwachsene kann ein Neugeborenes weder Schmerz noch Linderung sprachlich ausdrücken. Das medizinische Personal muss auf visuelle Zeichen achten, wie beispielsweise die Hautfarbe, das Zusammenkneifen der Augen und Handbewegungen, um festzustellen, ob das Baby an Schmerzen leidet oder es ihm besser geht. Als die Arme des Babys nach oben gehen, die Fäuste geballt, als ob es zum Kampf bereit wäre, macht sich Optimismus auf der Station breit. Gaziur und sein Team unterstützen das kleine Mädchen weiter mit der Sauerstoff-Zufuhr und hoffen, dass es schon bald wieder selbstständig atmen kann.

Das Goyalmara Green Roof Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Ukhia ist auf Neugeborene, Kinderheilkunde und Geburtshilfe spezialisiert. Das Krankenhaus hat Abteilungen für Neugeborene und Kinder, mit spezialisierter Intensivpflege, einer Geburtshilfe-Abteilung, eine ambulante Versorgung und eine Notaufnahme für Erwachsene. Zusätzlich wird eine umfassende psychologische Betreuung für Kinder und Erwachsene, Hausbesuche und Gesundheitsberatungen angeboten. Seit Oktober 2018 hat das Krankenhaus 217 Neugeborene und 247 Kinder in die neonatale und pädiatrische Versorgung aufgenommen und 348 Patientinnen auf die Entbindungsstation aufgenommen. Unsere Teams haben 127 Geburten begleitet.