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Syrien: Ärzte ohne Grenzen fordert Ende der Angriffe auf die Zivilbevölkerung

Genf/Berlin, 18. Februar 2016. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ruft die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – insbesondere Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA – dazu auf, die von ihnen beschlossenen Resolutionen einzuhalten und das Massensterben in Syrien zu stoppen. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Verbündeten die Zivilbevölkerung schützen und Kämpfe in von Zivilisten bewohnten Gebieten vermeiden. Im Augenblick ist die Bevölkerung in Syrien schonungslosen Angriffen ausgesetzt: 1,9 Millionen Menschen leben im Belagerungszustand, Grenzen sind für Flüchtlinge geschlossen, und medizinische Einrichtungen sowie dicht besiedelte Gebiete werden zunehmend zum Ziel von Bombenangriffen.

„Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, von denen vier aktiv am Krieg in Syrien beteiligt sind, müssen dafür einstehen, dass sie die grundlegendsten Pflichten gegenüber der Zivilbevölkerung nicht erfüllt haben“, erklärt Joanne Liu, die internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. „Der Sicherheitsrat hat Resolutionen verabschiedet, die Angriffe auf die Zivilbevölkerung und auf medizinische Einrichtungen sowie Belagerungen und Strategien des Aushungerns verbieten. Dennoch wird der Krieg in Syrien mit genau diesen Methoden geführt.“

In einem heute veröffentlichten Bericht dokumentiert Ärzte ohne Grenzen Verletzte und Todesopfer unter der Zivilbevölkerung, basierend auf den medizinischen Daten aus 70 Krankenhäusern im Nordwesten, Westen und im Zentrum Syriens, die Ärzte ohne Grenzen unterstützt. Demnach wurden im Jahr 2015 insgesamt 154.647 Kriegsverletzte und 7.009 Tote in diesen Einrichtungen registriert. 30 bis 40 Prozent davon waren Frauen und Kinder. Dieser hohe Anteil belegt, dass Zivilisten in Syrien nach wie vor – gezielt oder zufällig – angegriffen werden.

„Die von uns gesammelten Daten sind erschütternd, doch sie sind nur ein kleiner Ausschnitt des Leidens“, erklärt Liu. „Die vielen Verletzten oder Toten in medizinischen Einrichtungen, die nicht von Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden, sind darin nicht erfasst. Die Realität ist noch schlimmer.“

Die von Ärzte ohne Grenzen veröffentlichten Aufzeichnungen zeigen, dass im Jahr 2015 insgesamt 63 der 150 von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Krankenhäuser bei 94 Angriffen bombardiert oder beschossen wurden. Dabei wurden zwölf Einrichtungen komplett zerstört und 23 Mitarbeiter getötet. Allein in diesem Jahr gab es sieben weitere Angriffe auf sechs von Ärzte ohne Grenzen unterstützte medizinische Einrichtungen.

Zuletzt wurde am 15. Februar das Krankenhaus in Maarat Al-Numan in der Provinz Idlib durch mehrere Luftangriffe zerstört. 25 Menschen wurden getötet, darunter neun Mitarbeiter. Die Klinik mit 30 Betten versorgte monatlich mehrere tausend Menschen. Ärzte ohne Grenzen appelliert an die am Krieg in Syrien beteiligten Staaten, eine unabhängige Untersuchung des Angriffs zu veranlassen – entweder durch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (IHFFC) oder eine andere unabhängige Instanz.

Angesichts der Lage in der Provinz Asas nördlich von Aleppo mahnt Ärzte ohne Grenzen die Konfliktparteien, militärische Aktionen in der Nähe von Vertriebenen zu vermeiden. Die Frontlinien nähern sich derzeit rasch den Lagern mit rund 100.000 Vertriebenen. 

„Die Menschen haben keinen sicheren Zufluchtsort“, sagt Liu. „Insbesondere Länder, die militärisch in Syrien aktiv sind, müssen alles unternehmen, um sichere Fluchtwege und menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu gewährleisten.“

Ärzte ohne Grenzen betreibt selbst nur noch wenige Kliniken im Norden Syriens. Im überwiegenden Teil des Landes kann die Organisation aufgrund der Sicherheitslage und der fehlenden Erlaubnis der syrischen Regierung nicht mit eigenen Teams tätig werden. Seit 2011 unterstützt die Organisation deshalb Gesundheitseinrichtungen syrischer Mediziner durch die Lieferung von Medikamenten, medizinischem Material und Treibstoff für die Generatoren, die Übernahme von Kosten, die Sanierung beschädigter Einrichtungen sowie durch medizinische Beratung. Derzeit werden auf diese Weise etwa 150 Gesundheitseinrichtungen auf beiden Seiten der Front unterstützt. 70 davon wurden regelmäßig und seit mindestens einem Jahr unterstützt.

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Stefan Dold
- Pressestelle