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Offener Brief: Ärzte ohne Grenzen kritisiert EU-Türkei-Abkommen scharf

Genf/Berlin, 13. Mai 2016. In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union warnt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen vor den dramatischen Folgen des EU-Türkei-Abkommens. Es beschädige die Rechte der Schutzsuchenden und instrumentalisiere humanitäre Hilfe.

„Der EU-Türkei-Deal sendet ein beunruhigendes Signal an den Rest der Welt: Länder können sich aus ihrer Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden freikaufen“, schreibt Joanne Liu, internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. „Wenn dies von weiteren Staaten übernommen wird, wird der Grundsatz schwer beschädigt, dass Menschen vor Krieg und Verfolgung aus ihren Heimatländern fliehen dürfen. Wir befürchten, dass Menschen in Kriegsgebieten festsitzen werden. Sie werden keine andere Wahl haben als zu bleiben und zu hoffen, dass sie irgendwie überleben.“

Die Türkei hat ihre Grenze zu Syrien für Flüchtlinge geschlossen. Allein nördlich von Aleppo sitzen etwa 100.000 Menschen an der Grenze fest, die vor schweren Kämpfen in dem Gebiet geflohen sind. Immer wieder kommt es zu tödlichen Angriffen. Am vergangenen Freitag etwa wurde in der Provinz Idlib ein Vertriebenenlager bombardiert, 28 Menschen wurden getötet.

„Deutschland hat mit der Aufnahme von einer Million Menschen auf der Flucht im vergangenen Jahr einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Flüchtlingen geleistet“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Doch mittlerweile ist die Bundesregierung entscheidend dafür mitverantwortlich, dass sich die Europäische Union sogar vor Kriegsflüchtlingen abschottet. Das von Bundeskanzlerin Angela Merkel maßgeblich ausgehandelte EU-Türkei-Abkommen bedroht das Recht aller Menschen, Asyl zu beantragen. Es verstößt gegen die Verpflichtung der Europäischen Union, es jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind auf der Flucht zu ermöglichen, Schutz zu suchen.“

Ärzte ohne Grenzen protestiert auch energisch gegen die Instrumentalisierung humanitärer Hilfe durch die EU im Rahmen des Abkommens. Im Gegenzug für die Abschiebung von Flüchtlingen bietet die EU der Türkei Hilfe zur Versorgung syrischer Flüchtlinge an.

„Sie haben diese Gelder als Maßnahme präsentiert, um Not zu lindern“, schreibt Liu in dem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs. „Doch diese Hilfe ist an die Bedingung geknüpft, Flüchtlinge aus Europa auszusperren. Damit verraten Sie den Grundsatz, dass sich humanitäre Hilfe ausschließlich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren muss und keinen politischen Zielen untergeordnet werden darf."

Hier lesen Sie den offenen Brief im Wortlaut. 

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Stefan Dold
- Pressestelle