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Sudan

Sudan: 900 Verletzte erreichen innerhalb weniger Tage den Tschad

Ärzte ohne Grenzen ruft zum Schutz der Zivilbevölkerung im Sudan auf 

Innerhalb von nur vier Tagen haben fast 900 Verwundete und 15.000 sudanesische Geflüchtete aus al-Dschunaina und Umgebung die tschadische Stadt Adré erreicht. Der medizinischen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen liegen Berichte vor, wonach Menschen während der Flucht aus der Stadt beschossen und getötet wurden. Die Organisation fordert sämtliche bewaffnete Gruppen in und um al-Dschunaina auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und sichere Fluchtwege aus der Stadt zu ermöglichen. 

Seit fast zwei Monaten ist al-Dschunaina blockiert, es herrscht massive Gewalt. Die Stadt liegt etwa 35 Kilometer von der tschadischen Grenze entfernt, und Tausende Menschen versuchen, der Belagerung und den Angriffen zu entkommen. Die Gewalt eskaliert, und die Menschen leben in ständiger Angst, Ziel davon zu werden , so Konstantinos Psykakos, der scheidende Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen.

Am Mittwochabend, dem 14. Juni 2023, wurde der Gouverneur von West-Darfur getötet, beschreibt die 25-jährige Geflüchtete Nour* die Lage. In diesem Moment wussten wir, dass sich die Situation weiter verschärfen würde. Al-Dschunaina zu verlassen, war eine kollektive Entscheidung der Bevölkerung. Sie erreichte das Krankenhaus in Adré am 15. Juni.

Die meisten von uns flohen zu Fuß in den Nordosten von al-Dschunaina, aber viele wurden unterwegs erschossen. Ich sah Tote und Verwundete auf dem Boden liegen. Mir schoss ein Mann ins Gesicht, Gott sei Dank habe ich überlebt. Zurzeit werde ich im Krankenhaus von Adré behandelt.

Nour erinnert sich an die vergangenen Wochen in al-Dschunaina. Niemand durfte in die Stadt rein oder aus ihr hinaus. Trinkwasser hatten wir keines, bewaffnete Gruppen hatten den Zugang unterbrochen. Die Menschen versuchten, sauberes Wasser aus fließenden Gewässern zu holen, aber überall lauerten Scharfschützen. Es kamen Bewaffnete mit Trucks und Motorrädern in die Viertel. Sie töteten jeden, der ihnen über den Weg lief, plünderten Häuser und brannten ganze Stadtviertel nieder. 

Die 18-jährige Salma* floh am Donnerstagmittag, dem 15. Juni, mit ihren zwei Schwestern vor der Gewalt in ihrer Stadt. Unterwegs wurden sie von einem Kleinbus angehalten, sechs Männer stiegen aus, alle bewaffnet. Sie zerrten ihre Schwester Soadd* von ihren verängstigten Schwestern weg und vergewaltigten sie. Sie hielten sie einige Zeit im Bus fest. Als sie fertig waren, warfen sie sie aus dem Bus und fuhren weg. Meine Schwester ist erst 15 Jahre alt , sagt Salma. 

Soadds Gesundheitszustand ist kritisch. Sie wird derzeit im Krankenhaus von Adré medizinisch versorgt und kämpft um ihr Leben. Alle drei Schwestern sind traumatisiert. Nicht nur aufgrund der Gewalt, die ihnen angetan wurde. Auch die Tatsache, dass sie während dieser Krisenzeit von ihren Eltern getrennt sind, lastet schwer. Kontakt zu den Eltern haben sie keinen. Ihre Mutter befindet sich derzeit in Nyala. Wie es dem Vater geht, weiß niemand.  

Ärzte ohne Grenzen appelliert an alle Konfliktparteien in und um al-Dschunaina, die Zivilbevölkerung und Infrastruktur zu verschonen. Menschen, die die Stadt verlassen wollen, dürfen nicht an der Flucht gehindert werden. Die Organisation ruft zudem dringend dazu auf, humanitären Teams den Zugang zur Stadt zu ermöglichen, um bei der Versorgung verwundeter und kranker Menschen Unterstützung zu leisten. 

* Namen geändert  

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
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