Direkt zum Inhalt
Niger

Niger: Ärzte ohne Grenzen verurteilt unmenschliche Behandlung von Migrant*innen im Grenzgebiet zu Algerien

Agadez/Berlin, 2. Juni 2022. Jeden Monat werden mehr als zweitausend Migrant*innen aus Algerien und Libyen ausgewiesen und mitten in der Wüste an der Grenze zwischen Algerien und Niger ausgesetzt. Unter ihnen sind Schwerverletzte, Überlebende sexualisierter Gewalt sowie Menschen mit schweren Traumata. Angesichts der alarmierenden Situation ruft Ärzte ohne Grenzen die regionalen Behörden und ihre Partner dazu auf, angemessene und nachhaltige Lösungen für das Leid der Migrant*innen zu finden. 

Die Region um Agadez ist ein Drehkreuz für Menschen aus unterschiedlichen Teilen des afrikanischen Kontinents auf dem Weg in Richtung Libyen, Algerien, Tunesien und unter Umständen auch Europa. Dort stranden auch Menschen, die bereits in Libyen oder Algerien angekommen waren, dann aber wieder zurückgedrängt wurden. 

„Allein in diesem Jahr haben unsere Teams mehr als 14.000 Migrant*innen registriert, die unter unmenschlichen Bedingungen aus Algerien nach Niger abgeschoben und ihrem Schicksal überlassen wurden“, erläutert Marie von Manteuffel, politische Referentin von Ärzte ohne Grenzen. „Aufgrund von Initiativen der Europäischen Union zur Eindämmung der Migration ist die Migrationsroute immer gefährlicher geworden. Migrant*innen sind gezwungen, äußerst gefährliche Wege durch die Wüste zu nutzen, um die Grenzkontrollen zu umgehen. Dadurch steigt ihre gefährliche Ausbeutung.“

Fast 70 Prozent der Migrant*innen, die von Ärzte ohne Grenzen medizinisch versorgt wurden, gaben an, dass sie Gewalt und erniedrigender Behandlung durch algerische und libysche Wachposten ausgesetzt waren. Michael aus Nigeria berichtet unseren medizinischen Teams: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Die Soldaten haben uns in Libyen misshandelt. Sie haben Frauen vergewaltigt, und sogar einige Männer. Einige aus unserer Gruppe haben wir nie wieder gesehen.” 

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Migrant*innen aufgrund ihres rechtlichen Status sehr kompliziert. Seit dem Jahr 2018 organisieren Teams von Ärzte ohne Grenzen in Niger regelmäßig Hilfseinsätze, um denjenigen zu helfen, die in der Wüste der Grenzregion verloren gegangen oder ausgesetzt worden sind. 

„Die Schwere der Übergriffe, die Migrant*innen erfahren haben, ist unbestritten“, erklärt Jamal Mrrouch, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Niger. „Die Aussagen unserer Patient*innen und ihr physischer und psychischer Zustand bei ihrer Ankunft in unseren Gesundheitseinrichtungen beweisen, dass diese Menschen während ihrer Vertreibung aus algerischem und libyschem Gebiet durch die Hölle gegangen sind.“

Aktuell unterstützt Ärzte ohne Grenzen mehrere Gesundheitszentren in der nigrischen Region Agadez und bietet kostenlose medizinische Versorgung an. Im Jahr 2021 wurden mehr als 47.000 Behandlungen durchgeführt, darunter mehr als 34.000 psychologische Beratungen.

„Unser Ziel ist es nicht nur, auf die Situation dieser Migrant*innen aufmerksam zu machen“, erklärt Jamal Mrrouch. „Als humanitärer Akteur und Zeuge des schrecklichen Leids von Tausenden in der Sahelzone ist es unsere Pflicht, diese humanitäre Tragödie anzuprangern. Es ist auch unsere Pflicht, die betroffenen Behörden, die Europäische Union und die humanitären Partnerorganisationen aufzufordern, unverzüglich Schritte einzuleiten, um bei Grenzkontrollen die Menschenwürde zu respektieren. Wir können diese Situation nicht weiterhin ignorieren und glauben, dass sich das Problem von selbst lösen wird."

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

Image
Unsere Pressereferetin Christiane Winje
Christiane Winje
- Pressestelle