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Nach dem Erdbeben in Ecuador sind vier Teams von Ärzte ohne Grenzen in den am stärksten betroffenen Gebieten aktiv

Pedernales, in der Provinz Manabi, ist einer der Bezirke Ecuadors, die von dem Erdbeben am 16. April am stärksten getroffen wurden. In weniger als 40 Sekunden wurde das Gebiet fast vollständig zerstört. Die Gemeinde hat beinahe alles verloren: Gebäude – Häuser, Geschäfte oder Hotels – brachen zusammen und viele Menschen starben unter den Trümmern. In einem Gebäude in der Nähe der Küste starben allein 70 Menschen, während sie eine Hochzeit feierten.

„Wir haben alles verloren. Wir dachten an diesem Tag, das Ende der Welt wäre gekommen“, sagt der 65-jährige Manuel aus dem Stadtteil Tamarindo. „Einige Nachbarn sind aufs Land geflohen, um den Erschütterungen zu entkommen, während andere Zuflucht im Stadion von Pedernales suchten. Wer flieht, überlebt.“

Ärzte ohne Grenzen in Pedernales

Ärzte ohne Grenzen bietet in Pedernales an sechs Standorten – in Notunterkünften sowie in einem der betroffenen Stadtteile – psychosoziale Betreuung an. Wie Néstor Rubiano, Koordinator des kolumbianischen Teams von Ärzte ohne Grenzen in Ecuador, berichtet, gibt es in einigen Gegenden bereits Notunterkünfte für mehr als 40 Menschen, in anderen müsse die Hilfe erst noch ankommen. „Mit der psychosozialen Betreuung versuchen wir, den Menschen dabei zu helfen, so schnell wie möglich wieder zu ihren alltäglichen Aktivitäten zurückzukehren“, sagt er.

In Pedernales sind bei dem Erdbeben rund 80 Prozent der Gebäude beschädigt worden. Obwohl staatlich Hilfe sowie Hilfe von privaten Institutionen und der Zivilgesellschaft im Laufe der letzten Woche ankommen ist, „ist es, wie es oft bei dieser Art von Naturkatastrophen der Fall ist, die eine Vielzahl von Anforderungen mit sich bringen: Die mangelnde Koordinierung zwischen verschiedenen beteiligten Personen und Organisationen ist oft noch ein Problem“, so Rubiano weiter.

Mangel an adäquater psychosozialer Betreuung

„Bei der psychosozialen Betreuung versuchen wir, mit lokalen Psychologen zusammenzuarbeiten. Doch diese Psychologen müssen derzeit vor allem humanitäre Hilfe leisten, also Nahrung und Wasser verteilen, anstatt ihre psychosozialen Aktivitäten durchzuführen. In den wenigen Fällen, in denen psychosoziale Betreuung geleistet wird, ist diese zu wenig organisiert und es fehlt an langfristigen Plänen. Dadurch ist ein Vakuum entstanden, und das ist der Grund, aus dem Ärzte ohne Grenzen psychosoziale Unterstützung anbietet“, sagt Rubiano. Darüber hinaus verteilen wir in einigen Bereichen von Pedernales Wassertanks und Zelte.

Menschen kehren nach Pedernales zurück

Viele Familien haben während der Erdbeben Zuflucht in Notunterkünften gesucht. Nun entscheiden sich einige, wieder in die Stadt zurückzukehren. „Wir kommen aus Pedernales und dort müssen wir auch bleiben. Wir gehen nur, wenn die Behörden uns dazu auffordern, das Gebiet zu verlassen. Wenn wir evakuiert werden müssen, wissen wir nicht, wohin wir gehen sollen“, sagt Cusme, 40 Jahre alt, der mit seiner vierjährige Tochter im Stadtteil Tamarindo lebt.

Die Menschen, die noch in Pedernales leben oder in die Stadt zurückgekehrt sind, bewegen sich mit Gesichtsmasken durch die Straßen, um sich vor dem Staub zu schützen, denn viele Gebäude müssen aufgrund der Einsturzgefahr abgerissen werden. Sie tragen die Masken aber auch wegen des Leichengeruchs, der an einigen Stellen noch vorherrscht.

Lebensbedingungen in Notunterkünften durch Regen verschlechtert

Wie das ecuadorianische Sekretariat für Risikomanagement bekannt gab, leben infolge des Erdbebens mehr als 29.000 Menschen in Notunterkünften im ganzen Land. Mehr als 24.000 von ihnen kommen aus der Provinz Manabi. „Zunächst stiegen die Zahlen der Zuflucht suchenden Menschen in den Notunterkünften stark an. Aber der Regen vor ein paar Tagen hat die Lebensbedingungen in den Notunterkünften so verschlechtert, dass viele Menschen in ihre Häuser zurückkehren. Diese Menschen haben nun keinerlei Hilfe, da sich alles auf die Notunterkünfte konzentriert“, sagt Nestor Rubiano. Diejenigen, die nicht in ihre Häuser zurückkehren konnten, haben selbst kleine Notunterkünfte gebaut, die nur  aus Kunststoff und Bambus-Stöcken bestehen. Sie haben Schilder geschrieben, auf denen steht: „Wir sind hier und brauchen Hilfe.“

„Wir müssen nun lernen, mit den Nachbeben zu leben. Weil wir so erschöpft und angespannt sind, haben wir manchmal das Gefühl, dass sich der Boden bewegen würde, obwohl er es gar nicht tut. Wir müssen lernen, damit zu leben, was uns passiert ist“, sagt Cusme.

Nach dem Erdbeben reisten vier Teams von Ärzte ohne Grenzen nach Ecuador und arbeiten derzeit in den am stärksten betroffenen Gebieten in Manabi und Esmeraldas. Bisher halfen sie mit Einzel- oder Familienberatungen rund 70 Personen, leisteten 17 Gruppenberatungen mit 137 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, 81 psycho-pädagogischen Aktivitäten mit 914 Personen und 108 medizinischen Behandlungen. Zudem spendete Ärzte ohne Grenzen ein Katastrophen-Set und ein komplettes Set für Verwundete.