Im kenianischen Dabaab befindet sich das größte Flüchtlingslager der Welt. Dort leben schätzungsweise 400.000 Menschen. Die meisten stammen aus Somalia, wo seit 1991 Bürgerkrieg herrscht. Nun will Kenias Regierung das Lager schließen. Wir kritisiert dies und setzen uns dafür ein, dass die politischen Entscheidungsträger alternative Lösungen – wie die Integration in die kenianische Gesellschaft oder kleinere Lager – in Betracht ziehen. Denn bei einer erzwungenen Rückkehr nach Somalia droht den Menschen Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen, sexuelle Gewalt und ein Verlust des Zugangs zu medizinischer Versorgung. Wir rufen die kenianische Regierung und das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) dringend auf, mit der Unterstützung von Geberländern andere Lösungen zu erarbeiten.

Zwischen 1991 und 1993 fliehen rund 300.000 Somalier über die Landesgrenze nach Kenia. Die meisten Flüchtlinge durchqueren zu Fuß die trostlose Savanne Somalias. Sie lassen sich im Nordosten an Orten nieder, aus denen später der Flüchtlingslagerkomplex Dadaab entsteht. Der Flüchtlingsstrom wird durch heftige Kämpfe, Plünderungen und eine Dürre im Süden Somalias ausgelöst. Mehr als 80 Prozent der Geflüchteten sind Frauen und Kinder. Viele von ihnen werden auf ihrer Flucht Opfer von Gewalttaten, einschließlich Vergewaltigungen. In der Provinz Garissa richten wir eine Notaufnahme und eine Unfallstation ein.

Wir kommen im August 1992 in das Gebiet, um eine medizinische Grundversorgung sowie Präventions- und Ernährungsprogramme bereitzustellen. Logistikteams installieren Wassertanks und Verteilungspunkte für Trinkwasser, um den dringendsten Bedarf der somalischen Bevölkerung zu decken. Zahlreiche Kinder, die zusammen mit ihren erschöpften Eltern im Lager ankommen, leiden an schwerer akuter Mangelernährung. Wir eröffnen ein Ernährungszentrum und acht Gesundheitszentren.

1999 - sieben Jahre, nachdem die ersten Flüchtlinge eintrafen, sind wir weiterhin in Dadaab tätig. Neben anderen medizinischen Maßnahmen betreiben wir ein dreijähriges Programm für Patienten mit Tuberkulose. Diese Krankheit ist im Lager weit verbreitet. Junge Tuberkulose-Patienten kommen zur Behandlung in das Krankenhaus im Flüchtlingslager Hagadera.

Eine 55-jährige Somalierin ruht sich in einer Schubkarre aus, nachdem sie drei Tage lang mit ihren Familienangehörigen auf der Flucht war. Im Lager von Dagahaley leben zu jener Zeit 91.000 Flüchtlinge. Davon haben sich allein 2008 rund 60.000 vor dem Krieg hier in Sicherheit gebracht.

Ein Sicherheitsbeauftragter versucht Ordnung zu schaffen, während Hunderte verzweifelter Menschen darauf drängen, in ein weniger überfülltes Flüchtlingslager verlegt zu werden. Im September 2009 sind die Lager bereits um das Dreifache überbelegt und es fehlt an angemessenen Unterkünften, Wasser und sanitären Anlagen.

In einem Lebensmittelverteilungszentrum der Vereinten Nationen hilft ein Mann bei der Ausgabe von Mehl. Laut Gesundheits- und Ernährungsumfragen, die wir im April 2009 im Lager Dagahaley durchführen, leiden wegen der reduzierten Lebensmittelrationen viele Menschen unter akuter Mangelernährung.

2011 wird das Horn von Afrika von einer der seit Jahren schlimmsten Dürreperioden heimgesucht. Tausende fliehen und viele Menschen sterben an schwerer Mangelernährung. Jeden Tag kommen Hunderte somalischer Flüchtlinge in Dadaab an und der Zugang zu Wasser, sanitären Anlagen, Nahrung und Unterkunft wird immer schwieriger.

Um den Zustrom von Patienten bewältigen zu können, die häufig in sehr schlechter Verfassung sind, eröffnen wir zusätzliche Ernährungszentren. Infolge des Drucks durch die Medien werden Notfallfonds freigegeben. Hilfswerke bauen ihre Unterstützung aus, und es werden zwei zusätzliche Lager – Kambioos und Ifo 2 – für die neu ankommenden Flüchtlinge eingerichtet.

Am 10. November 2013 unterzeichnen die kenianische und somalische Regierung mit dem Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ein Drei-Parteien-Abkommen zur freiwilligen Rückführung von somalischen Staatsangehörigen. Wir sind gegen das Abkommen, da aufgrund der Lage in Somalia eine sichere Rückkehr nicht möglich scheint. Wir fordern dazu auf, alternative Lösungen in Betracht zu ziehen und die Flüchtlingshilfe in Kenia fortzuführen.

Aufgrund der angespannteren Sicherheitslage und der Entführung von zwei unserer Mitarbeiterinnen aus dem Lager Ifo 2 im Oktober 2011 müssen wir das gesamte internationale Personal aus Dadaab abziehen. Im August des gleichen Jahres treffen wir die schwierige Entscheidung, Somalia nach 22 Jahren zu verlassen, da die erforderlichen Sicherheitsgarantien nicht mehr gewährleistet sind.

Am 6. Mai 2016 kündigt die Regierung Kenias unter Berufung auf Sicherheitsbelange die Schließung der Dadaab-Lager an. Wir erheben erneut Einwände und setzen uns dafür ein, dass die politischen Entscheidungsträger alternative Lösungen – wie die Integration in die kenianische Gesellschaft oder kleinere Lager – in Betracht ziehen. Laut einer im August in Dagahaley durchgeführten Umfrage wollen 86 Prozent der Flüchtlinge nicht nach Somalia zurück.

Wir betreiben als einzige medizinische Hilfsorganisation in Dagahaley eine Klinik mit 100 Betten sowie zwei Gesundheitsstationen. Im Jahr 2015 halten wir 12.620 ambulante Sprechstunden ab und betreuen 680 Patienten stationär. Als medizinische Organisation sind wir vor allem beunruhigt darüber, dass chronisch Kranke wie Diabetiker oder HIV-Infizierte bei einer Rückkehr nach Somalia ihre lebensnotwendige Behandlung nicht mehr erhalten.