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Covid-19: NGO-Bündnis kritisiert Habecks Meinungswechsel zu Patentaussetzung

Berlin, 03.02.2022. Ein Bündnis aus Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen fordert Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem Offenen Brief eindringlich auf, wie im Wahlkampf angekündigt Patentaussetzungen für Covid-19-Impfstoffe zu ermöglichen. Habeck hatte sich noch im Mai für die Initiative von mehr als 100 ärmeren Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) ausgesprochen. Diese sieht vor, für die Dauer der Pandemie geistige Eigentumsrechte auf Medikamente, Impfstoffe und andere medizinische Produkte gegen Covid-19 auszusetzen. Als zuständiger Minister hat er sich vergangene Woche plötzlich ablehnend geäußert. Der Brief wurde von 20 Organisationen unterzeichnet, darunter Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Oxfam und Brot für die Welt.  

„Wir sind sehr enttäuscht, dass Bundesminister Habeck in so einer wichtigen Frage seine Meinung ändert, kurz nachdem er der verantwortliche Minister wurde – auf der Grundlage von einseitigen und nicht stichhaltigen Argumenten der Pharmaindustrie und ohne mit der Zivilgesellschaft zu sprechen“, sagt Meike Schwarz, Expertin für Impfstoffverteilung bei Ärzte ohne Grenzen.   

In dem Brief widersprechen die Organisationen deutlich den von Habeck wiederholten Behauptungen der Hersteller, die Produktion von mRNA-Impfstoffen sei zu kompliziert und zu langwierig für Unternehmen im globalen Süden. Es gebe tatsächlich mehr als 120 Impfstoffproduzenten in Lateinamerika, Afrika und Asien, die dazu in der Lage seien. Und Biontech selbst habe gezeigt, dass neue Produktionsstätten innerhalb von sechs Monaten in Betrieb genommen werden könnten. Noch deutlicher als bei Impfstoffen sei der Nutzen der Patentaussetzung etwa bei Covid-19-Medikamenten, die ohne umfangreichen Technologietransfer als Generika produziert werden könnten.   

„Bei neuen Medikamenten wie Baricitinib von der Firma Elli Lilly haben wir etwa das Problem, dass die Produkte zu teuer sind und bezahlbare Generika wegen des Patents in vielen Ländern nicht verfügbar sind”, erklärt Schwarz. „Unsere Teams in stark betroffenen Ländern wie Südafrika, Brasilien und Indien haben viele Covid-Patient*innen mit schweren Verläufen sterben sehen. Es ist an der Zeit, dass auch Menschen in ärmeren Ländern endlich Zugang zu den empfohlenen Behandlungen bekommen.”  

Die Organisationen fordern Habeck darüber hinaus baldmöglichst zu einem Austausch auf. „Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die teilweise seit Jahrzehnten zu Zugang zu Gesundheitstechnologien und damit auch zu produktionshemmenden geistigen Eigentumsrechten arbeiten, erwarten wir gerade von Ihrer Partei, dass nicht nur die Industrie, sondern auch wir als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in Konsultationen einbezogen zu werden”, heißt es in dem Brief. 

Den Offenen Brief können Sie hier einsehen:

zum Download

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an.

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Stefan Dold
- Pressestelle