Leben retten, wo neues Leben das Licht der Welt erblickt
Bolivien hat die höchste Mütter- und Kindersterblichkeit Lateinamerikas – eine Situation, die durch die Covid-19-Pandemie weiter verschärft wird. In El Alto, einer Stadt im Hochland, haben wir drei Jahre lang elementare Gesundheitsversorgung für werdende Mütter und Neugeborene angeboten. Jetzt übergeben wir die Aktivitäten an die lokalen Behörden.
“Es macht mir Spaß, Menschen zu helfen, vor allem Müttern. Einige gehen nicht in Geburtskliniken und haben keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten, weil sie nicht informiert sind, sie haben Angst sich mit einer Krankheit anzustecken, während sie beim Arzt sind,” sagt Luci Margarite Quispe Betrán, eine unserer Gesundheitsberaterinnen im Franz-Tamayo-Gesundheitszentrum in El Alto, Bolivien. “Ich rede mit ihnen und erkläre, dass Familienplanung und Vorsorge in der Schwangerschaft sehr wichtig sind, damit nicht noch mehr Kinder sterben.”
Bolivien hat die höchste Mütter- und Kindersterblichkeit in Lateinamerika. Besonders alarmierend ist die Situation im Landkreis El Alto, wo die Sterberate unter werdenden Müttern aufgrund von Komplikationen in Verbindung mit Schwangerschaften und Geburten landesweit am höchsten ist. 2020 kamen dort auf 100.000 Lebendgeburten 316 Todesfälle unter Müttern. Dazu kommt, dass die Covid-19-Pandemie – wie in vielen anderen Teilen der Welt - das bolivianische Gesundheitssystem beeinträchtigt und den Zugang zu essentieller Versorgung für werdende Mütter und Neugeborene gefährdet.
“Die COVID-19 Pandemie hat ohne jeden Zweifel einen Einfluss auf die Gesundheit von Müttern, Neugeborenen und Kindern im Gebiet El Alto. Trotz der schwierigen Situation konnten unsere Teams Frauen in ihren eigenen Gemeinden versorgen. Die Nachfrage und der Bedarf an lokalen Gesundheitseinrichtungen mit angemessener Ausstattung und guten Kapazitäten für die Versorgung von Geburten sind hoch,” erklärt unsere Projektkoordinatorin Adriana Palomares Paez.
“Nachdem wir drei Jahre im Land gearbeitet und zur Stärkung des lokalen Gesundheitssystems beigetragen haben, fordern wir nun die lokalen Gesundheitsbehörden auf, diese elementaren Gesundheitsdienste anzubieten, die so wichtig sind für die hier lebenden Frauen und Familien”, fügt sie hinzu.
Wenn Stadt und Gesundheitssystem nicht gleich schnell wachsen
Innerhalb der letzten 15 Jahre ist die Stadt El Alto im bolivianischen Hochland rasant gewachsen und inzwischen mit mehr als 900.000 Einwohner*innen die zweitgrößte des Landes. Das Gesundheitssystem hat es jedoch nicht geschafft, in derselben Zeit angemessen schnell zu wachsen. Und so gibt es immer noch viele Gebiete, in denen es an Gesundheitseinrichtungen und qualifiziertem Personal mangelt, um alle Geburten sicher zu begleiten. In vielen Fällen kommt es daher zu Hausgeburten unter unsicheren Umständen.
Rund-um-die-Uhr-Versorgung rettet Leben
“In den Vororten, in denen wir aktuell arbeiten, ist das Angebot einer Rund-um-die-Uhr-Versorgung werdender Mütter unerlässlich, denn es gibt keine andere Einrichtung, die das anbietet,” erklärt Milenka Chavez Durán, Leiterin des Franz-Tamayo-Gesundheitszentrums. “Und es wird noch wichtiger, die Hausgeburten zu reduzieren, denn die sind der Hauptrisikofaktor für die Müttersterblichkeit in El Alto.”
“Als ich in anderen Gesundheitszentren in der Umgebung nachgefragt habe, sagten sie mir, ich könne mein Kind nicht normal zur Welt bringen. Sie erzählten mir, dass ich ins Krankenhaus muss und dass ich eine Kaiserschnittgeburt haben würde”, erinnert sich die 18 Jahre alte Maribel, die große Angst davor hatte, nicht auf natürlichem Weg gebären zu können. “Aber meine Familie schickte mich zum Franz-Tamayo-Zentrum. Dort sagten sie mir, dass ich mein Kind natürlich auf die Welt bringen kann und dass es ihm gut gehen wird. Das gab mir Mut. Und sie kümmerten sich um mich und halfen mir dabei, meinen Sohn auf die Welt zu bringen.”
Auch Überlebende von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt werden in den Gesundheitszentren umfassend medizinisch und psychologisch versorgt. Für Notfälle und komplizierte Geburten steht zudem ein Krankenwagen bereit, mit dem wir bisher 361 Patientinnen in andere Krankenhäuser gebracht haben.
Wir gehen, der Bedarf bleibt
Es ist wichtig, dass diese grundlegenden und essentiellen Leistungen auch weiterhin garantiert werden und sich die lokalen Gesundheitseinrichtungen dazu verpflichten, diesen Weg weiterzuführen.
“Mit unserer Arbeit haben wir gezeigt, dass diese Angebote realisierbar sind und Leben retten. Jetzt sind die bolivianischen Behörden am Zug sicherzustellen, dass diese Leistungen weitergeführt werden und adäquate finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die Sterblichkeitsrate der Mütter in El Alto weiterhin zu reduzieren”, fasst unsere Koordinatorin zusammen.
Frauengesundheit
Frauen* haben andere gesundheitliche Risiken als Männer. Doch ihre spezifischen Bedürfnisse finden im Gesundheitssystem und in der Forschung nach wie vor keine ausreichende Beachtung.