Direkt zum Inhalt

Ursachen statt Symptome behandeln!

Image
Portrait von Jasmin Behrends

Jasmin Behrends

Ich arbeite in der politischen Abteilung von Ärzte ohne Grenzen zum Zugang zu Medikamenten und globaler Gesundheitspolitik.

Es ist offiziell: Wir sind in der Behandlung von Tuberkulose einen großen Schritt weiter. Die endTB-Partnerschaft, an der auch MSF beteiligt ist, stellte kürzlich die Ergebnisse ihrer Studie vor: Vier neue Behandlungsschemata für multiresistente Tuberkulose. Sie sind kürzer, besser verträglich und bestehen nur aus Tabletten.  

Ein großer Erfolg in der Tuberkulosebehandlung! Denn bislang hatten meine Kolleg*innen oft keine andere Wahl, als Patient*innen mit Therapie-Schemata zu behandeln, die nicht nur sehr lange dauerten und schwere Nebenwirkungen hatten, sondern mitunter auch schmerzhafte Injektionen beinhalteten.  

Diagnostika für Tuberkulose jetzt auch bezahlbarer  

Doch nicht nur in der Behandlung gab es Fortschritte: Das Pharmaunternehmen Cepheid senkte nach jahrelangem öffentlichem Druck im September endlich den Preis des GeneXpert-Tests für Tuberkulose in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen um 20 Prozent.  Ein weiterer großer Erfolg, denn immer noch werden nur zwei von drei Menschen mit Tuberkulose diagnostiziert und erhalten entsprechend keine Behandlung.   

Ein kleiner Schritt mit großer Wirkung: Für das gleiche Budget kann der Global Funds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria jetzt rund fünf Millionen mehr Tests kaufen – und fünf Millionen mehr Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen getestet werden.   

Nur durch gemeinsamen Druck mit Betroffenen, Tuberkuloseaktivist*innen und vielen weiteren Organisationen und Einzelpersonen haben wir diese Preisreduzierung erreicht.  

 Generika-Produktion endlich möglich 

Auf eine Diagnose folgt die Behandlung. Doch fast 50 Jahre wurden keine neuen Tuberkulose-Medikamente entwickelt, weil sie schlicht weg zu wenig Profit versprachen. Dann kamen endlich Bedaquilin, Delamanid und Pretonamid auf den Markt. Doch hohe Preise verhindern, dass neue Innovationen auch bei den Patient*innen ankommen. Aktuell liegt der Preis für eine Behandlung mit Bedaquilin bei bis zu 270 US-Dollar für 6 Monate. Das Patent auf dieses wichtige und gut verträgliche Tuberkulose-Medikament lief jedoch Ende diesen Jahres in vielen Ländern aus. Normalerweise ist ab dann die Produktion von günstigeren Generika möglich.  

Studien zufolge würde der Einstieg von Generika-Herstellern in den Markt die Kosten für Bedaquilin auf 17 US-Dollar pro Monat senken.  

Das Pharmaunternehmen Johnson & Johnson versuchte jedoch mit Hilfe von Sekundärpatenten das Monopol auf die Produktion des Medikamentes zu verlängern und damit die Preise künstlich hochzuhalten. Auch in diesem Fall gab es Gegenwind: Die beiden Tuberkuloseüberlebenden und Aktivist*innen Nandita Venkatesan und Phumeza Tisile haben in Indien die Patentverlängerung von Bedaquilin angefochten und Recht bekommen. In Südafrika eröffnete die südafrikanische Wettbewerbskommission, auf Druck der lokalen Zivilgesellschaft hin, ein Untersuchungsverfahren gegen Johnson und Johnson: Verdacht von illegitimer Verlängerung von Patenten und zu hohen Preisen. All das zeigte Wirkung: Johnson & Johnson verkündete im September die Sekundärpatente in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen nicht durchzusetzen und den Weg freizumachen für günstigere Generika.  

Symptome behandeln, reicht nicht aus. 

All diese jüngsten Erfolge sind großartig und machen Mut. Aber es könnte anders gehen: Anstatt den Zugang zu lebensnotwendigen Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten Produkt für Produkt einzeln über Jahre zu erstreiten, muss dieser im Forschungs- und Entwicklungssystem von Anfang an mitgedacht und garantiert werden.  

Sowohl die Entwicklung von Bedaquilin als auch die GeneXpert-Tests von Cepheid wurden durch öffentliche Gelder mitfinanziert. Wie kann es sein, dass diese Investition trotzdem einem großen Teil der Welt nicht zugutekommen? Und Tuberkulose ist nur ein Beispiel von vielen. Derselbe Mechanismus greift bei vielen anderen Krankheiten, u.a.  Ebola und Covid-19.  

Gesundheit darf kein Luxus sein

Das Forschungs- und Innovationssystem muss sich an den dringenden globalen Gesundheitsbedürfnissen weltweit orientieren. Um das zu erreichen, sollten Regierungen weltweit u.a. Bedingungen für gerechten Zugang zu den finalen Produkten an die Vergabe von öffentlichen Forschungsgeldern knüpfen. Auch die deutsche Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass neue Innovationen zugänglich und bezahlbar sind.  

Darüber hinaus braucht es mehr Transparenz bei der Vergabe von öffentlichen Geldern, der tatsächlichen Forschungs- und Entwicklungskosten sowie der finalen Preissetzung. Nur so kann festgestellt werden, ob ein Produktionspreis gerechtfertigt ist. 

Gesundheitsprodukte dürfen keine Luxusartikel sein, denn sie machen häufig den Unterschied zwischen Leben und Tod.