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EU-Gipfel: Von der Leyen und Merkel müssen Ausweitung der Covid-19-Impfstoffproduktion ermöglichen

Brüssel/Berlin, 24. Februar 2021. Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel, endlich eine globale Ausweitung der Covid-19-Impfstoffproduktion zu ermöglichen. Die EU muss ihre Blockadehaltung in der Welthandelsorganisation (WTO) aufgeben. Dort wird derzeit über einen von der Mehrheit der Länder unterstützten Antrag von Indien und Südafrika beraten, der es Staaten ermöglichen würde, Patente für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Zudem muss die EU dafür sorgen, dass europäische Pharmahersteller Gesundheits- und Impfstofftechnologien offenlegen und Technologietransfer leisten, damit die globale Produktion ausgeweitet werden kann.

„In Deutschland und der EU klaffen Reden und Handeln bei Covid-19-Impfstoffen himmelweit auseinander“, sagt Marco Alves von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. „Ursula von der Leyen und Angela Merkel lassen kaum eine Gelegenheit aus, Covid-19-Impfstoffe als globale öffentliche Güter zu bezeichnen und eine Ausweitung der Produktion anzumahnen. Doch gleichzeitig blockieren die EU-Kommission und die Bundesregierung eine WTO-Resolution, die eine globale Produktion von Impfstoffen beschleunigen würde. Das ist nicht nur unsolidarisch, sondern grob fahrlässig. Es führt zu Leid und Tod von Menschen, und je länger das Virus sich wegen Impfstoffknappheit ausbreiten kann, desto wahrscheinlicher wird es als Mutationsvariante zurückkehren.“

Während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem solidarischen Teilen der Impfstoffe aufruft, lehnt das Justizministerium die wichtige Aussetzung der Patentmonopole ab. „Die Bundesregierung wiederholt immer wieder die falsche Behauptung der Pharmaindustrie, Patentmonopole seien keine Hürde für die Produktion medizinischer Produkte“, so Marco Alves. „Doch wir beobachten seit Jahrzehnten das Gegenteil. Patente führen zu künstlicher Verknappung und überhöhten Preisen. Das aufrechtzuerhalten, ist in einer globalen Pandemie völlig absurd. Patentmonopole haben schon in der HIV-Pandemie dafür gesorgt, dass Menschen in armen Ländern keinen ausreichenden und bezahlbaren Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten hatten. Das dürfen wir nicht erneut zulassen.“ 

Für eine Produktionsausweitung von Medizinprodukten zur Bekämpfung der Pandemie müssen die EU-Staaten die mit hohen Summen öffentlicher Gelder unterstützten Pharmafirmen dazu verpflichten, Technologien mit Herstellern in Ländern geringen und mittleren Einkommens zu teilen. Das gilt insbesondere für die mRNA-basierten Impfstoffe wie denjenigen der in Deutschland ansässigen Firmen Biontech und Curevac, die deutlich einfacher und schneller zu produzieren sind als traditionelle Vakzine. Diese Impfstoffe können auch relativ kostengünstig hergestellt und einfacher an Mutationsvarianten angepasst werden. Wenn die Technologien und das Know-How weltweit geteilt werden sowie Zusatzstoffe patentfrei produziert werden, könnten Hersteller die Impfstoffe in Rekordtempo produzieren, auch ohne Erfahrung in der Impfstoffproduktion.

„In dieser historisch einmaligen Zeit, in der praktisch jeder Mensch einen Covid-19-Impfstoff benötigt, dürfen die Appelle zu globaler Solidarität und gerechter Verteilung keine leeren Versprechungen bleiben. Wir brauchen jetzt konkrete Handlungen“, sagt Christos Christou, der internationale Präsident von Ärzte ohne Grenzen. „Die Strategie der EU, Impfstoffe in Europa zu produzieren, kann derzeit noch nicht einmal den Bedarf der EU-Staaten decken, geschweige denn den weltweiten Bedarf. Das Beharren der EU auf herkömmlichen geistigen Eigentumsrechten würgt die globale Produktion lebenswichtiger medizinischer Produkte ab. Die EU hat die politische Verantwortung, jedem Land zu erlauben und zu ermöglichen, essenzielle medizinische Produkte, insbesondere Impfstoffe, frei zu produzieren, um diese beispiellose Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Jetzt ist der Zeitpunkt für die EU und ihre Regierungen gekommen, sich zu einem barrierefreien Technologietransfer mit Herstellern in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen zu bekennen.“

Seit Beginn der Pandemie behandelt Ärzte ohne Grenzen in vielen Dutzend Ländern weltweit Covid-19-Patienten und ist in der Prävention aktiv. Etwa in Südafrika, Malawi, Eswatini und Mosambik im südlichen Afrika sind die Teams mit einer zweiten Welle an Infektionen und hochansteckenden Virusvarianten konfrontiert. Die Gesundheitssysteme dieser Länder sind mit dem Verlauf der Pandemie überfordert. Während die reicheren Länder schon seit zwei Monaten Gesundheitsmitarbeiter und Hochrisikogruppen impfen, ist in Malawi, Eswatini und Mosambik noch keine einzige Impfstoffdosis angekommen.

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Stefan Dold
- Pressestelle